Das Doppel-Interview

„Weniger Schmäh als Häupl haben ist keine Schande“

Wien
15.09.2019 06:00

Zwei Männer, zu denen die Wiener (immer noch) „Herr Bürgermeister“ sagen: der ehemalige Stadtchef Michael Häupl und sein Nachfolger Michael Ludwig. Im Bruno Kreisky Forum in Döbling gaben die beiden der „Krone“ ein Interview. Über Häupls 70er, die Wahl, Kurz’sche Drohungen und den Humor.

„Krone“: Herr Dr. Häupl, alles Gute zum 70. Geburtstag! Was tut in der Früh beim Aufstehen denn schon alles weh?
Michael Häupl: Gott sei Dank eher wenig. Ein bisschen das Kreuz, aber das war’s. Es geht mir gut.

Ich habe für jeden ein Zitat mitgebracht. Sie sagen mir, ob es zu Ihnen passt oder nicht. Herr Häupl, für Sie eine Aussage von Joan Collins: „Alter ist irrelevant, es sei denn, du bist eine Flasche Wein.“
Ja, dem kann ich eine Menge abgewinnen. Ich habe einmal einem journalistischen Spaßvogel gesagt, nachdem er mich gefragt hat, was eine Flasche Rotwein und mich verbindet: das Alter und der Abgang.

Herr Ludwig, ein Zitat von Anthony Quinn: „Auch mit sechzig kann man noch vierzig sein. Aber nur noch eine halbe Stunde am Tag“.Beide lachen.
Michael Ludwig: Ich bin noch nicht 60, aber ich glaube, es wird in zwei Jahren auch noch länger als eine halbe Stunde gehen.

Kommen wir zum Aktuellen. Ibiza, Identitäre, Parteispenden – Leidtragende ist bizarrerweise immer die SPÖ, die nicht aus ihrem Tief herauskommt, wenn man sich die Umfragen so ansieht. Wieso ist das so?
Häupl: Wenn ich 2015 an die Umfragen geglaubt hätte, dann wäre ich schon Ende 2015 nicht mehr Bürgermeister gewesen. Ja, es ist der FPÖ offensichtlich gelungen, diese Umdeutung herbeizuführen, indem man darüber diskutiert, wer das Ibiza-Video gemacht hat, statt darüber, was die Herren Strache und Gudenus dort gesagt haben. Was ich momentan weiß, höre und spüre, geht es der SPÖ jeden Tag besser in dieser Wahlauseinandersetzung.
Ludwig: Mittel- und langfristig wird es sich rentieren, dass die SPÖ auf Inhalte setzt und auf Ehrlichkeit in der Politik. Auch wenn uns das von anderen Parteien unterscheidet.

Parteichefin Pamela Rendi-Wagner kann sich eine Koalition mit der ÖVP vorstellen. Sie auch?
Ludwig: Wir haben immer eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen und sind bei anderen Parteien gesprächsbereit. Aber ich sage ganz deutlich: nicht um jeden Preis. Uns wird es mit Sicherheit nicht so billig geben wie die FPÖ.
Häupl: Wer nicht will, dass die FPÖ in der Bundesregierung sitzt, der muss ernsthafte Gespräche führen. Aber ich sage es gleich: Wenn es eine ÖVP-FPÖ-Mehrheit gibt, werden die beiden auch eine Regierung bilden.
Ludwig: Meine Aufgabe als Bürgermeister wird es sein, die Interessen der Bürger zu vertreten. Ich will Ihnen da ein Zitat von Sebastian Kurz nicht vorenthalten, das bei einer Runde von Zeitungen geäußert worden ist: „Schauen wir uns den Finanzausgleich an, wie der aufgestellt ist, und ich möchte das beim nächsten Mal ändern. Ganz Österreich finanziert die Wiener U-Bahn und anderes, und Wien schafft es trotzdem, mehr Schulden zu machen als alle anderen Bundesländer. Da gibt es einiges, das man strukturell aufbrechen muss.“ Dagegen werde ich mich aussprechen, nicht nur gegen die vielen Unwahrheiten, die in diesem Satz stecken, sondern auch gegen den Versuch, die anderen Bundesländer gegen Wien aufzuhetzen. Wenn man den Finanzausgleich nutzen will, um Wien zu schwächen, wird man mit mir einen echten Gegner haben.

Was wollen Sie dagegen tun?
Ludwig: Es gibt im Zuge des Föderalismus durchaus Möglichkeiten, auch das Bundesland Wien entsprechend zu positionieren. Mit solchen Aussagen punktet man womöglich in den anderen Bundesländern. Vielleicht auch deshalb, weil man so wie Kurz plötzlich entdeckt, dass man nicht aus Wien kommt, sondern aus dem Waldviertel. Aber sicher nicht in Wien.

Wo ist denn bei der SPÖ die Schmerzgrenze erreicht, wenn Pamela Rendi-Wagner am Wahlabend nicht genügend Stimmen bekommt?
Ludwig: Unsere Meinung war immer, dass wir Wahlen gemeinsam gewinnen oder gemeinsam verlieren. Da gibt es für uns kein Auseinanderdividieren.
Häupl: Um das wieder ein bisschen aufzulockern, ich sehe ja schon den tierischen Ernst in Ihren Augen. Das ist ungefähr so wie beim Fußball, wenn man da ein paar Spiele verliert. Dann ist es auch nicht gescheit, wenn man den Trainer wieder raushaut, sondern man soll ihm Gelegenheit geben, dass er auch nach seinen Vorstellungen eine Mannschaft aufbauen kann.
Ludwig (lacht): Da sprichst du aber nicht von deinem Verein, der Austria?
Häupl: Ich spreche durchaus von meinem Verein. Die Personaldiskussion, die sich manche hier erhoffen und die der Kurz angedeutet hat, die kann er vergessen.

Was würde man denn finden, wenn man Ihre Computer hackt?
Ludwig zu Häupl: Die zahllosen Computer, die du gehabt hast ...
Häupl (lacht): Ich habe keine Ahnung.

Glauben Sie diese Hacker-Geschichte der ÖVP?
Häupl: Nein!
Ludwig: Das werden die Erhebungen des Innenministeriums ergeben. Aber es ist aufklärungsbedürftig.

Sind beide bereit für ein bisschen Vergangenheitsbewältigung? Herr Bürgermeister, was ist das für ein Gefühl, zu wissen, dass Sie jetzt neben jemandem sitzen, der Sie eigentlich nicht als Nachfolger haben wollte?
Ludwig: Das weiß ich nicht. Wir haben über Jahrzehnte gut und eng zusammengearbeitet. Wir haben ein gutes persönliches Verhältnis, sonst hätte ich auch kein Buch über ihn gemacht.
Häupl: Das ist ein wiederholt dementiertes Gerücht, dass ich den Michael Ludwig als meinen Nachfolger nicht wollte. Wir kennen uns ewig und hatten immer einen respektvollen Umgang miteinander.

Herr Ludwig, kränkt es Sie, dass viele sagen, Sie hätten weniger Schmäh als ihr Vorgänger?
Ludwig: Gar nicht. Das können auch nur jene erzählen, die nicht dabei waren beim Übergang von Zilk auf Häupl. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie manche versucht haben, zu erklären, dass Zilk unerreichbar ist als Bürgermeister. Michael Häupl hat bewiesen, dass es sehr wohl möglich ist, einen eigenen Weg zu gehen. Es ist keine Schande, weniger Schmäh zu haben als Michael Häupl. Aber ich finde es ja lustig, dass Sie in einem Interview den Gernot Blümel von der ÖVP zu meinem Schmäh befragt haben. Denn der ist ja eine stadtbekannte Lachwurzen. Ihn als Kriterium zu führen, finde ich ja besonders originell.
Häupl (lacht): Ja, das stimmt, das ist korrekt.

Zum Schluss hätte ich noch ein paar kurze Fragen an das Geburtstagskind. Bereit, Herr Häupl?
Häupl: Ich bin auch für lange Fragen bereit. Nur Kurz-Fragen liegen mir vielleicht weniger.

Was haben Sie zuletzt bei Bständig gekauft?
Häupl: Ein blaues Thera-Band.

Senile Bettflucht oder Schlaf der Gerechten?
Häupl: Na ja, das kommt darauf an. Wenn ich den Vorabend mit Erwin Pröll verbracht habe, dann kann es auch die senile Bettflucht sein.

Haben Sie auch schon einmal bei einer Veranstaltung teilgenommen, ohne zu wissen, wo Sie waren?
Häupl: Nein, aber ich habe Ausstellungen eröffnet, die ich nicht gesehen habe, und Bücher vorgestellt, die ich nicht gelesen habe. Aber ich habe es auch freimütig bei der Eröffnung eingestanden.

Bietet man Ihnen in der U-Bahn schon einen Sitzplatz an?
Häupl: In der Straßenbahn, ja. Und das hat mich, ehrlich gesagt, ein bisschen getroffen. Als da eine junge Dame aufgestanden ist, hab ich mir gedacht: Jetzt ist es so weit.

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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