„Politik gefordert“

Terror schockt jüdische Gemeinde in Österreich

Wien
11.10.2019 06:01

Die Schreckensnachricht aus Halle (siehe Augenzeugenbericht im Video oben) platzte mitten in die Feierlichkeiten zu Jom Kippur. Unter den Hunderten Gläubigen in der Synagoge in der Seitenstettengasse in Wien machte die Nachricht über den Anschlag rasch die Runde. „Politik und Gesellschaft sind gefordert“, betont Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG).

Deutsch wurde von seinem Sicherheitschef über die Bluttat von Halle noch während der Feierlichkeiten informiert: „Egal ob von rechts, links oder von islamistischer Seite - der Antisemitismus steigt. Und dann denkt man sich: ,Halle - so weit weg ist das auch nicht.’“

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Angriffe in Deutschland wurden in Wien die Sicherheitsvorkehrungen hochgefahren. Wie berichtet, rückte auch die Spezialeinheit WEGA aus, um die Zentren des jüdischen Lebens zu schützen - Schulen, Synagogen, Wohngemeinschaften.

Wiener Stadttempel im Fadenkreuz von Attentätern
Dass diese Einrichtungen nicht unter besonderer Bewachung stünden, ist seit einem Anschlag von 1981 denkunmöglich. Am 29. August 1981 stürmten zwei Palästinenser den Stadttempel in der Seitenstettengasse, warfen Handgranaten und schossen in die Menge. Zur Sicherung des Tempels eingesetzte Polizisten erwiderten das Feuer. Einer der Terroristen wurde vom Leibwächter des Unternehmers und legendären Austria-Wien-Präsidenten Leopold Böhm angeschossen und wenig später festgenommen. Sein Komplize tötete auf der Flucht noch zwei Passanten, bevor er ebenfalls gestellt wurde. Die schreckliche Bilanz des Tages: zwei Tote und 21 teils Schwerverletzte.

Ein Fünftel des Budgets der Kultusgemeinde mit ihren 8000 Mitgliedern fließt in die Sicherheit. Eine entscheidende Rolle kommt der Exekutive zu. Deutsch stellt klar: „Die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und der Polizei ist vorbildlich. Wir sind sehr zufrieden.“

Zufrieden ist der IKG-Präsident auch mit dem Verbot und der Ahndung von Hasspostings im Internet, denn „zuerst kommt das Wort, dann die Tat“. Er sieht Gesellschaft und Politik im Kampf gegen Antisemitismus dennoch gefordert.

Die Weltreligion in Österreich
In Österreich leben derzeit laut Schätzung bis zu 15.000 Menschen jüdischen Glaubens, 8000 sind Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde. Die IKG in Wien repräsentiert das gesamte Judentum in Österreich, ihr Präsident ist Oskar Deutsch. Es gibt aber auch kleinere, offizielle Gemeinschaften in den Landeshauptstädten, die größte davon in Graz mit rund 200 Mitgliedern. Die IKG unterstützt ihre Mitglieder in verschiedenen Dienstleistungen in sozialen, religiösen und Bildungsangelegenheiten. Seit dem Anschlag 1981 fließen 20 Prozent des Gemeindebudgets in die Sicherheit.

Das jüdische Leben in Wien kann seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesen werden. Zentrum war zunächst der heutige 1. Bezirk, nach dem Pogrom von 1420/21 war es der 2. Bezirk (Wien-Leopoldstadt). Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten noch rund 200.000 Menschen mit jüdischem Bekenntnis in Wien.

Man unterscheidet zwischen drei Glaubensrichtungen: Es gibt orthodoxes, progressives und auch konservatives Judentum.

Oliver Papacek, Florian Hitz und Philipp Wagner, Kronen Zeitung/krone.at

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