Kleinstgemeinden

Haben Tirols Mini-Orte eine Zukunftschance?

Tirol
24.08.2019 09:00
Sie hängen am Finanztropf des Landes und manchmal auch in der Luft: die Kleinstgemeinden. Die fünf einwohnerschwächsten Kommunen Tirols sind im Bezirk Reutte angesiedelt. Ein Besuch der „Krone“ in Vorder- und Hinterhornbach bestätigt den jährlichen Überlebenskampf, eine Fusion steht aber nicht zur Debatte.

27 der insgesamt 37 Gemeinden im Außerfern zählen nicht mehr als 1000 Einwohner. Unter ihnen Gramais, mit 47 Dorfbürgern (2018) die kleinste Gemeinde Österreichs. Auch Hinterhornbach gehört zu den vier Dörfern, die in der Einwohnerzahl mit zwei Stellen auskommen: 91. Einer davon ist Martin Kärle, der Bürgermeister. Die Fahrt zu ihm in das nach Norden ausgerichtete Seitental des Lechtales ist abenteuerlich – genau so wie sein Job!

Kaum eigene Einnahmen
„Ich bin 2010 mit einer einzigen Stimme Vorsprung Bürgermeister geworden“, schmunzelt der 58-jährige, hauptberufliche Dorfchef, „bei der letzten Wahl gab’s keine Mitbewerber mehr.“ Mit der Neuordnung der Gehälter auf rund 1900 Euro „auf die Hand“ ist Kärle zufrieden: „Mit 1300 Euro, so wie früher, würde das niemand mehr machen.“ Mit „das“ meint er den Alltag als Bürgermeister einer Kleinstgemeinde, der so trostlos nicht sei, wie oft dargestellt.

„Natürlich“, sagt er, „finanziell ist es ein jährlicher Kampf. Wir sind absolut abhängig von den Abgabenertragsanteilen und den Mitteln des Gemeindeausgleichsfonds.“ Eigene Einnahmen für das 550.000-Euro-Jahresbudget sind rar: Die Kommunalsteuer aus dem Tourismus ist gering und man könne auch nicht immer Holz schlagen, wenn man Geld benötigt. Der zweite Angestellte der Minikommune ist Franz-Josef Kärle, der Bruder des Bürgermeisters. Er ist Gemeindearbeiter, Waldaufseher und Klärwärter in Personalunion.

„Keine Abwanderung“
Volksschule und Kindergarten sind im sechs Kilometer entfernten Vorderhornbach, wo auch die Gemeindebuchhaltung erledigt wird. Auf einen Linienbus wartet man vergeblich und Nahversorger gibt’s auch keinen. „Aber wir sind die einzige Gemeinde im Lechtal ohne Abwanderung, die Jungen bleiben“, zeigt sich Kärle stolz. Das Vereinsleben sei lebendig, die Stimmung im neunköpfigen Gemeinderat sehr gut. Aber es werde immer schwieriger, Dorfpolitiker zu finden. Eine Gemeindefusion sieht Kärle, der eine Periode dranhängen will, wenn es die Gesundheit erlaubt, skeptisch: „Eine Kooperation mit Vorderhornbach existiert ja schon. Bei einer Fusion von mehreren Gemeinden würden die kleinen auf der Strecke bleiben.“

Kampf gegen Dorfflucht
Apropos: Auf der Strecke zurück ins Lechtal nach Querung des Hornbaches das logische Ortsschild: Vorderhornbach. Mit 248 Dorfbürgern ist man dreimal so groß. Bürgermeister Gottfried Ginther hat mit seinem elfköpfigen Gemeinderat, dem er übrigens Rosen streut, ein Budget von rund 1,5 Millionen Euro zu verwalten. „Die Kommunalsteuer von einem Gasthaus und einem Spenglerunternehmen ist natürlich bescheiden“, sagt der pensionierte Metallwerkmitarbeiter, „auch wir sind vom Land Tirol abhängig“.

Auf Grund der Verschuldung gebe es keine Kredite. Man erledige nicht nur die Buchhaltung von Hinterhornbach, sondern auch von der Gemeinde Pfafflar. Ginther hat sich dem Kampf gegen die Abwanderung verschrieben. Zum Beispiel sei man die erste Gemeinde im Lechtal, die den Ausbau des Breitbandinternets zu 100 Prozent erledigt hat. Ginther: „Vorderhornbach ist ein schönes Wohndorf und ich merke einen Trend wieder hin zum Wohnen im ländlichen Gebiet. Wir schaffen gerade ein neues Siedlungsgebiet und die Nachfrage nach Bauplätzen ist überraschend hoch.“ Das Ziel: „Ich möchte wieder auf 300 Einwohner kommen.“

Kollege gibt vorzeitig auf
Der motivierte Ginther, der wie Martin Kärle in der zweiten Periode amtiert, war an beiden Wahlen mit seiner Liste ohne Konkurrenz und weiß, dass es immer schwieriger wird, Dorfpolitiker zu finden. Trotzdem: Die Einsparung bei einer Fusion sei minimal. Ob es in der 106-Einwohner-Gemeinde Pfafflar im Herbst dazu kommt, wird sich weisen. Kollege Bernd Huber hat nämlich seinen frühzeitigen Abgang im November angekündigt. Vorzeitig das Handtuch schmeißen wollte heuer auch Michael Fasser, der Bürgermeister von Gramais. Er konnte gerade noch überredet werden, bis zum Ende der Legislaturperiode weiterzumachen. Leichter wird es nicht, aber Idealisten wird’s wohl immer geben.

Hubert Berger, Kronen Zeitung

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