Leichter lernen

„Hirn ist keine Festplatte, die voll werden kann“

Leben
31.08.2019 06:15

Schule macht Spaß - bis es ans Lernen geht! Doch mit ein paar Tipps und Tricks kann man es sich etwas einfacher machen und bringt damit mehr Leichtigkeit in den Schulalltag.

Im Osten Österreichs geht die Schule wieder los. Die anderen Bundesländer haben noch eine Woche Verschnaufpause. Dann heißt es auch für sie Schluss mit Ausschlafen und Ausspannen. Und im Nu gibt es neuen Lernstoff, den es sich möglichst rasch einzuprägen gilt.

Ob für die Schule, das Studium oder die Weiterbildung – Lernen begleitet einen durch das ganze Leben. Ständige Neuerungen und Weiterentwicklungen sorgen dafür, dass der Lernstoff niemals ausgeht. Auch vor dem Hobby- und Freizeitbereich macht das Thema „Lernen“ keinen Halt. Das ruft auch Hirnforscher, Neurobiologen und Lerncoaches auf den Plan. Denn wer möchte nicht möglichst effektiv lernen?

In einem sind sich alle einig: Voraussetzung ist ein realistischer Lernplan. Nicht in letzter Sekunde, nicht unregelmäßig, nicht ununterbrochen und am besten gleich mitlernen. Zu Beginn fällt es wirklich schwer, den Lernstoff zu überblicken. Wer dann einfach drauflos lernt, wird sich zwangsläufig verzetteln. 95 Prozent der Lernenden geht es so.

Informationen werden oft mit Gefühlen verbunden
Wenn die Neugierde geweckt wird, können wir unser Hirn fürs Lernen regelrecht anknipsen. Dann werden Turbolader wie Dopamin zugeschaltet. Aber im Normalfall muss sich das Gehirn erst einpendeln. Häufig benötigen wir dafür ungefähr 15 Minuten. Das menschliche Gehirn ist zwischen 9 und 11 Uhr sowie zwischen 16 und 18 Uhr am aufnahmefähigsten.

Am besten ist es, etwa 45 Minuten zu lernen und anschließend eine kurze Pause zu machen. Alle drei Stunden ist dann eine längere Pause angesagt. In dieser Zeit bietet es sich an, einen Spaziergang zu unternehmen (Bewegung und Entspannung eignen sich perfekt). Hauptsache Abstand vom Lernen gewinnen, um dann später wieder richtig durchstarten zu können.

Lernen beruht darauf, dass sich Verbindungen zwischen zwei Nervenzellen, den Synapsen, verändern. Für den Lernerfolg ist die Vernetzung der verschiedenen Einheiten im Gehirn wichtig. Je mehr Synapsen und Nervenzellen aktiviert sind, desto tiefer wird die Information im Gehirn verankert. So sind beispielsweise Sehen und Motorik eng miteinander vernetzt, denken wir nur an das Zählenlernen mit den Fingern. Informationen werden oft mit verschiedenen Wahrnehmungen, Gefühlen und Erinnerungen verbunden.

Das Pauken kann deshalb sehr viel einfacher werden, wenn man seine Stärken und Schwächen kennt. Wir verwenden unterschiedliche Sinne, um Inhalte besser zu erfassen, zu verstehen und uns merken zu können. Da die einzelnen Sinnesorgane bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, spricht man von verschiedenen Lerntypen: den auditiven, visuellen, kommunikativen und motorischen. Optimal ist, wenn man sich den Lernstoff über möglichst viele Sinneskanäle einprägt und verarbeitet. Denn je mehr Wahrnehmungsfelder im Gehirn beteiligt sind, desto mehr gedankliche Verknüpfungen können zu dem Lernstoff hergestellt werden. Das führt zu mehr Aufmerksamkeit und Lernerfolg.

Der visuelle Lerntyp paukt am effektivsten mithilfe bildlicher Veranschaulichung. Skizzen und Karteikarten für Vokabeln helfen ihm bei der Speicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis. Der auditive Lerntyp muss im Unterricht das Thema schon mal gehört haben, um sich daran zu erinnern. Er macht daheim am besten aus dem Lernstoff einen Vortrag.

Für den kommunikativen Lerntyp ist der Austausch mit anderen sehr wichtig. Voraussetzung ist, den Inhalt für sich aufgeschrieben, gelesen und grob verstanden zu haben. Lernmaterialien zum Anfassen, Experimente oder praktische Arbeiten braucht hingegen der motorische Lerntyp. Auch er paukt gerne in Gruppen.

Die Idee vom lebenslangen Lernen ist kein Werbegag der Bildungsindustrie, sondern eine Besonderheit der Spezies Mensch. Es fällt einem mit steigendem Alter nur schwerer. Die Plastizität des Gehirns, die Veränderlichkeit von Nervenzellen, nimmt ab. Außerdem entwickelt das Gehirn mehr Widerstand gegen Neues, weil bestehendes Wissen gefährdet wird. Doch die gute Nachricht: Das Gehirn enthält keine Festplatte, die „voll“ werden kann.

Kann man das Lernen lernen?
Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer im Interview.

Was passiert beim Lernen im Gehirn?
Prof. Spitzer: Es ändern sich die Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn, und zwar dadurch, dass die Nervenzellen sich Impulse wechselseitig zuspielen und dadurch Informationen verarbeiten, d. h. Leistungen wie Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen und vieles mehr vollbringen. Im Gegensatz zum Computer, in dem die CPU (ein Chip) Informationen verarbeitet und die Festplatte sie speichert, werden im Gehirn beide Funktionen von der gleichen Hardware - Neuronen und Synapsen - geleistet.

Kann man das Lernen lernen?
Nicht wirklich. Man lernt jedoch umso besser, je mehr man schon gelernt hat. Betrachten wir Sprachen: Je mehr Sprachen man schon kann, desto leichter ist es, eine weitere Sprache zu lernen. Das liegt daran, dass die Sprachzentren besser Sprache verarbeiten können, wenn sie schon sehr viele Verbindungen enthalten. Das Gehirn enthält keine Festplatte, die „voll“ werden kann. Es kann umso besser lernen, je mehr es schon gelernt hat! Alles, was man in Kindheit und Jugend gelernt hat, macht das Lernen später leichter. Man kann im Gehirn durch Nichtlernen keinen Platz sparen.

Welche neuen Methoden gibt es?
Es gibt nicht wirklich neue Methoden.

Was ist die Zukunft des Lernens mit neuen digitalen Medien?
Seit Jahren wird immer deutlicher, dass Digitale Medien dem Lernen schaden. Sie lenken ab, führen zu mehr Oberflächlichkeit, zu weniger Konzentration und weniger Nachdenken über die zu lernenden Sachverhalte. Lesen bildet, Daddeln nicht. Digitale Medien schaden besonders den schwächeren Schülern. Die Kluft im Bildungsgrad von Unter- und Oberschicht nimmt damit zu, nicht ab, wie immer behauptet wird.

Dass Tablets in Bildungseinrichtungen ausgegeben werden, ist für Sie demnach nicht nachvollziehbar.
Im Kindergarten- und Grundschulalter schaden digitale Medien nachweislich der geistigen Entwicklung von Kindern. Wer dort Tablets ausgibt, handelt verantwortungslos.

Wenn Kinder in die Schule kommen, dann wird ihnen noch viel stärker als zuvor vorgegeben, wie sie lernen sollten. Doch Lernen ist ein individueller Prozess.
Das Lehren hat zwar derzeit einen ganz schlechten Ruf, ist jedoch mit Abstand die schnellste Art zu lernen. Ein Kind weiß etwas nicht und fragt einen Erwachsenen, der die Sache erklärt bzw. die Fähigkeit vermittelt. Das gibt es nur beim Menschen und funktioniert sehr gut. Wenn es in einer Gruppe funktioniert, ist dies nachweislich der bestmögliche Unterricht.

Wie können wir die Begeisterung fürs Lernen bei Schülern wecken?
Gar nicht. Sie können auch niemanden hungrig machen. Der Hunger kommt von allein, wenn man nicht isst. Und die Neugierde kommt von allein, wenn einem langweilig ist. Dazu muss man Langeweile zulassen und nicht durch Bildschirme bekämpfen. Wer dauernd Big Macs isst, geht auch lustlos zur Salat-Theke.

Überehrgeizige Eltern wollen ihren Nachwuchs von klein auf fördern. Welche Möglichkeiten der Förderung heißen Sie gut? Und was bringt eher weniger?
Gut sind Sport, Musik selber machen, Theater spielen und alles, was man mit den Händen machen kann, wie malen, zeichnen, basteln. Bildschirme schaden. Sinnesorgane bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, spricht man von verschiedenen Lerntypen: den auditiven, visuellen, kommunikativen und motorischen. Optimal ist, wenn man sich den Lernstoff über möglichst viele Sinneskanäle einprägt und verarbeitet. Denn je mehr Wahrnehmungsfelder im Gehirn beteiligt sind, desto mehr gedankliche Verknüpfungen können zu dem Lernstoff hergestellt werden. Das führt zu mehr Aufmerksamkeit und Lernerfolg.

Der visuelle Lerntyp paukt am effektivsten mithilfe bildlicher Veranschaulichung. Skizzen und Karteikarten für Vokabeln helfen ihm bei der Speicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis. Der auditive Lerntyp muss im Unterricht das Thema schon mal gehört haben, um sich daran zu erinnern. Er macht daheim am besten aus dem Lernstoff einen Vortrag.

Für den kommunikativen Lerntyp ist der Austausch mit anderen sehr wichtig. Voraussetzung ist, den Inhalt für sich aufgeschrieben, gelesen und grob verstanden zu haben. Lernmaterialien zum Anfassen, Experimente oder praktische Arbeiten braucht hingegen der motorische Lerntyp. Auch er paukt gerne in Gruppen.

Die Idee vom lebenslangen Lernen ist kein Werbegag der Bildungsindustrie, sondern eine Besonderheit der Spezies Mensch. Es fällt einem mit steigendem Alter nur schwerer. Die Plastizität des Gehirns, die Veränderlichkeit von Nervenzellen, nimmt ab. Außerdem entwickelt das Gehirn mehr Widerstand gegen Neues, weil bestehendes Wissen gefährdet wird. Doch die gute Nachricht: Das Gehirn enthält keine Festplatte, die „voll“ werden kann.

Susanne Zita, Kronen Zeitung

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(Bild: kmm)



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