London beruft

Berufungsgericht: Johnsons Zwangspause „illegal“

Ausland
11.09.2019 11:57

Ein schottisches Berufungsgericht hat die von Premierminister Boris Johnson auferlegte Zwangspause des britischen Parlaments für unrechtmäßig erklärt. Geklagt hatten etwa 75 Parlamentarier. Sie sehen in der von Johnson erwirkten wochenlangen Schließung des Unterhauses vor dem am 31. Oktober anstehenden EU-Austritt des Landes eine unzulässige Einschränkung des Parlaments. Ähnliche Klagen wurden auch vor Gerichten im nordirischen Belfast und in London eingereicht, die Regierung beruft allerdings gegen das schottische Urteil. Für Johnson ist es jedenfalls nach den Niederlagen zuletzt im britischen Parlament eine weitere Schlappe.

Die Zwangspause sei „illegal“, weil ihr offensichtliches Ziel sei, „das Parlament zu behindern“, erklärte das Gericht am Mittwoch in Edinburgh. Die Entscheidung Johnsons sei „null und nichtig“. Die Abgeordnete Joanna Cherry von der Schottischen Nationalpartei, die federführend an der Klage beteiligt war, sprach von einem historischen Urteil. Die britische Regierung kündigte umgehend an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. „Wir sind enttäuscht von der heutigen Entscheidung und werden in Berufung gehen“, hieß es in einer Erklärung.

Johnsons Entscheidung, dem Parlament vor dem von ihm für den 31. Oktober geplanten EU-Austritt Großbritanniens eine fast fünfwöchige Sitzungspause aufzuerlegen, hatte landesweite Proteste hervorgerufen. Kritiker hielten dem konservativen Regierungschef vor, das Parlament aushebeln zu wollen und so die Demokratie zu untergraben.

Eine Klage in erster Instanz vor dem Court of Session in Schottland war zunächst gescheitert. Auch der High Court in London hatte eine ähnliche Klage zunächst abgewiesen. Eine endgültige Entscheidung dürfte nun das oberste Gericht in Großbritannien, der Supreme Court, treffen. Der an dem Prozess in Schottland beteiligte Rechtsanwalt Jo Maugham erklärte, ein Berufungsverfahren vor dem Supreme Court werde am Dienstag beginnen.

Tumultartige Szenen im Unterhaus
Die Parlamentsschließung war in der Nacht auf Dienstag wirksam geworden, bei der Zeremonie war es zu tumultartigen Szenen im Unterhaus gekommen. Abgeordnete der Opposition hielten Protestnoten mit der Aufschrift „Zum Schweigen gebracht“ hoch und skandierten „Schande über euch“ in Richtung der Regierungsfraktion. Parlamentspräsident John Bercow sprach von einem „Akt exekutiver Ermächtigung“. Labour-Chef Jeremy Corbyn warf Johnson vor, er schließe das Parlament, um keine Rechenschaft mehr ablegen zu müssen. Die Abgeordneten sollten erst am 14. Oktober wieder zusammentreten.

Niederlagenserie setzt sich fort
Damit setzt sich Johnsons Niederlagenserie fort. Zuvor war er unter anderem zweimal mit einem Antrag auf Neuwahl gescheitert. Es gibt damit keine Möglichkeit mehr für eine Neuwahl vor dem geplanten Brexit-Datum. An ihrem letzten Sitzungstag vor der fünfwöchigen Sitzungspause hatten die Abgeordneten unter anderem für die Herausgabe von Regierungsdokumenten und interner Kommunikation zu der von Johnson auferlegten Zwangspause gestimmt.

Rechtsstreit hat mit Parlamentsentscheid an Bedeutung verloren
Klagen gegen die verlängerte Sitzungspause sind vor mehreren Gerichten anhängig. Der Rechtsstreit hat allerdings etwas an Bedeutung verloren, weil das Parlament zuletzt ein Gesetz verabschiedet hat, das einen Brexit ohne Abkommen am 31. Oktober verhindern soll. Demnach soll der Brexit auf den 31. Jänner 2020 verschoben werden, sollte bis zum 19. Oktober keine Vereinbarung mit der EU über den Austritt Großbritanniens stehen.

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