„Krone“-Interview

Beyond The Black: Weit über den Tellerrand hinaus

Musik
12.10.2019 07:00

Allzu oft wird mokiert, dass es gerade dem Heavy Metal an Frauen fehlen würde. Ein perfektes Gegenbeispiel sind die Mannheimer Beyond The Black, bei denen Jennifer Haben seit 2014 nicht nur Sängerin und Gründungsmitglied ist, sondern auch die klare Chefin. Vor ihrem Gig in der ausverkauften Wiener Szene sprachen wir mit der sympathischen Frontfrau über ihre Band, ihre inneren Dämonen, ihre Teilnahme bei „Sing meinen Song“ und weshalb es längst an der Zeit wäre, alte Dogmen aufzubrechen.

(Bild: kmm)

„Krone“:Jennifer, deine Karriere ging wirklich schon unheimlich früh mit Musik los und du hast eine beeindruckende Vita vorzuweisen. Gab es überhaupt jemals einen Plan B oder eine Intention, irgendetwas anderes zu machen?
Jennifer Haben:(lacht) Eigentlich nie. Es gab wirklich kein anderes Ziel. Ich habe mit vier angefangen vor Leuten zu singen, deshalb war mir immer klar, in welche Richtung meine Karriere geht. Natürlich ist das Musikbusiness ein großes Risiko, aber egal wie und wo und wann, werde ich diesen Weg nicht verlassen. Er ist einfach mein Leben.

Woher kam diese frühe Liebe dazu? Ist das bei dir familiär bedingt?
Meine komplette Familie macht Musik und meine Mutter war immer jemand, der mit mir Gitarre gespielt und zweistimmig gesungen hat. Mit neun habe ich meine erste Band gegründet. Es ging schon ganz früh los damit und ich wusste sehr schnell, dass ich auf der Bühne stehen und Leute berühren möchte.

Du warst vor deiner Karriere als Metalsängerin in einer Girlgroup namens Saphir und bist seit kurzem auch Teil von „Sing meinen Song“. Damit stößt du einigen Metallern gehörig vor den Kopf.
Ich finde es sehr wichtig, zu zeigen, dass es auch über den Tellerrand hinausgeht. Ich komme zwar von woanders her, aber es ist alles nicht so gegensätzlich, wie man glaubt. Es ist wichtig, viele verschiedene Sachen zu hören. Ich höre derzeit viel Phil Collins und auch Disney-Musik. Wenn die Musik gut gemacht ist und alles zusammenpasst, dann ist das total in Ordnung.

Hattest du eigentlich schon in deinen Girlgroup-Zeiten einen gewissen Drang, Heavy Metal zu machen?
Nein, das kam ein bisschen später. Ich war schon immer mehr die Rockerbraut, auch in der Saphir-Konstellation. Ich war eben die Lederhosenträgerin und fand das cool. Irgendwann nach Saphir habe ich angefangen in diese Richtung zu schreiben und über verschiedene andere Musikrichtungen kam ich zum härteren Material. Der Metal zeigt genau die Extreme, die auch in mir drin sind. Ich mag extreme Emotionen unfassbar gerne und kann sie hier in der Band ausleben.

Hattest du diese Musik im Endeffekt als Ziel, oder hast du dich damit quasi selbst überrascht?
Ein bisschen stimmt das schon. Ich weiß nicht, ob ich einen bewussten Plan habe, aber es war immer schon so, dass ich mich mit neuen Dingen fordere. Ich rede eigentlich auch ziemlich wenig, aber mittlerweile kriege ich das gut hin und habe viel dazugelernt. Ich wollte immer nur auf der Bühne singen und das Interviewgeben und Reden im Allgemeinen war ein großer Schritt für mich. Ich finde das aber sehr gut, weil ich dann stolz darauf bin, es hinzukriegen.

Es gab nach deiner Bekanntgabe für „Sing meinen Song“ wahnsinnig viel Gegenwind aus der Metalszene. Warst du ob dieser Intensität überrascht?
Ich habe das anfangs gar nicht so wirklich mitbekommen. Es war auf jeden Fall so, dass ich in den Kommentaren und Magazinen gelesen habe, wie man mich dafür angegangen ist. Es ist doch megageil, wenn das Genre Metal auch einmal in so einer breitenwirksamen Sendung vertreten ist und man das zeigen kann. Es geht vor allem um die Musik. Man kann sich bei DSDS oder „The Voice“ hinstellen und es kritisieren, aber bei „Sing meinen Song“ geht es am stärksten um die Musik. Warum kann man das nicht auch wertschätzen, denn auch andere Frontsängerinnen von Metalbands haben in anderen Ländern ähnliches gemacht. Warum ist das dann bei mir so schlecht? Das verstehe ich einfach nicht. Diese engstirnige Denkweise, dass alles, was Mainstream ist, gleichzeitig der Satan ist, finde ich ziemlich dämlich.

Bei einem Festival wie dem Nova rock spielen Slayer neben RAF Camora und Anthrax neben Alligatoah. Die Durchmischung ist eigentlich schon lange in der Gesellschaft angekommen.
Das ist ja auch das Skurrile daran. Die wollen ihre Bands nicht in die Freiheit lassen, so wie das Eltern nicht mit ihren Kindern wollen. Das ist ziemlich schade, weil du als Metalkünstler mit solchen Festivals auch andere Leute erreichen kannst. Beyond The Black sind natürlich poppiger als andere Bands, was dann viele Metal-Fans von vornherein abgestoßen hat.

Beyond The Black ist dein mittlerweile fünf Jahre altes Baby, das vor drei Jahren einen großen Umbruch hatte und seitdem erfolgreich durch die Szene segelt. Gerade anfangs war immer von einer „Casting-Band“ die Rede. Ein Begriff, der dir nie wirklich behagt hat.
Definitiv wurde das oft gesagt. Ich weiß mittlerweile, wie ich damit umgehen kann und sollte, aber es nervt mich ungemein. Vor allem habe ich das in den ersten beiden Jahren so oft gehört, dass es wirklich mühsam war. Ich habe früher so viel gemacht und aufgebaut, dass es völlig egal sein sollte, wie sich die Band fand - und es war kein Casting. Ich habe jahrelang daran gearbeitet und die Meinungen dazu haben mich enttäuscht. Nach dem großen Umbruch haben wir eine offizielle Unterscheidung gemacht, weil ich einfach Lust darauf hatte.

Was hat sich denn außerhalb des Personalkarussells am meisten verändert im Zuge des Umbruchs?
Wir sind viel mehr eine Band als wir es früher waren. Die Jungs haben richtig Bock darauf Songs zu schreiben und wir haben wahnsinnig viele Ideen für ein viertes Album. Wir nehmen uns auch mehr Zeit, um an Songs zu arbeiten, ohne eine Deadline zu haben. Wir hatten schon viele Songideen, bevor wir überhaupt von irgendwoher Druck verspürten und das war eine neue Situation für uns. Wenn man den Antrieb von der Band so schnell kriegt, ist das wirklich genial. Die Burschen denken einfach zwei Schritte voraus.

Bist du jemand, der im Endeffekt Deadlines braucht, um Sachen abzuschließen und wirklich was auf die Reihe zu kriegen?
Unglaublich. Ich studiere noch auf der Uni und ohne Deadline fange ich nicht einmal irgendwie zu arbeiten an. Ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit und habe so lange getrödelt, bis es wirklich eng wurde. Da bin ich wirklich schlimm, aber bei der Musik bin ich etwas schneller. Da kann ich auch nicht mehr nach hinten verlängern und will keine Kompromisse eingehen. Ich studiere Musikwissenschaft und bin auch theoretisch in dieser Szene verankert.

Ist das ein Vorteil? Sehr viele Musiker haben von Musiktheorie überhaupt keine Ahnung, was wiederum gar kein Nachteil sein muss.
Das hat definitiv einen Vorteil, die Dinge mehr zu verstehen. Zu viel Theorie kann Dinge aber auch zerstören. Ich hatte nie wirklichen Gesangsunterricht, weil mir wichtiger war, dass meine Emotionen meine Stimme tragen. Nicht irgendwelche Technik, die die Stimme „zu perfekt“ macht. Da muss man aufpassen. Wenn man etwa Musik analysiert, weil man so viel darüber weiß, dann verliert man das Gefühl für Spontanität.

Wie viel Persönliches oder Autobiografisches steckt im Endeffekt in deinen Songs?
Bisher war es noch nicht so persönlich, weil ich viel lieber Geschichten erzählen wollte. Ich brauchte diesen Line-Up-Wechsel 2016, um selbst mal in einer Krise zu stecken, um in einer solchen Situation zu schreiben. Ich hatte so eine unfassbar geile Kindheit, dass ich von dort kaum etwas zu verarbeiten habe. Jetzt hat sich das aber etwas geändert und somit wird das kommende Album viel persönlicher.

Du redest sehr viel von einem kommenden Album - was ist denn schon spruchreif?
Es wird wahrscheinlich Anfang 2020 erscheinen und ein Konzeptalbum werden, was eine Premiere für uns darstellt. Viel mehr möchte ich jetzt noch nicht dazu sagen. Grob geht es inhaltlich um die Band und um die Gefühle, die ich in den letzten Jahren mittrug.

War euer 2018er Album „Heart Of The Hurricane“ auch ein bisschen die Verarbeitung von der ersten Bandphase zur zweiten?
In einzelnen Songs war das der Fall, aber trotzdem war es nicht so, dass sich das Album wirklich darum drehte. Aus dem inneren Kern der Band wird das kommende Album eine Premiere sein. Es ist eine total neue Herausforderung für uns.

Wie haben sich die Band und du selbst in den fünf Jahren seit der Gründung verändert? Da ist ja doch wirklich sehr viel inzwischen passiert.
Ich glaube, dass ich eine wirklich große persönliche Entwicklung durchgemacht habe. Das klingt immer so arrogant, aber ich bin viel selbstbewusster als früher. Gerade durch den Line-Up-Wechsel weiß ich, wer ich eigentlich bin und welches Ziel ich habe. Ich habe so viel Energie und mehr Fokus, was mir früher deutlich fehlte. Es wird jeden Tag immer besser und ich kann alles viel besser einordnen. Die Band wächst damit mit und je mehr ich über mich weiß, umso mehr kann die Band über sich wissen. Jedes Album beschreibt eine Lebensphase von einer Person oder einer Band, die direkt beteiligt ist und das ist bei uns derzeit definitiv der Fall.

Gibt es auch ein Fernziel, wo du mit der Band hinwillst? Wie weit du vielleicht damit kommen kannst?
Das ist eine sehr schwere Frage. Es ist viel möglich, wenn wir es richtig anpacken. Wir sind alle sehr gute Musiker und es könnte wirklich noch sehr gut weitergehen. Wir können uns auch musikalisch noch verändern, das darf man nicht vergessen. Ein bestimmtes Ziel will ich mir gar nicht setzen, weil echt sehr viel passieren kann.

Wenn du jetzt schon Teil von „Sing meinen Song“ bist, wird es dich künftig auch verstärkt in die TV-Welt ziehen?
„Sing meinen Song“ war ein Format, das viel mit Vertrauen zu tun hatte. Man bekam es geschenkt und gab es auch zurück. Ich glaube kaum, dass so ein Format noch viel geiler werden kann. Da bin ich eher vorsichtig. Ich habe jeden Tag unheimlich viel gelernt und will eigentlich nur die Dinge machen, aus denen ich einen Mehrwert ziehen kann. Ich weiß auch so viel mehr, als ich vorher wusste. Ich würde nicht einfach nur ins Fernsehen wollen, um präsent zu sein. Ich möchte auch immer etwas für mich mitnehmen. Offen bin ich für alles, aber ich kann es mir derzeit nicht so direkt vorstellen.

In „Sing meinen Song“ bist du hauptsächlich mit Personen zusammen, die andere Musik machen. Wie viel kannst du im Endeffekt für dich und deine eigene Band daraus ziehen?
Ich glaube, das Allerwichtigste in der Sendung war zu sehen, dass in allen anderen Genres die gleichen Themen besprochen werden und die gleichen Geschichten dahinterstecken. Es wird nur anders verarbeitet. Das fand ich tatsächlich überraschend, weil man immer das Gefühl hat, dass sich die großen Popacts eh alles schreiben lassen, aber das ist nicht immer so und ich fand das sehr geil.

Wien ausverkauft
Am Sonntag, 13. Oktober, spielen Beyond The Black nach ihrem gefeierten Auftritt beim Nova Rock in der Wiener Szene. Der Gig ist leider restlos ausverkauft, aber mit dem prognostizierten, kommenden Album, werden wohl hoffentlich wieder neue Termine ins Haus stehen.

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