Truppen an Grenze

Türkei vor Angriff auf Kurdenmilizen in Syrien?

Ausland
06.10.2019 18:44

Nach der Ankündigung einer baldigen militärischen Offensive gegen kurdische Milizen in Nordsyrien hat die Türkei an der Grenze zum Nachbarland Waffen und Truppen bewegt. Die Nachrichtenagentur DHA berichte am Sonntag, dass Soldaten im südosttürkischen Grenzort Akcakale Panzer und Artilleriegeschütze aufstellten. Die Waffen seien auf den gegenüberliegenden syrischen Ort Tel Abyad gerichtet worden.

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete in der Nacht auf Sonntag von neun Transportern mit Militärfahrzeugen sowie einem Bus mit Soldaten, die Akcakale erreicht hätten. Sie seien aus der Provinzhauptstadt Sanliurfa gekommen. Dort hatte die Türkei im März ein Kommandozentrum für die lange geplante Offensive eingeweiht.

Erdogan: „Türkei steht kurz vor einem Militärseinsatz in Syrien“
Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag gesagt, die Türkei stehe kurz vor einem Militäreinsatz in Syrien, der „sowohl aus der Luft als auch mit Bodentruppen“ ausgefochten werde. Der Einsatz könne „heute oder morgen“ beginnen. Bis zum Sonntagnachmittag blieb es allerdings ruhig. Ziel einer Offensive wären die kurdischen YPG-Milizen östlich des Flusses Euphrat, die an der türkisch-syrischen Grenze Gebiete kontrollieren. Die Türkei betrachtet die YPG als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terroristen.

Auch Kurden machen mobil
In den von Kurden dominierten Gebieten laufen nun nach Angaben von Beobachtern und Aktivisten die Vorbereitungen auf den möglichen Einmarsch. Unter anderem machten die von den Kurden dominierten Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) östlich des Euphrat mobil, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag. Aktivisten und Augenzeugen berichteten, dass Stellungen befestigt und Gräben ausgehoben würden.

Der Sprecher der SDF, Mustapha Bali, hatte am Samstag auf Twitter geschrieben, man werde „nicht zögern, jeden Angriff von türkischer Seite in einen umfassenden Krieg entlang der ganzen Grenze zu verwandeln, um uns und unser Volk zu verteidigen“. Die Türkei war schon zweimal auf syrisches Gebiet vorgerückt, 2016 und 2018, beide Male westlich des Euphrat. Erdogan hatte die Offensive östlich des Euphrat zum ersten Mal im Dezember 2018 angekündigt und die Drohung seitdem mehrfach wiederholt. Bis in den Sommer hinein gab es Berichte über Truppen- und Waffentransporte Richtung Grenze.

Die türkische Regierung fordert seit Langem eine Zone in Nordsyrien unter ihrer alleinigen Kontrolle. Erdogan hat diese auch als Siedlungsgebiet für syrische Flüchtlinge aus der Türkei und Europa ins Spiel gebracht. In der Türkei kippt angesichts der schlechten Wirtschaft die Gastfreundschaft gegenüber den Millionen Flüchtlingen.

YPG wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen den IS
Die Eskalation der Drohung, in Nordsyrien einzumarschieren, dürfte den Forderungen der Türkei immerhin Nachdruck verleihen. Ähnliches hatte bereits zuvor Früchte getragen: Nachdem Erdogan Ende Juli und Anfang August ebenfalls mehrfach mit der baldigen Offensive gedroht hatte, sagten die USA zu, bei der Einrichtung der „Sicherheitszone“ zu helfen - auch um den Angriff auf die YPG zu verhindern. Diese ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Terrormiliz IS.

Einzelheiten zur Form oder Kontrolle des Gebiets blieben aber zunächst karg und widersprüchlich. Türkischen Vorstellungen nach soll es rund 30 Kilometer tief sein und sich ab dem Euphrat gegen Osten die gesamte türkisch-syrische Grenze entlangziehen. Kurdischen Angaben zufolge sah die Einigung den Rückzug von Milizen aus einem fünf bis 14 Kilometer tiefen Gebiet vor. „Man habe sich an die Absprachen (zum Sicherheitsmechanismus) gehalten“, hieß es von kurdischer Seite am Samstag. Eine von Erdogan gesetzte Frist für die Fertigstellung der Zone verstrich zu dessen Unmut Ende September.

USA in Sorge
Die Türkei würde mit einer Offensive viel riskieren - unter anderem eine Verschlechterung der ohnehin schon gespannten Beziehungen mit den USA, die in Nordsyrien weiter Truppen haben. Im Jänner hatte US-Präsident Donald Trump der Türkei sogar mit wirtschaftlicher Zerstörung gedroht, sollte sie die YPG angreifen. Später entschärfte er das. Die USA sorgen sich unter anderem darum, dass die YPG wegen Gefechten mit türkischen Truppen ihre Anti-Terror-Aufgaben vernachlässigen müssten, beispielsweise die Sicherung von inhaftierten IS-Kämpfern.

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