Rheuma

„Große Fortschritte, aber Heilung ist Rarität“

Tirol
29.09.2019 16:00
Bei den Tiroler Gesundheitsgesprächen am Donnerstag im ORF Tirol geht es um Rheuma. Die „Krone“ sprach mit Referent Wolfgang Halder über neue Therapien, große Irrtümer und den Einfluss des Wetters.

Herr Doktor Halder, im Zusammenhang mit Rheuma wird immer der Begriff Volkskrankheit genannt. Zu Recht?
Ja, immerhin sind rund 400 Krankheitsbilder unter dem Begriff Rheuma zusammengefasst. Entzündlich-rheumatische Erkrankungen haben rund zwei bis drei Prozent der Tiroler. Die größte Gruppe machen Arthrose-Patienten aus. Arthrose ist Folge von Verschleißerscheinungen an Gelenken. Ab 60 ist fast jeder betroffen. Aber nicht jeder muss dadurch große Beschwerden haben. Nicht zu vergessen Weichteilrheuma an Sehnen oder Muskeln und Gicht als Folge einer Stoffwechselstörung. Damit sind aber noch nicht alle Ausformungen erwähnt.

Immer noch hält sich das Vorurteil hartnäckig, dass Rheuma ausschließlich eine Erkrankung des Alters ist.
Das hören wir auf der Rheumaambulanz im Krankenhaus Hochzirl oft: Ich bin doch zu jung für Rheuma. Entzündliches Rheuma kann schon Kinder treffen, wenn auch selten. Die Erkrankung tritt auch im Alter zwischen 20 und 40 häufiger auf als in anderen Lebensphasen, dann wieder ab 60.

Damit wären wir bei der Fragen, was zu tun ist, wenn Symptome auftreten?
Es gilt, was für die allermeisten Erkrankungen gilt. Je früher Rheuma erkannt wird, desto größer sind die Erfolge bei der Therapie. Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt. Die Allgemeinmediziner sind sehr gut geschult und können zumeist rasch abklären, ob ein Patient zu einem Facharzt gehört. Derer gibt es leider zu wenige, was den Druck auf die Rheumaambulanzen erhöht. Wir können aber in den meisten Fällen rasch abklären, was ein Patient braucht. In rund 10 Prozent der Fälle ist die Diagnose etwas schwieriger.

Kann man Rheuma mittlerweile heilen?
Heilung ist eine Rarität. Wir sprechen hier wirklich von großen Ausnahmefällen, etwa bei Kindern. Was wir heute aber mit Berechtigung als Therapieziel formulieren können, das ist Beschwerdefreiheit. Auch das erreichen wir nicht immer – aber immer öfter. Unsere aktuelle Formel für entzündlich-rheumatische Erkrankungen lautet: Ein Drittel der Patienten wird beschwerdefrei, bei einem Drittel haben wir die Beschwerden gut im Griff, bei einem Drittel noch nicht zufriedenstellend.

Vor 25 Jahren waren wir froh, wenn es einem Drittel besser gegangen ist. Dieser Vergleich zeigt, wie viel sich in der Medizin tut. Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist es durchaus denkbar, dass in 20 bis 30 Jahren Rheuma heilbar sein wird oder wir zumindest jedem Patienten Beschwerdefreiheit garantieren können.

Woran liegt es, dass der Durchbruch noch nicht geschafft ist?
Es liegt unter anderem daran, dass wir den Ursprung von entzündlichem Rheuma noch nicht entschlüsseln konnten. Es sind einfach noch viele Fragen unbeantwortet. Auch im Fall der Wirksamkeit von Medikamenten. Heute müssen wir manchmal ausprobieren, bis wir das Richtige finden. Unser Ziel ist es, sofort zu wissen, was bei welchem Patienten am besten wirkt.

Was können Therapien heute schon leisten?
Früher wurde ausschließlich die Entzündung bekämpft, mit Cortison oder anderen entzündungshemmenden Medikamenten. Heute können wir schon früher eingreifen, eine Entzündung am Entstehen hindern. Dafür gibt es eigene Medikamente aus dem Bereich der Biologika. Sie greifen auf Zellebene ein und können den Entzündungsprozess einbremsen.

Greifen nur Medikamente, oder auch andere Therapieformen?
Ergänzend spielen Physiotherapie oder Ergotherapie auch eine wichtige Rolle.

Und wie schaut es mit der Ernährung aus?
Das ist ein heikles Thema. Bei Gicht spielt diese natürlich einen Rolle bei Vorbeugung und Therapie. Es gibt aber keine Rheuma-Diät, die nachweislich bei der Gruppe entzündlich-rheumatischer Erkrankungen wirksam ist. Patienten erzählen oft von Schmerzlinderung, wenn sie die Ernährung umstellen. Wenn es eine gesunde Ernährung ist, ist dagegen auch nichts zu sagen. Wissenschaftlich belegt ist der Einfluss des Essens auf die Erkrankung jedoch nicht. Was wir aber wissen: Rauchen erhält die Entzündung und ist daher für Patienten schlecht.

Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist Aufklärung. Gut informierte Patienten haben bessere Prognosen. Deshalb haben wir Fachärzte im Jahr 2015 auch die Rheumaschule Tirol gegründet (siehe Info-Kasten rechts). Seither gab es mehr als 1000 Kontakte mit Betroffenen.

Viele Betroffene schreiben dem Wetter großen Einfluss auf die Schmerzen zu. Wie groß ist er wirklich?
Es ist schon so, dass gerade jetzt im Herbst die Krankheitssymptome stärker wahrgenommen werden. Menschen mit Arthrose hilft Wärme. Da liegt es auf der Hand, dass der Kälteeinbruch im Herbst nicht gut vertragen wird. Aber auch bei den entzündlichen Erkrankungen – bei denen Kälte hilft – ist die jetzige Jahreszeit nicht ideal, weil es tendenziell zu feucht ist. Da wird der Winter dann oft als angenehmer empfunden.

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