Album & Gespräch

Thees Uhlmann: Mit viel Wut wieder zurück

Musik
23.09.2019 07:00

Manchmal muss man neu beginnen: Thees Uhlmann hatte eine Platte bereits großteils fertig, als er alles wieder über den Haufen warf. „Es hat mir nicht gefallen“, so der deutsche Musiker und Autor. Mit neuem Elan und Fokus ist schließlich „Junkies und Scientologen“ entstanden. Das dritte Soloalbum ist typisch Uhlmann und zeigt seine „seltsame Sicht auf die Dinge der Welt“.

(Bild: kmm)

Gemeinsam mit seinen Kollegen Simon Frontzek und Rudi Maier hat der frühere Tomte-Frontmann die zwölf Songs „mit einem anderen künstlerischen Herz, einem anderen Anspruch, mit einer ehrlichen Variante aufgenommen“, wie er im APA-Interview erzählte. Einen kompletten Neustart wie diesmal habe er zuvor noch nie hingelegt. „Nee, das ist mir noch nie passiert“, schüttelte Uhlmann den Kopf. „Das hängt aber auch damit zusammen, dass bei mir in den letzten fünf Jahren eine Menge passiert ist. Gar nicht privat oder von der Karriere her.“

Politische Gräben
Stattdessen kommt Uhlmann auf das „Dreieck der Schande“ zu sprechen: „Brexit, Trump und die AfD in Deutschland“, raunte der Musiker. „Das hat mich so dermaßen umgehauen. Ich hatte einen wütenden Unterstrom in mir, dass ich nicht mit einer unschuldigen, emotionalen Platte daherkommen wollte.“ Gut könne er sich noch an das Brexit-Votum erinnern. „Ich schaute auf mein Handy und dachte nur: Das kann doch nicht sein. Seid ihr alle verrückt geworden?“ Oder nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und dessen Sager „Grab ‘em by the pussy“. „Meine Tochter fragte mich, warum so jemand gewählt wird. Da sagt der Typ, der Atomraketen hat: ‘Leute, ich bin Milliardär, ich bin Donald Trump, natürlich greife ich alle Leute an, wie ich will.‘ Das ist ein Zivilisationsbruch.“

Angesichte der „scheiß neokonservativen Revolution“ der vergangenen Monate und Jahre hat Uhlmann nun aber kein wütendes oder explizit politisches Album gemacht. „Das bringt bei mir nichts“, winkte er ab. „Wir müssen ja nicht sagen: Die AfD ist schlecht, denk doch nach, sei nett zu deinem Nachbarn“, so der 45-Jährige. „Bei mir bringt es was, wenn ich meine Solidarität zur Verfügung stelle und versuche, meine Kunst so schön zu machen wie es irgendwie geht. Nicht im Sinne von weich, sondern im Sinne von nachhaltig und schön.“

Hass-Schlaf
Auf „Junkies und Scientologen“ drückt sich das letztlich in mitreißenden Liedern wie „Avicii“ oder „Danke für die Angst“ aus, versprüht Uhlmann in „100.000 Songs“ Aufbruchstimmung oder wird es bei „Menschen ohne Angst wissen nicht, wie man singt“ melancholisch und nachdenklich. Letzteres funktioniert aber ohnehin immer, schüttelt der Musiker doch wieder ein paar textliche Perlen aus dem Ärmel, die gleichermaßen unterhalten wie sie zur Reflexion einladen. Dabei sei er nach dem Abbruch der Arbeiten am nun weggeworfenen Album „wirklich kaputt“ gewesen. „Ich bin nach Hause gegangen und habe sechs Stunden Hass-Mittagsschlaf gemacht. Wütend und erschöpft von zwei bis um acht Uhr, das weiß ich noch ganz genau.“

Den Schalter umgelegt hat er schließlich, als er später im Auto durch die Gegend kurvte und ihm die Idee zu „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach Hip-Hop-Videodrehs nach Hause fährt“ in den Sinn kam. „Rock‘n‘Roll hat die Pflicht, sich zu positionieren“, erklärte Uhlmann die Nummer, die ein vermeintliches Klischee von neuer Seite beleuchtet. „Das lag mir so dermaßen auf der Seele, dass 50 oder 60 Prozent einer Musikkultur beschließen, dass Frauen ausschließlich dafür zur Verfügung stehen zu haben, um leichtbekleidet von A nach B zu gehen und offensichtlich willfährige Damen darstellen, die zum Sex da sind. Und andererseits wird extrem viel Wert daraufgelegt, was für ein ehrenvolles, loyales und familiär verbundenes Leben geführt wird. Da ist die Text-Bild-Schere dermaßen im Arsch, da muss man mal drüber singen.“

Kein Platz für Machismen
Mit machohaftem Getue hat Uhlmann in jeder Form ein Problem. Deshalb seien seine Konzerte auch Orte, an denen noch „richtig schön gezweifelt werden darf“, so der Sänger. „Hier darf man als Mann über seine Ängste sprechen und Emotionen zulassen.“ Als letzter Satz für das Album sei „Die Zukunft ist ungeschrieben, die Zukunft ist so schön vakant“ entstanden. „Gerade diese Unsicherheit ist es ja, die die neokonservative Revolution nicht haben will. Wir aber sind Zweifler. Wir sind Leute, die in den Himmel schauen. Wir können Kinderzeichnungen nicht wegschmeißen. Wir sagen: Ich habe heute vier Stunden lang nur nachgedacht“, so Uhlmann. „Ich finde, das ist ein schöneres, reichhaltigeres, geileres Leben. Anders hat Gott das auch nicht geplant.“ Am 6. Dezember kommt Uhlmann mit dem Album und Band in den Wiener Gasometer. Karten erhalten Sie unter www.oeticket.com

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