Bewusstsein verloren

Mariazellerbahn entgleist: Freispruch im Prozess

Niederösterreich
28.08.2019 14:05

Nach einem Unfall auf der Mariazellerbahn mit mehr als 30 Verletzten im Vorjahr ist der angeklagte Triebwagenführer am Mittwochnachmittag in St. Pölten rechtskräftig vom Vorwurf der grob fahrlässigen Körperverletzung und fahrlässigen Gemeingefährdung freigesprochen worden. Das internistische Gutachten bescheinigte dem 26-Jährigen eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit zum Zeitpunkt des Vorfalls. Die Staatsanwaltschaft trat daraufhin von der Anklage zurück. 

Eine „Himmelstreppe“ der Mariazellerbahn war am 26. Juni 2018 im Raum Völlerndorf in der Gemeinde Gerersdorf (Bezirk St. Pölten-Land) laut Anklagebehörde zu schnell - mit 62 bis 64 statt der erlaubten 35 km/h - in eine Kurve gefahren und entgleist. Die hinteren Wagen fuhren auf die vordere Garnitur auf. Von den rund 80 Passagieren wurden vier schwer und 28 leicht verletzt. Der Schaden lag im zweistelligen Millionenbereich, wegen Aufräum- und Reparaturarbeiten war die Strecke bis 2. Juli gesperrt.

„Auf einmal war ich weg“
Am ersten Prozesstag, dem 20. März, bekannte sich der 26-Jährige, dem laut Anklage grob fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Gemeingefährdung vorgeworfen wurden, nicht schuldig. Verteidiger Michael Celar sprach von einer Bewusstseinstrübung. Deren Eintritt könne sich sein Mandant nicht erklären, sagte der Jurist. „Auf einmal war ich weg. Wie ich wieder langsam zu mir gekommen bin, war es schon zu spät. Da ist der Zug schon auf der Seite gelegen“, schlug der Angeklagte am ersten Verhandlungstag in eine ähnliche Kerbe. Der Prozess wurde schließlich zur Einholung des internistischen Gutachtens vertagt.

Besagte Expertise stand am Mittwochnachmittag im Mittelpunkt des Interesses. Der internistische Sachverständige bescheinigte dem Beschuldigten eine Synkope - also eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit - zum Unfallzeitpunkt. Diese sei „zu diesem Tag, zu dieser Zeit unvorhersehbar passiert“, „Zeitraum, Länge und Dauer“ seien nicht beurteilbar. „Die Geräusche des Alarmsignals sind bei ihm mit Sicherheit nicht ausreichend angekommen, so dass eine automatische Reaktion erfolgen hätte können“, betonte der Gutachter.

„Kann jedem von uns passieren“
Zur sogenannten Fehlregulation des Kreislaufs des 26-Jährigen hätten mehrere Faktoren geführt. Dazu gehöre etwa eine zu geringe Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr. Außerdem sei der Beschuldigte „egal bei welcher Untersuchung“ von einem Ausgangspuls von weit über 90 gestartet, der Herzschlag sei danach relativ rasch auf 130 geschnellt, erklärte der Experte. Eine solche Synkope „kann jedem von uns passieren“, vor allem, wenn er „nicht in der richtigen Pulsfrequenz trainiert und zu wenig isst und trinkt“, hob der Gutachter hervor.

Anklage zurückgezogen
Im Anschluss an den Vortrag des Sachverständigen trat Staatsanwalt Leopold Bien von der Anklage zurück. Diesen Schritt begründete er damit, dass das Unfallgeschehen dem 26-Jährigen nicht vorwerfbar sei. „Ich bin sehr froh, dass wir im Verfahren noch dieses Gutachten eingeholt haben“, sagte Bien. Es habe ein Widerspruch zwischen dem ordnungsgemäßen Verhalten des Beschuldigten während der Fahrt und der Situation rund um das Unfallgeschehen geherrscht.

„Uns alle hat dieses Unbehagen im Verfahren begleitet, ob da nicht doch eine andere mögliche Erklärung dahintersteckt“, sagte der Staatsanwalt, der aber auch festhielt, dass es nach dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten keine Anhaltspunkte für eine Synkope gegeben habe. „Es geht nicht darum, in einem Verfahren immer einen Schuldigen zu finden, sondern die Sache aufzuklären und festzustellen, ob es einen Verantwortlichen gibt oder ob das Geschehen einfach schicksalhaft war“, sagte der Staatsanwalt abschließend.

Einzelrichter Andreas Beneder quittierte den Schritt von Bien, die Anklage zurückzuziehen, mit einem „sehr fair“. Bei der Urteilsbegründung schloss er sich den Ausführungen des Staatsanwalts „vollinhaltlich an“.

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