Notstandsgesetz

Hongkongs Regierung setzt Vermummungsverbot durch

Ausland
04.10.2019 10:05

Unter Berufung auf ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit hat die Hongkonger Regierung ein Vermummungsverbot bei den anhaltenden Protesten erlassen. Wie Regierungschefin Carrie Lam am Freitag vor der Presse mitteilte, sei die Entscheidung in einer Kabinettssitzung gefallen. Das Verbot von Masken oder anderer Vermummung gilt von Samstag an bei öffentlichen Versammlungen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Es wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis geahndet.

Das Vorgehen ist höchst umstritten, weil sich die Regierung Hongkongs angesichts der Demonstrationen erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert auf das Notstandsgesetz beruft. „Die öffentliche Ordnung ist in einem gefährlichen Zustand“, sagte Lam. Die Gewalt habe zugenommen. Die Täter hätten fast immer ihre Gesichter bedeckt. „Wir können nicht erlauben, dass die Situation immer schlimmer wird.“

Lam: „Hoffe, dass Frieden zurückkehrt“
Obwohl die Regierungschefin das Notstandsgesetz bemühte, betonte sie: „Das bedeutet nicht, dass Hongkong im Notstand ist.“ Auch werde nicht formell der Notstand ausgerufen. Sie hoffe, dass Hongkong mit dem Vermummungsverbot wieder zu Frieden zurückkehre. Dem Parlament werde die Vorschrift auf der nächsten Sitzung am 16. Oktober vorgelegt werden, um sie zu einem Gesetz zu machen.

Die Polizei kann künftig auch jede Person in der Öffentlichkeit bei hinreichendem Verdacht auffordern, zur Identifizierung einen Gesichtsschutz abzulegen. Wer dem nicht folgt, muss mit Strafen bis zu sechs Monaten Haft rechnen. Lam trat mit ihrem ganzen Kabinett vor die Presse, um Geschlossenheit zu demonstrieren. Hinter den Regierungsmitgliedern stand auf einem großen Wandbildschirm die Parole „Schätzt Hongkong - beendet die Gewalt“.

Kein Schutz vor Tränengas
Demonstranten in Hongkong tragen Masken, um sich vor Tränengas zu schützen. Außerdem wollen sie verhindern, dass die Polizei sie identifiziert - beispielsweise mit einer in China weit verbreiteten Software für Gesichtserkennung. Pro-Peking-Abgeordnete in Hongkong haben schon länger ein Verbot von Gesichtsmasken gefordert.

Auch Journalisten betroffen
Wie das Vermummungsverbot in der Praxis durchgesetzt wird, muss sich zeigen. Betroffen sind auch Journalisten, die über Demonstrationen berichten und sich ähnlich mit Gesichtsmasken gegen Tränengas schützen. Aus Furcht vor Krankheitserregern gehen auch viele Menschen in der dicht besiedelten Stadt grundsätzlich nur mit einem Mundschutz vor die Tür. Lam erklärte, es werde Ausnahmen für einige Personen geben, die auf Masken angewiesen seien. Davon abgesehen soll dem Ministerium für Innere Sicherheit zufolge das Tragen von Masken in Menschenansammlungen von mindestens fünf Personen verboten sein. Mit der Entscheidung auf Grundlage des Notstandsgesetzes umgeht die Regierung sonst notwendige Beratungen im Parlament, das auch erst Mitte des Monats wieder zusammentritt.

Schon die in den Medien verbreiteten Pläne für das Vermummungsverbot sorgten in Hongkong für neuen Zündstoff. Hunderte Büroangestellte mit Gesichtsmasken versammelten sich am Freitag in der Finanzmetropole, um ihren Unmut über das Vorhaben auf die Straße zu tragen.

Demonstrant angeschossen
Die seit fünf Monaten anhaltenden Demonstrationen waren zum Jahrestag eskaliert. Erstmals wurde ein Demonstrant angeschossen - ein 18-jähriger Student. Rund 100 Menschen wurden verletzt. 269 Menschen wurden festgenommen - so viel wie nie zuvor an einem Tag. Seit Ausbruch der Proteste sind rund 2000 Menschen festgenommen worden.

Die Proteste richten sich gegen die Regierung und den wachsenden Einfluss der Pekinger Führung in Hongkong. Die Demonstranten fordern eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt, einen Straferlass für die Festgenommenen, eine Rücknahme der Einstufung ihrer Proteste als „Aufruhr“ sowie freie Wahlen.

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