Waffenruhe in Syrien

„Dschihadisten könnten Gunst der Stunde nutzen“

Ausland
18.10.2019 15:59

Fünf Tage lang herrscht nun Waffenruhe im nordsyrisch-türkischen Grenzgebiet, das wurde am Donnerstagabend beschlossen. In dieser Zeit müssen sich die Kurden aus dem umstrittenen Grenzstreifen zurückziehen. Nur dann beende die Türkei ihren Einmarsch in Syrien, hieß es aus Ankara. Der Waffenstillstand ist das Ergebnis einer Vermittlungsmission von US-Vizepräsident Mike Pence. Was das für die Menschen in diesem Gebiet bedeutet, analysiert der Politikberater und Türkei-Kenner Kenan Güngör. Den ganzen Talk mit Moderator Gerhard Koller sehen Sie im Video oben.

Ob die Kurden wirklich die Waffen niederlegen werden, wird sich laut Güngör „erst zeigen“: „Man muss wissen, dass sich an diesem Grenzstreifen die meisten kurdischen Siedlungsgebiete befinden. Die Kurden haben die Sorge, dass ihnen dasselbe widerfährt wie den Menschen in Afrin, einer kurdischen Enklave in Syrien.“ Dort sei die ganze Bevölkerung geflüchtet, es sei zu einer „ethnischen Säuberung“ gekommen.

Kurden standen vor der Wahl
Wenn es nach dem Türkei-Experten geht, hatten die Kurden die Wahl zwischen einem „Ethnozid“, also einer Vernichtung und Vertreibung, und einer Verhandlungsposition. Das sei auch der Grund gewesen, warum man wieder mit Russland und dem syrischen Machthaber Bashar al-Assad gesprochen hat.

„Russen sind die richtigen Spielmacher“
Fraglich bleibt auch, wer dieses Grenzgebiet im Nordosten Syriens künftig schützen wird: „Wenn das die islamistischen Rebellen sein sollen, die von Erdogan in den Krieg hineingezogen werden, dann haben wir ein Problem, weil das zu einem großen Teil Dschihadisten sind.“ Güngör selbst hat jedenfalls den Eindruck, dass sowohl auf türkischer als auch auf amerikanischer Seite keine „längerfristige Strategie gespielt wird“.

Die richtigen Spielmacher seien die Russen. Wie sie sich verhalten werden, ist auch noch offen: „Die Russen sind weder an einer Autonomie der Kurden interessiert, aber noch viel weniger daran, dass die Türkei dort ein Proxy (Stellvertreter, Anm. d. Red.) aufbaut.“ Daher könnte es passieren, dass „auch die syrische Armee in die Region einzieht“ und die Lage wieder neu zu bewerten wäre.

Erstarkung des IS befürchtet
Zudem müssten sich die Menschen in dieser Region vor einer Erstarkung des IS fürchten: „Den höchsten Blutzoll bezahlen dann die Kurden, die Jesiden und auch die Muslime vor Ort.“ Zwar säßen 12.000 Dschihadisten in kurdischen Gefängnissen, jedoch gebe es weitere 12.000 kampfbereite, dem IS nahestehende Kämpfer, welche „die Gunst der Stunde“ zu nutzen versuchen würden. Es werde jedenfalls stark davon abhängen, „ob sich die Kurden entwaffnen lassen oder nicht“.

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