Wiener Festwochen

“Standing ovations” für Klavier-Krösus Maurizio Pollini

Wien
04.06.2010 11:04
Geburtstagsgeschenke gehören sorgsam ausgesucht. Die Wiener Festwochen haben das getan und schenkten den Jahresregenten Robert Schumann und Frederic Chopin einen echten Maurizio Pollini zum 200er. Im Wiener Musikverein feierte der italienische Pianist am Donnerstagabend die beiden Schöpfer wegweisender Klaviermusik mit der für ihn typischen schlichten Transzendenz. Das Publikum gratulierte mit stehenden Ovationen.

Besondere Originalität kann man den Festwochen was das Programm betrifft sicher nicht unterstellen: Schumanns "Kreisleriana" und Chopins "Preludes" werden in diesem Jahr sicher noch häufiger serviert. Wenn nicht, bedeutet das allerdings ebenso ein Manko. Dass Pollini sich dieser musikalischen Referenzen annimmt, ist allerdings eine programmatische Großtat. Unprätentiös betrat dieser die Bühne und legte los, ohne Noten, ohne überzogenen Ehrgeiz und mit viel Lust an der Sache. Und natürlich lautem Schnauben dort, wo es besonders intensiv wurde.

Mühelose Performance
Und so sprudelte das erste Stück der "Kreisleriana", Schumanns Porträt des Hoffmann'schen Kapellmeisters und eigenes tiefgründiges Seelengemälde, wie ein Gebirgsbach in die Gehörgänge der Anwesenden. Die Mühelosigkeit, mit der der 68-jährige Pianist die Akkordzerlegungen wieder zu einem Ganzen verschmelzen lässt, erinnert an gutes Ballett. Die Schwerkraft wird für abgeschafft erklärt, ebenso wie vorangegangene Interpretationen. Zu einem schlicht schönen Stück Musik wurde auch das "Concert sans Orchestre" mit seinen sentimental-resignativen Variationen "Andantino di Clara Wieck". Pollini hat sich selbst in die Dame verliebt, scheint es.

Parcours durch etliche Tonarten und Tempi
Mit den zwei Nocturnes Cis-Moll und Des-Dur, beide in unerhörter Qualität, läutete Pollini nach der Pause den Chopin-Teil des Abends ein. Dann die Preludes: Viel gespielt, mannigfaltig gedeutet und trotzdem schaffte es der Weltklasse-Pianist, die 24 Miniaturen in einen selten gehörten spielerischen Fluss zu versetzen. Pausen, die bei derartigen Veranstaltungen zum kollektiven Husten einladen, vermied er. Stattdessen spannte er einen Bogen um das Werk, der den Parcours durch alle möglichen Tonarten und Tempi verschmolz, als wäre es große Oper.

Bestes Geschenk für Jahresregenten
Am Ende blieb Euphorie für einen Abend, der den zwei Jahresregenten zwar mit wesentlich mehr Originalität hätte begegnen können, allerdings mit keinem besseren Geschenk, als Pollini. Der verbeugte sich mit seiner ureigenen Bescheidenheit und einem verschmitzten Lächeln.

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