Tote bei Gasexplosion

In St. Jodok ist nichts mehr, wie es einmal war

Tirol
16.10.2019 14:00

Drei Wochen ist es her, dass in St. Jodok in Tirol eine angebohrte Gasleitung zu einer Explosion in einem Haus führte. Eine Frau starb, zwölf Menschen wurden verletzt. Für die betroffene Familie ist seither nichts, wie es einmal war.

Wie ein Mahnmal steht die Ruine an der Straße. Von den einst stolzen Hausmauern ist nichts mehr übrig, nur der Kachelofen steht noch in den Trümmern. Stur hat er sich gegen das Feuer gewehrt, zwei Kerzen stehen darauf und erinnern an die Katastrophe, die vor drei Wochen über St. Jodok in Vals hereinbrach.

„Wir waren glücklich“, sagt Margarita Ungerank, „glücklich und zufrieden.“ Eine Katze streift um die Trümmer, die jahrelang Zuhause und Arbeitsplatz der Frau waren. „Ich war gerade beim Kochen“, erzählt sie und deutet auf die Wohnung im ersten Stock, in der sie lebte. Ein unglaublich lauter Knall. „Plötzlich kam die Wand auf mich zu und wieder zurück“, sagt sie mit brüchiger Stimme. Es sei schwer wiederzugeben, was in jenen Sekunden am 23. September in St. Jodok passierte.

Ein Unfall, Einsatzkräfte, Ermittlungen und Hilfe
Da ist die eine Seite: eine angebohrte Leitung, Gas, das sich seinen Weg durch den Untergrund bahnte, über den Boden des alten Hauses eintrat. Eine Explosion, deren Auslöser auch nach akribischer Ermittlungsarbeit des Tiroler Landeskriminalamts und des Bundeskriminalamts nicht mehr feststellbar ist.

Mehr als 250 Einsatzkräfte, die gegen das Feuer und ihre eigenen Grenzen kämpften. Der Bürgermeister, der inmitten der Katastrophe stand und erste Maßnahmen traf. Der landeseigene Energieversorger Tigas, der eine Beschädigung der Leitung bereits einen Tag nach dem Unglück bestätigte. Die Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen wegen fahrlässiger Gemeingefährdung aufnahm. Der Landeshauptmann, der nach Vals aufbrach und den Betroffenen Soforthilfe zukommen ließ.

Ein Augenblick - nichts ist mehr, wie es war
Auf der anderen Seite steht eine Familie, die im Bruchteil einer Sekunde, ihr Heim, ihren Arbeitsplatz - und ein Familienmitglied verlor. Ein Augenblick - und nichts ist mehr so, wie es einmal war. Sie sei aus dem Haus gerannt, erzählt Margarita Ungerank. „Das Erste, was mir durch den Kopf ging, war, dass der Ofen in der Stube explodiert war“, sagt sie.

Doch unten angekommen, sah sie schon die zersplitterten Flaschen auf dem Boden verteilt, Scherben - ihren Schwager schwer verletzt. Er liegt noch heute im Krankenhaus. „Ich habe meinen Sohn aus dem Bett geholt, der nach dem Nachtdienst schlief.“ Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Geschäfts im Haus schaffte sie es auch, eine 97-jährige Mieterin heil ins Freie zu bringen.

Leid, Tapferkeit und viel Hilfe in der schweren Zeit
Ihr Mann Hermann, der Inhaber des kleinen Supermarkts, war während der Explosion im Erdgeschoß. Durch die Wucht der Detonation brach die Eisentür vor ihm aus den Angeln, fiel auf ein Auto, das vor dem Haus stand. Feuer, Gesichter voller Scherben, Schreie - dann sei die Erinnerung weg.

Heute, drei Wochen nach dem Unglück, steht eine müde, aber tapfere Frau vor den Trümmern ihres Hauses. Verarbeitet sei noch nichts - Zeit zum Nachdenken gab es bisher nicht. Schmerz liegt in ihren Augen. Die ganze Familie leidet unter den Geschehnissen. Auf vielen Seelen sitzen nun tiefe Narben.

Sehr viel Dankbarkeit
Aber da ist auch sehr viel Dankbarkeit. „Die Einsatzkräfte, Freunde, Familie, Bekannte, auch Politiker - von überallher kam Hilfe“, sagt Margarita Ungerank. „Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie unglaublich die Hilfeleistung war und ist.“ Es ist das Licht im großen Schatten. Ob das Haus abgerissen, das Geschäft wiederaufgebaut wird, ist noch unklar. Die Versicherungen sind am Zug. Der Familie Ungerank ist Unvorstellbares widerfahren - aber sie ist auch noch fester zusammengewachsen. „Das ganze Valsertal hat geholfen“, sagt Margarita und man spürt, dass aus der Asche dieses Hauses wieder Neues wachsen wird.

Bürgermeister Klaus Ungerank im Interview
Nach dem Felssturz am Weihnachtsabend 2017 wurde Vals nun erneut von einer Katastrophe heimgesucht. Die „Krone“ hat mit Bürgermeister Klaus Ungerank über die verheerende Explosion gesprochen.

„Krone“:Herr Ungerank, wie geht man als Bürgermeister mit solchen Ereignissen um?
Klaus Ungerank: Ich muss sagen, dass wir zweimal sehr viel Glück im Unglück hatten. Natürlich ist jeder Tote einer zu viel, aber wir hatten auch Glück, dass nicht noch viel mehr passiert ist. Beim Felssturz wurde ja tatsächlich niemand verletzt.

Trotzdem sind es Extremsituationen …
Ja, und ich bin den Einsatzkräften sehr dankbar, die in beiden Fällen unglaubliche Arbeit geleistet haben. Was den Felssturz betrifft, werden noch diesen Monat die neue Straße, noch dieses Jahr die neuen Schutzdämme fertig. Nächstes Jahr kommt noch eine Lawinenverbauung, bis Ende nächstes Jahr soll die Rekultivierung der Felder abgeschlossen sein.

Wie geht es mit dem Haus weiter? Bekommt St. Jodok ein neues Geschäft?
Es ist noch unklar, ob es abgerissen wird oder nicht. Auf jeden Fall wollen wir einen neuen Nahversorger im Ort, denn auch der soziale Treffpunkt fehlt nun.

Wie schaffen Sie es mit alldem umzugehen?
Es mag einfach klingen, aber der Sport ist mein Ausgleich. Der ist wie Balsam für die Seele und hilft zumindest mir bei der Problembewältigung.

Kronen Zeitung

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