Tod auf Mallorca

Vater: „Ich will endlich die Wahrheit erfahren“

Niederösterreich
29.09.2019 06:00

Im August kam am „Ballermann“ auf der spanischen Insel Mallorca ein junger Polizeischüler aus Niederösterreich ums Leben. Unter mysteriösen Umständen. In der „Krone“ spricht nun sein Vater: „Ich will endlich die Wahrheit über den Tod meines Kindes erfahren.“

Martin Höher ist ein großgewachsener Mann mit bulliger Statur und kräftigen Händen. Von Jugend an hat er immer fleißig gearbeitet, in seinem Heimatort Gastern einen Tischlereibetrieb aufgebaut und Probleme, egal, ob beruflich oder privat, schnell gelöst. „Aber jetzt“, sagt der Niederösterreicher, „fühle ich mich zum ersten Mal in meinem Leben völlig machtlos.“

Der 53-Jährige sitzt auf der Küchenbank in seinem hübschen Haus, vor ihm, auf dem Tisch liegen ein paar Zettel. Medizinische Befunde. Über seinen Sohn Thomas. „Das ist alles“, erklärt Tochter Sandra (20), „was wir nach dem Tod meines Bruders von den mallorquinischen Behörden bekommen haben.“ Der 22-Jährige, er starb am 12. August in einem Spital in Palma an den schweren Verletzungen, die er sich vier Tage zuvor am „Ballermann“ zugezogen hatte. Unter bis dato nicht geklärten Umständen.

Und Martin Höher beginnt zu erzählen über die Tragödie, „die alles zerstört hat, seit der nichts mehr so ist wie früher“.

Was war das Früher? „Mein Gott, mein Bub führte ein ganz normales Dasein. Er ging gerne aus, hatte viele Freunde, war extrem sozial.“ Interessierte sich für Autos und Motorräder, „nach dem Schulabschluss machte er zunächst eine Handwerkerlehre. Doch 2018 wurde sein Traum wahr: Er schaffte die Aufnahmeprüfung an der Polizeischule.“

Erster Urlaub ohne Familie
„So wohl“ habe er sich dort gefühlt, „und so brav gelernt“. Und dann, heuer im August, „wollte er ein bisschen Ferien machen“. Zum ersten Mal ohne seine Familie, im Ausland. Eine Woche Mallorca mit einem Cousin und zwei Freunden, in einem Drei-Sterne-Hotel zu einem günstigen Preis, „das Angebot klang gut“.

Am 5. August ging es los, vom Flughafen Bratislava. Am 6. August WhatsApp-Nachrichten von Thomas; an den Vater, die Mutter, die Schwester: „Es ist wunderschön hier.“ Am 8. August: das Drama. „Mein Sohn besuchte mit einem seiner Kumpel den Megapark“, einen riesigen Vergnügungstempel auf der Partymeile der Insel. „Wir hatten dort Spaß, tranken Wodka-Lemon“, erzählt Thomas’ Freund. Um etwa 21.15 Uhr suchte der Polizeischüler die Toilette auf, „weil er nach zehn Minuten nicht zurück war, machte ich mir Sorgen und rief ihn am Handy an. Er meinte, er würde noch rasch Zigaretten besorgen.“

„Ich brauche Hilfe“
Um 21.45 Uhr lag der junge Niederösterreicher in einer Blutlache vor einem einen Kilometer entfernten Steak-Restaurant. Davor war er – laut mehrerer Zeugen – in verwirrtem Zustand in die Gastwirtschaft gelaufen, hatte geschrien: „Spricht hier jemand Deutsch? Ich brauche Hilfe!“ Der Wirt und ein bis dato nicht ausgeforschter Holländer hatten ihn daraufhin unverständlicherweise hinauskomplimentiert.

Die Rekonstruktion der Ermittler: Der 22-Jährige sei in der Folge über zwei Stufen gefallen und habe sich dabei den Hinterkopf und das Nasenbein zertrümmert. „Wie“, fragt Martin Höher, „soll er sich die beiden Wunden gleichzeitig zugezogen haben?“ Auch die Ärzte der Klinik, in die der Polizeischüler später eingeliefert wurde, fanden dafür keine Erklärung – zumal Schürfwunden im Gesicht fehlten: „Sie meinten, dass mein Sohn geschlagen worden sein musste.“ Aber von wem? „Die Kripo gab mir dazu keine Auskunft.“

„Tagelang wachten wir am Krankenbett“
Bereits Stunden nach Thomas’ angeblichem Unfall flogen sein Vater, die Mutter und die Schwester nach Mallorca: „Tagelang wachten wir dann an seinem Krankenbett.“ Der junge Mann war im Tiefschlaf, „aber wir hörten nicht auf zu hoffen. Bis uns die Ärzte am 11. August mitteilten, dass er hirntot sei. Wir wurden um unser Einverständnis gebeten, ihm Organe entnehmen zu dürfen. Es wäre in Thomas’ Sinn gewesen, anderen Menschen mit seinem Tod das Leben zu retten. Darum stimmten wir dem Eingriff zu.“

Am 23. August wurde der Polizeischüler auf dem Friedhof von Gastern begraben. Ein Abschlussbericht zu seinem „Fall“ liegt bis heute nicht vor. „Ich will endlich wissen“, schluchzt Martin Höher, „warum mein Bub sterben musste.“ Wird er jemals eine Antwort bekommen?

Der Parallelfall Kletzl
Seit Kurzem gibt es auf Facebook eine neue Seite. Sie heißt: „Andreas Kletzl - Tod auf Mallorca“. Die Mutter des vor sieben Jahren auf der Insel verstorbenen Burschen veröffentlicht dort - und auf einer Homepage (www.andreaskletzl.com) - nun ihr Schicksalstagebuch.

Der junge Oberösterreicher war am 17. August 2012 mit zerschlagenem Schädel aufgefunden worden - im Innenhof eines Hotels, in dem er nicht gewohnt hatte. Das schnelle Urteil der Polizei damals: Der 17-Jährige sei im Vollrausch abgestürzt. Von einer Außentreppe.

Auch Hannelore und Heinrich Kletzl konnten diese Version nie glauben, sie ließen die Leiche ihres Buben in Österreich nochmals obduzieren, beauftragten mehrere Fallgutachter. Fazit: Der Lehrling ist bloß minimal alkoholisiert gewesen, an seinem Körper wurden verdächtige Abwehrverletzungen und Schleifspuren festgestellt. Eine kleine Ewigkeit hindurch kämpfte das Ehepaar um eine Aufrollung der Causa. Letztlich mit Erfolg: Seit 2018 ermittelt die Mordkommission.

Was passiert auf Mallorca?
Immer wieder kommen in Mallorcas Partygegenden Urlauber ums Leben, oder sie werden schwer verletzt. Bei Prügeleien, oder weil sie von Hotelbalkonen stürzen. In den vergangenen Jahren waren es durchschnittlich 75 Opfer - pro Saison. Politiker erklären die hohe Zahl mit „Saufgelagen“. Aber überall auf der Welt gibt es Orte, an denen gefeiert wird. Warum gerade auf der Balearen-Insel mit solch tragischen Folgen? Es bleibt ein Rätsel.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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