Letzte Elefantenrunde

„Bewerbungsgespräche“ & „Zöpferldiktatur“-Debatte

Österreich
26.09.2019 22:25

Es war das letzte Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten von ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS, Liste JETZT und den Grünen vor der Wahl - und obwohl es im großen ORF-„Dancing Stars“-Studio stattfand, ist nicht getanzt worden. Vielmehr wurden die Grenzen abgesteckt und versucht, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren sowie die noch Unentschlossenen doch zu überzeugen. Es war eine relativ ruhige Diskussionsrunde mit ein paar kurzen emotionalen Ausnahmen, als es zum Beispiel um die „Käuflichkeit“ der Parteien oder die „Zöpferldiktatur“ von Greta Thunberg ging.

Zu Beginn der Elefantenrunde mussten die Spitzenkandidaten zum „Bewerbungsgespräch“. Die erste Frage an Kurz und Co. war, was ihr vorheriger Arbeitgeber sagen würde? Hier hatte ÖVP-Chef Sebastian Kurz wohl den schwierigsten Stand. „Nichts bis wenig Gutes würde der Reinhold Mitterlehner über mich sagen. Er hat ja auch ein Buch darüber geschrieben“, erklärte der türkise Frontmann. Positive Eigenschaften könnte man wohl von Josef Pröll oder Michael Spindelegger zu hören bekommen.

Hofer: „Jeder, der falsch abrechnet, muss mit Konsequenzen rechnen“
FPÖ-Chef Norbert Hofer hätte die letzte Elefantenrunde wohl gern ohne die seit Tagen die Innenpolitik dominierende blaue Spesenaffäre angetreten. Die eine oder andere Partei wittert nun die Chance, den Blauen die eine oder andere Stimme doch noch abspenstig zu machen. Diese delikate Angelegenheit kam natürlich ebenfalls relativ früh zur Sprache.

Hofer erklärte auf die Frage, ob ein Ausschluss seines Amtsvorgängers erfolgen werde: „Jeder, der bei uns falsch abrechnet, hat die Konsequenzen zu tragen.“ Also Ausschluss, so die Frage von Moderator Armin Wolf. Eine konkrete Antwort gab es darauf nicht. Hofer versprach, dass er alles vorlegen und ein Ermittlungsergebnis bereits kommende Woche präsentieren werde.

Migration: Bildung, Geschlechtergleichheit und Wertekurse
In der Migrationsfrage waren sich sämtliche Spitzenkandidaten einig darin, dass Integration auf beiden Seiten beruhe. Die Gleichheit von Mann und Frau sei zu achten. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger meinte, die Integration solle über die Bildung erreicht werden. Um Brennpunktschulen den Kampf anzusagen, sollen nach Vorstellung der Pinken Rankings erstellt werden, in denen die besten und die schlechtesten Schulen transparent aufgelistet sind. „Wir wollen Brennpunktschulen zu den besten Schulen machen.“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner betonte, sie würde als Ärztin nicht akzeptieren, dass ein männlicher Patient sie ablehnt, nur weil sie eine Frau ist. Hofer merkte zu diesem Beispiel an: „Das ist nicht das Problem in Spitälern. Das Problem ist, dass Patienten Ärzte mit Messern angreifen.“ JETZT-Spitzenkandidat Peter Pilz blickte in die Vergangenheit und meinte: „Das Patriarchat gab es früher schon. Durch islamistische Zuwanderung kommt es wieder.“

Pensionen: Kurz als „Sozialdemokrat“
Bei den Pensionen, wo alle Parteien bis auf die NEOS, die den Menschen „reinen Wein einschenken“ möchten, gegen eine automatische Anpassung des Antrittsalters sind, sieht sich Kurz bereits ebenfalls als „Sozialdemokrat“. Denn hier habe bei ihm ein Meinungswandel stattgefunden. „Man kann auch einmal klüger werden“, so Kurz, dem das faktische Pensionsantrittsalter zu niedrig ist. Dieses wolle er von 60 auf 65 bringen, „bevor man darüber philosophiert, dass man auf 67 erhöht“, meinte der Chef-Türkise.

Rendi-Wagner wäre für eine automatische Pensionserhöhung. Dennoch sei das Ziel ihrer Partei, dass die Menschen länger gesund arbeiten können. Hofer brachte auch das Thema Asylwerber in die Pensionsdebatte, die in vielen Fällen mehr Mindestsicherung bekämen als Menschen, „die ihr Leben lang in die Pensionsversicherung eingezahlt haben“. Grundsätzlich ist Hofer für eine Pensionserhöhung, weil auch die Produktivität steige. Sowohl Pilz als auch Grünen-Chef Werner Kogler sind für eine bedingungslose Absicherung für Pensionisten, wenn auch in unterschiedlicher Höhe: Pilz in der Höhe von 1200 Euro monatlich, Kogler reichen 900 Euro.

Pilz bezeichnet FPÖ als „Fossilpartei“
Viele Themen wurden vom Moderatorenduo Wolf und Claudia Reiterer zwischen einzelnen Kandidaten im Duell abgearbeitet. So bekamen Pilz und Hofer die Frage nach einer CO2-Steuer gestellt. Während sich der FPÖ-Chef gegen weitere Steuern wehrte, „die gar nichts ändern“, attackierte der Listengründer sein Gegenüber und warf ihm vor, „es immer noch nicht verstanden zu haben“. In diesem Zusammenhang sprach Pilz von der FPÖ als „Fossilpartei“, die es aus künftigen Regierungen fernzuhalten gelte. Hofer ging nicht auf die emotionale Ebene, sondern betonte, dass man vielmehr auf die Förderung „richtiger Dinge“ setzen sollte.

Für Aufregung sorgte Hofer bei der Debatte über einen Klimanotstand in Österreich, zu dem sich am Mittwoch der Nationalrat - ohne Zustimmung der FPÖ - bekannt hatte. Dazu fragte der Freiheitliche sarkastisch in Anlehnung an die Klimaschutzaktivistin Thunberg: „Was kommt jetzt noch? Haben wir dann eine Zöpferldiktatur?“ Kogler verlangte von Hofer, dass er diese Aussage zurücknimmt. Äußerst irritiert zeigte sich Meinl-Reisinger über die Aussage Pilz‘, wonach seine Liste die einzige Partei sei, die „nicht käuflich ist“. Doch der verbale Infight wurde von den Moderatoren aufgrund des sehr engen Zeitkorsetts rasch unterbunden.

Kurz ist gegen Erbschaftssteuer
Rendi-Wagner und Kurz bekamen die Erbschaftssteuer vorgesetzt. Die rote Spitzenkandidatin sprach in diesem Zusammenhang von 19 anderen EU-Staaten, wo es eine solche Steuer bereits gibt, und schlug vor, Erbschaften über eine Million Euro zu besteuern und dafür die Grunderwerbssteuer zu streichen. Kurz wehrte sich gegen „neue Steuern“. Einerseits würden die Superreichen ihr Vermögen „sofort ins Ausland bringen“, zudem würde durch neue Steuern „den arbeitenden Menschen“ weniger im Börserl bleiben. Kurz warnte auch vor der „Kreativität“ vieler Parteien, wie man neue Einnahmen wieder ausgeben könnte.

Wer hat schon einmal die Unwahrheit gesagt?
Die Kandidaten bekamen auch die Möglichkeit, sich für 30 Sekunden direkt an eine vorgegebene Wählergruppe zu wenden, die nicht zur eigenen Zielgruppe zählt. Kurz musste einem Wiener Mindestsicherungsbezieher erklären, warum dieser die ÖVP wählen soll. Rendi-Wagner bekam die Aufgabe, einen Tiroler Landwirt anzusprechen, Hofer musste sich an eine Kopftuchträgerin wenden, Meinl-Reisinger an eine Pensionistin. Kogler musste einen Lkw-Fahrer überzeugen, Pilz eine Feministin. Zwischendurch folgten auch Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden konnten - und zwar mit Taferln mit grünem Hakerl und rotem X. Auf die Frage, ob sie schon einmal die Unwahrheit gesagt haben, zögerten einige Kandidaten. Am Ende aber gaben alle zu, womöglich bei der einen oder anderen Statistik oder Zukunftsprognose nicht ganz korrekt gewesen zu sein.

Parteienfinanzierung und Klimapolitik wichtigste Themen im Wahlkampf
Obwohl die Wahlprogramme aller Parteien ein breites Spektrum an Themen abdecken, haben in allen Fernsehdebatten vorwiegend die Parteienfinanzierung und Klima- bzw. Umweltpolitik dominiert. Dahinter folgen auf den Plätzen drei und vier die Koalitionsfrage und Migration und Asyl, die vor allem im Wahlkampffinale stark an Bedeutung gewannen. Das ergab eine Analyse der TV-Duelle und Elefantenrunden auf ORF, ATV, Puls 4 und Servus TV durch APA DeFacto.

Am häufigsten zur Klimapolitik äußerte sich Grünen-Spitzenkandidat Kogler, ÖVP-Chef Kurz dominierte das Migrationsthema und nahm bei diesem beinahe 30 Prozent der verbuchten Minuten ein. Kurz hatte mit 162 Minuten auch insgesamt die meiste Redezeit, gefolgt von Meinl-Reisinger (150 Minuten), Rendi-Wagner (142), Kogler (141), Hofer (117) und Pilz (62).

Kronen Zeitung/krone.at

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