Prozess gegen Lehrer

Gutachter: “Selten einen Mord wie diesen gesehen”

Österreich
20.05.2010 16:12
Der neu aufgerollte Prozess gegen einen Grazer Lehrer, der laut Anklage einen Pensionisten grausam ermordet haben soll, ist am Donnerstag in die nächste Runde gegangen. In einem ersten Verfahren war ein Türke verurteilt worden, der aber später den Lehrer beschuldigte. Der Gerichtsmediziner sprach am dritten Prozesstag von einem außergewöhnlichen Fall und gezielten Messerstichen. Außerdem versuchen Zeugen Jehovas offenbar, sich in den Prozess einzumischen. Ein Urteil wird für Freitag erwartet.

Der Verhandlungstag begann damit, dass sich einer der Geschworenen zu Wort meldete und schilderte, dass die Zuschauer aus den Reihen der Zeugen Jehovas (Glaubensbrüder des Angeklagten) mehrmals Kontakt zu den Laienrichtern gesucht hätten: "Wir werden angesprochen, wer wir sind, woher wir kommen. Ich finde, das ist unsere Privatsache." Die Richterin ermahnte die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft.

Selbst erfahrener Mediziner schockiert
Dann folgten die Ausführungen des Gerichtsmediziners Eduard Lainzinger, der erklärte, er habe "in 37 Jahren kaum einen Fall wie diesen gesehen". Die Vielzahl von Messerstichen (mehr als 80), die Verwüstung der Wohnung durch Wasser und Öl, der abgetrennte Daumen, all das würde "aus dem Normalbereich herausragen". Das Opfer war sogar mit einer Türklinke geschändet worden. Das Blut auf der Kleidung des damals verurteilten Türken hatte mit dem des Opfers übereingestimmt. Als der Gutachter allerdings die Meinung äußerte, dass viel zu wenig Blut für die Vielzahl der Stiche auf der Kleidung sei, griff Gerald Ruhri, der Verteidiger des angeklagten Pädagogen, ein.

Sachverständiger: "Relativ wenig Blutspritzer"
Ruhri forderte Lainzinger auf, nur über die gerichtsmedizinische Seite der Tat zu sprechen und weitere Mutmaßungen für sich zu behalten. "Man macht sich halt auch so seine Gedanken über die menschliche Seite", ließ sich der Sachverständige nicht beirren - und betonte nochmals: "Es waren relativ wenig Blutspritzer für so eine komplexe Tat." Weiters führte der Gutachter aus, die meisten Stiche wären nicht tödlich gewesen, nur einige wenige, so zum Beispiel ein gezielter Stich in den Nacken. "So etwas macht man nicht zufällig."

Der damals verurteilte Türke, der später Selbstmord beging, hatte angegeben, sich lediglich gegen das Opfer verteidigt zu haben. Den eigentlichen Mord hätte der Lehrer begangen, beteuerte er.

Kriminalpsychologe: "Wut, Hass, Overkill"
Auch Kriminalpsychologe Thomas Müller war am Donnerstag geladen: Er sprach von einem Overkill, einem Versetzen von Stich- und Schnittwunden weit über das nötige Maß hinaus. Auch das Verwenden von gleich drei Messern, die noch in der Leiche steckten, spreche für eine "Wut-Hass-Situation". Auch Müller attestierte dem Täter ein "recht außergewöhnliches Verhalten". Gegenstände im Mund eines Toten können mitunter auf Verrat hindeuten, so der Experte. Ob es mit dem abgeschnittenen Daumen, der im Mund des Opfers gefunden worden war, diese Bewandtnis hat, konnte der Kriminalpsychologe nicht sagen.

Die Spurenvernichtung am Tatort deute aber ebenso wie die Depersonifizierung (der Leichnam wurde zugedeckt) darauf hin, dass der Täter "mit einer hohen Form von Gefährlichkeit" ausgestattet sei.

"Unser Plan ist gescheitert"
Thema am dritten Verhandlungstag waren auch die Telefongespräche, die der Beschuldigte mit dem früher verurteilten Türken geführt hatte und die im Zuge einer Telefonüberwachung aufgezeichnet worden waren (siehe Prozesstag eins - Story in der Infobox). Dabei war zu hören, wie der Inhaftierte mehrmals "unser Plan ist gescheitert" zum Lehrer sagte.

Ob und wie die Geschworenen die Indizien gegen den Pädagogen werten, wird sich am Freitag zeigen. Die Verhandlung wird ab 9 Uhr fortgesetzt, ein Urteil soll es noch am selben Tag geben.

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