23.000 Jahre alt

„Kühlschrank“ aus Steinzeit bei Krems freigelegt

Niederösterreich
23.10.2019 16:07

Wissenschaftlern ist in Niederösterreich ein hochinteressanter Fund gelungen. Die Forscher der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben in Kammern-Grubgraben eine Art Kühlschrank aus der Altsteinzeit freigelegt. Der Fund der von einer gut organisierten Jäger- und Sammler-Gruppe vor rund 23.000 Jahren errichteten Steinkonstruktion sei bisher der einzige seiner Art, ähnliche Fleischspeicher gebe es aber auch gegenwärtig noch, sagte Grabungsleiter Thomas Einwögerer.

Das heute am Rande des Waldviertels liegende Gebiet glich zum Ende der letzten Kaltzeit um 24.500 bis 18.000 vor Christus mehr dem heutigen Norden Skandinaviens und weniger der nunmehr milden Weinbauregion. „Man muss sich das ganz anders vorstellen als heute: eher wie eine großteils grasbewachsene Kältesteppe mit am Boden dahinkriechenden Kiefern, kleineren Birken oder Weiden“, sagte Einwögerer. Das Klima war recht trocken und der Boden ganzjährig gefroren - also Permafrostboden. Wenn im Sommer die Sonneneinstrahlung stärker wurde, taute lediglich die Oberfläche etwas auf und bildete in den Senken Matsch.

Dieses von Wind und Kälte geprägte Land war jedoch für die Großwildjagd gut geeignet, da es weithin einsehbar war und den Tieren weniger Versteckmöglichkeiten bot als dichter Wald. Das machte das Gebiet für altsteinzeitliche Jäger durchaus attraktiv, so der Wissenschaftler.

In einem Kessel inmitten der kleinen Hügelkette zwischen dem heutigen Kamp- und Straßertal stießen die Wissenschaftler an der jungpaläolithischen Fundstelle Kammern-Grubgraben auf eine „Steinpackung“, die sie als Kühlschrank bzw. Speicher für Rentierfleisch aus der Altsteinzeit interpretieren. Der im Sommer freigelegte Fund entpuppte sich als durchaus ausgeklügelt: Er befindet sich an der höchsten Stelle des rund 40 mal 40 Meter großen frühzeitlichen Lagerplatzes, wo es auch im feucht-matschigen Sommer am trockensten blieb.

„Dort legten die Menschen eine Lage Steinplatten auf. Darauf schichteten sie dann das ausgebeinte Fleisch“, erklärte Einwögerer. Dann kamen wieder Steine als Zwischenlage. Bis zu sechs solche Schichten und rund einen halben Meter Höhe hatte die gefundene Steinpackung mit rund zweieinhalb Metern Seitenlänge. Rundherum wurde die Konstruktion erneut mit Steinen bedeckt, die teils über Hunderte Meter befördert werden mussten.

Genau diese Strategie verfolgen heute noch Inuit etwa im Norden Kanadas. Der Permafrostboden kühlt nämlich das Fleisch von unten sehr gut, gleichzeitig kann der Wind durch die Zwischenräume ziehen. Das ergibt quasi leicht gefriergetrocknetes Fleisch, das über Monate oder vielleicht auch länger haltbar und gleichzeitig vor Räubern wie Füchsen und Wölfen geschützt ist. Das half den damals sehr mobilen Gruppen bei der Nahrungsversorgung, denn sie konnten einen Lagerplatz monatelang verlassen und später zurückkehren, ohne dort vor dem Nichts zu stehen.

Der Platz war strategisch gut gewählt, denn aufgrund der Kessellage auf dem Hügelrücken zwischen den Tälern war die Gruppe einerseits recht gut geschützt. Andererseits kamen die Rentierherden dort wahrscheinlich automatisch vorbei, wenn sie von einem ins andere Tal wechselten. „Man hat sich dort vielleicht wie ein Korken im Flaschenhals hineingesetzt und den Übergang blockiert, um eine ganze Herde gleichzeitig zu erwischen“, sagte Einwögerer. Der kurzzeitige Fleischüberschuss musste dann in der Folge auch gebunkert werden.

Die nun gefundenen Tierknochen sind zwar nicht sehr gut erhalten und Holzkohlereste und Asche wurden vom Wind verblasen. Trotzdem lassen sich aufgrund von gefundenen Steinklingen oder Schmuck Rückschlüsse auf das damalige Leben ziehen. So musste die Gruppe insgesamt relativ gut organisiert gewesen sein. Die Speichermethode sei jedenfalls sehr gut geeignet gewesen, „um relativ viel Fleisch mit moderatem Aufwand zu konservieren“, sagte Einwögerer.

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