„Chicago Baby“

Hunney Pimp: Rap-Noir mit feministischem Anspruch

Musik
29.10.2019 07:00

Mit „Chicago Baby“ veröffentlicht die aufstrebende einheimische Künstlerin Hunney Pimp dieser Tage ihr heiß ersehntes zweites Album und entführt den Hörer in eine gangsterballadenhafte Welt Noir. Im ausführlichen Interview ließ uns die 29-Jährige etwas weiter hinter Sein und Wesen ihrer Kunstfigur tauchen.

(Bild: kmm)

Gerade dort, wo die Hosen am dicksten sind und am tiefsten hängen, muss man sich auch im Jahr 2019 noch ordentlich strecken, um als Frau nicht sofort zum Klischeekatalysator eines ganzen Genres zu geraten. Klar, der Rap im Allgemeinen und der Hip-Hop im Speziellen haben rasant dazugelernt und setzen das weibliche Geschlecht nicht mehr ausschließlich als Fleischbeschau auf den Stundenplan, doch von einer möglichst gleichberechtigten, respektvollen Liaison beider Geschlechter kann keinesfalls die Rede sein. Das weiß hierzulande niemand besser als die gebürtige Salzburgerin Hunney Pimp, die mit ihrem zweiten Album „Chicago Baby“ nun den einheimischen Genre-Thron für sich einnehmen will und sich dabei keinesfalls um gängige Dogmen schert. Sie verpackt ihren Rap, der mal mehr nach Cloud, dann wieder mehr nach Trap und zwischendurch auch ganz Old-School klingt, in eine Bonnie-&-Clyde-mäßige Noir-Geschichte und bricht schon rein mit der konzeptionellen Ausrichtung durch selbsterschaffene Schranken.

Dem Wahnsinn verfallen
„Als ich Hip-Hop zu hören begann, gab es eigentlich kaum Frauen“, erinnert sie sich im „Krone“-Interview zurück, „ein Erweckungserlebnis war für mich Lauryn Hill. Sie rappte nicht nur, sondern sang auch und zeigte mir, was alles möglich ist.“ Sich nicht nur als Rapperin zu deklarieren, das war Hunney Pimp schon beim im Underground gefeierten Debütwerk „Schmetterling“ (2017) ein großes Anliegen. Schließlich hat sie in der Vergangenheit auch schon mit Jazz kokettiert, liebt Musicals und kann sich für später durchaus eine Vermengung all ihrer unterschiedlichen Vorlieben vorstellen. „Manche Künstler finden sich in einem Stil zurecht und machen ein Leben lang das gleiche, für mich wäre das unmöglich. Im Prinzip ist diese Mischung, die etwas wahnsinnig anmutet, die ehrlichste. Ich bin jedenfalls nicht da, um irgendwelche Nischen zu bedienen, nur weil es immer schon so war.“

Das Ausscheren und neben-der-Spur-laufen ist Hunney Pimp seit jeher wichtig, vielleicht fallen auch deshalb immer wieder die losen Vergleiche mit der deutschen Durchstarterin Hayiti, die sich zwar musikalisch anders, aber charakteristisch ähnlich präsentiert. Nicht nur ihr Album sieht die Künstlerin als feministisches Statement. „Das bin ich als Person und Künstlerfigur sowieso. Die Rap-Welt wird für Frauen besser, da verändert sich zum Glück einiges. Heute ist es für junge Mädels schon viel leichter, weil sie Vorbildfiguren haben. Im Hintergrund ziehen aber meist immer noch Männer die Fäden. Auch da muss sich etwas ändern, damit dort mehr Vielfältigkeit herrscht. Natürlich gibt es in der Öffentlichkeit präsente Rapperinnen, aber sie bedienen oft starke Klischees. Man muss nicht immer zwingend etwas zu sagen haben, wenn man rappen will. Man kann auch einfach Spaß haben und das trauen sich viele nicht. Das gehört natürlich gelockert, aber es wird rundum wirklich immer besser.“

Die zweite Hälfte
Wie man sich gegen die allgegenwärtige, maskuline Gesellschaftsdominanz durchsetzen kann, das lernte die 29-Jährige schon früh in ihren Jobs als Kellnerin. „Da habe ich schon sehr viel Hässliches erlebt. Ich traf später einige Produzenten, mit denen kein Verhältnis auf Augenhöhe möglich war. Ich habe dann selbst begonnen, Beats zu machen und aufzunehmen, weil ich nicht das Gefühl haben wollte, das mich jemand formt. Es gab auch einige arge Kommentare, aber als mich Melonoid anschrieb, hatte ich ein gutes Gefühl und das hat sich bestätigt. Anfangs war es schon sehr seltsam.“ Stichwort Melonoid. Ohne ihre „zweite Hälfte“ würde es Hunney Pimp in dieser Form auch gar nicht geben. Er war als Produzent und Beatschrauber schon am Debüt eine essenzielle Stütze, für „Chicago Baby“ hat sich die Zusammenarbeit bei dem kreativen Duo intensiviert. „Wir kennen uns gut und sehr lange, wissen auch ob der Stärken und Schwächen des jeweils anderen. Das macht die ganze Sache recht harmonisch. Außerdem haben wir verschiedene musikalische Einflüsse. Ich höre gerne straighten Rap, aber auch Klassik und Musicals.“

Dass die Zusammenarbeit mit ihr gar nicht so einfach ist, gibt die Künstlerin lachend offen zu. „Wenn ich mir wo sicher bin, höre ich die ersten drei Mal gar nicht hin, was er sagt. Aber irgendwann doch und dann bin ich froh, dass sein Input das Gesamtprodukt verbessert.“ Obwohl sich Hunney Pimp auf ihrem Zweitwerk in das ferne Amerika flüchtet, singt und rappt sie immer noch mit großer Begeisterung im Dialekt. „Ich habe viel auf Englisch und Hochdeutsch gemacht, aber das hat sich alles nicht richtig angefühlt. Dialektrap ist noch immer so ein unerforschtes Gebiet, weil die Klangfarbe schön ist und es so viele tolle Wörter gibt. Im Endeffekt geht es weniger darum, dass die Leute außerhalb Österreichs mich korrekt verstehen, als dass der Vibe passt. Der geht nämlich schnell verloren, wenn man sich wo reinzwängen will.“

Geheimnisvoll
Die exakte Geschichte hinter „Chicago Baby“ lässt Hunney Pimp geheim, schließlich wurde sie aus einem persönlich sehr enttäuschenden Erlebnis heraus kreiert und entwickelte sich dann zu einer drogengeschwängerten, rauschähnlichen Liebesbeziehung á la Bonnie & Clyde, die einen stringenten konzeptionellen Bogen beinhaltet und eine vollinhaltliche Geschichte erzählt. Das Grobkonzept hat Hunney Pimp schnell erklärt. „Hunney Pimp erwischt die falschen Drogen, befindet sich in Wien und fühlt sich so, als würde sie in der mafiösen 60er-Jahre-Szene in Chicago befinden. Dann beginnt die Bonnie-&-Clyde-Story und die geht möglicherweise am Ende schief.“ Am Ende des Albums erfährt man etwas mehr über die Hauptprotagonistin, eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen, auch wenn sich die Salzburgerin stilistisch garantiert wieder drehen wird, denn Stillstand bedeutet für sie Rückschritt.

Gefragt auf die Option, künftig verstärkt mit anderen Künstlern zusammenarbeiten, kommt wie aus der Pistole geschossen eine sehr interessante Antwort zurück. „Früher hätte ich sicher nicht mit Leuten zusammengearbeitet, die sexistische Texte machen. Da ich das teilweise auch selbst mache, sehe ich das ein bisschen entspannter. Ich glaube aber, dass so etwas viele Typen unangenehm finden, weil man sie ja dann direkt mit den eigenen Waffen konfrontiert. Das ist so, wie wenn man deren Müttern ihre eigenen sexistischen Texte zeigen würde. Das funktioniert nur in reinen Männergruppen, aber sonst nicht wirklich. Das wäre ihnen garantiert peinlich.“

Release-Show in Wien
Am 8. November stellt Hunney Pimp in der Roten Bar des Volkstheaters ihr Album „Chicago Baby“ in einem einmalig besonderen Rahmen vor. „Es wird ein bisschen unvorbereitet und spontan sein und ich habe mehr Leute auf der Bühne. Es ist einfach größer als bei den herkömmlichen Shows bei mir und da muss man mehr üben und proben im Vorfeld. Es wird einfach mehr Entertainment geben und wird vorerst einmalig so sein. Kann aber gut sein, dass es auch künftig so wächst. Wenn man noch nicht die Kapazitäten dafür hat, ist es aber auch schwierig, aber das Fernziel wäre es.“

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