Festival eröffnet:

Der steirische herbst blickt in den Abgrund

Steiermark
19.09.2019 18:00

Der steirische herbst ist eröffnet: Wie schon bei ihrer Premiere im Vorjahr eröffnet Ekaterina Degot auch ihren zweiten herbst mit einer Rede im öffentlichen Raum. Im Landhaushof zeichnete sie ein Bild von Europa als noblem Grand Hotel, das verdammt nah am Abgrund steht. Neben Performances, Literatur, Vorträgen und dem musikprotokoll bilden die Ausstellungen wieder einen Schwerpunkt. Die vom Vermittlungsteam angebotenen Rundgänge sind dabei jedoch angeraten.

„Was Europa so anziehend für andere macht, ist die Tatsache, dass es sich hier gut leben lässt“, sagt Ekaterina Degot in ihrer Eröffnungsrede. Gutes Essen, gute Kleidung - und ein „Villen-Ableger auf Ibiza“. Kein Wunder , dass so viele in das Grand Hotel einziehen und den Luxus genießen wollen.

Doch der Hedonismus dieses „europäischen Lebensstils“ - zu den Konsumvergnügungen zählt Degot auch die Kunst - sei darauf aufgebaut, dass es am Ende des Abgrunds eine andere Seite gibt: Denn um ein „oben“ möglich zu machen, muss es auch ein „unten“ geben.

Und so mahnt die Intendantin am Ende ihrer Rede mit einem düsteren, wohl aber nicht ganz unrichtigen Bild: „Das Grand Hotel, für das Europa sich gerne hält, steht nicht am Abgrund. Es ist der Abgrund.“

Ein Rundgang durch die Ausstellungen
Ausstellungen zeitgenössischer Künstler erschließen sich nicht immer auf den ersten Blick, da gibt es auch im herbst-Angebot nicht viele Ausnahmen. Vielleicht am ehesten noch Michael Portnoys Videoinstallation in der List-Halle, in der er gemeinsam mit seinen Performern Anleitungen für ein besseres Sex-Leben gibt.

Komplexer sind da schon die Beiträge im Palais Attems, das mit seiner verfallenen barocken Pracht einem Grand Hotel des Abgrunds einen würdigen Rahmen verleiht. Oscar Murillo treibt das Ambiente in seiner Rauminstallation auf die Spitze. Dazu passt auch die etwa 200 Jahre alte Wachsfrüchte-Sammlung aus dem Stift Admont. Den Gegensatz bemühen hingegen Giorgi Gago Gagoshidze mit seinem Film „Die unsichtbare Hand meines Vaters“, Gernot Wielands entlarvende Diagramme und Artur Żmijewskis fotografische Reenactments zu Anthropometrie, die vor einer Wiederkehr eines offenen Rassismus warnen. Schon im Stiegenaufgang wird man von einer akustischen Installation der Grupa Ee begrüßt.

Wahl zwischen Pest und Cholera
Mit den Optionen der Südtiroler, die sich 1939 zwischen Pest (Hitler-Deutschland) und Cholera (Mussolini-Italien) entscheiden durften, setzt sich Riccardo Giacconi in seiner vielschichtigen Installation im Grazer Kunstverein auseinander. Jeremy Deller erkundet im Künstlerhaus anhand des Brexit-Chaos die Erfolge des Rechtspopulismus’ nicht nur in seiner Heimat Großbritannien; während Jasmina Cibic ebendort in ihrer Videoarbeit Kunst als politisches Geschenk hinterfragt.

Dazu warten im Keller hintergründige Grafiken des Poeten und Künstlers Ian Hamilton Finlay. Alles gemeinsam soll die These, dass das Künstlerhaus den Grazern von der britischen Besatzungsmacht geschenkt wurde, zur Diskussion stellen.

Das auch Wellness höchst politisch sein kann, beweisen dann noch die Künstler Daniel Mann und Eitan Efrat im Forum Stadtpark.

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