Mühlviertler Alm

Pilgern im Sattel mit dem Pferd

Reisen & Urlaub
22.08.2019 07:00

Die sanfte hügelige Landschaft und das gleichmäßige Geräusch der Pferdehufe - unter Reitern gilt die Mühlviertler Alm schon lange als Geheimtipp. Neu ist eine Kombination aus Wander- und Pilgerritt.

Mit einem leisen Blubbern begrüßt mich „Nordwind“, als ich am Morgen in den Stall komme. Das weiche Pferdemaul des Wallachs sucht beim Betreten seiner Box nach dem Leckerli in meiner Tasche. Nachdem ich seine Hufe ausgekratzt und sein Fell gestriegelt habe, bekommt er es dann auch. Wir, ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Reitbegeisterten, sind in Unterweißenbach, auf dem Hof der Familie Kern. Gemeinsam mit Wanderreit-Pionier Felix Kern reiten wir einen Teil des 110 Kilometer langen Johannesrittes. Nicht nur wir Menschen sind aufgeregt, auch die Pferde wissen, dass es bald losgeht. Normalerweise leben sie im Offenstall auf der Nordweide, einem weiteren Betrieb der Kerns, bei Felix‘ Sohn Andi.

Endlich aufsitzen!
Um ein Wundscheuern des empfindlichen Pferderückens zu vermeiden, bekomme ich von Chefin Sabine eine genaue Einschulung, wie ich „Nordwind“, der mit einem Westernsattel geritten wird, richtig zu satteln habe. Der ungarische Lipizzaner ist erst fünfjährig und in manchen Situationen noch etwas ungestüm. Doch die Anwesenheit seiner erfahrenen Pferdekumpels gibt dem Jungspund Sicherheit. Nachdem alle nachgegurtet haben, heißt es endlich aufsitzen. In geordneter Reihenfolge verlassen wir den Hof. Im gemächlichen Schritt geht es durch die sanften Hügel des Mühlviertels, durch kleine Dörfer und vorbei an schönen Gehöften. Die Pferde sind entspannt und lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Eins, zwei, drei, vier, eins, zwei, drei, vier. Im Takt der Hufe weicht der Stress des Alltags schon bald einer inneren Ruhe und Gelassenheit. Genauso soll es sein.

Der Johannesweg erfreut sich seit 2012 bei Wanderern größter Beliebtheit. Seit 2018 sind die zwölf Pilger-Stationen, die Wege zur körperlichen und geistigen Gesundheit aufzeigen wollen, auch für Reiter gut erreichbar und Teil des über 700 Kilometer langen Reitwegenetzes Mühlviertler Alm. Um die Tour zum Genuss für Mensch und Tier werden zu lassen, sollte man zwischen vier und sechs Tage veranschlagen – ob mit dem eigenen Pferd oder einem trittsicheren Leihpferd, auf eigene Faust oder organisiert in kleinen Gruppen. Vierzehn Gemeinden und über fünfzig Betriebe haben sich dem Reitsport verschrieben und bieten eine entsprechende Infrastruktur.

Felix Kern hat nicht unwesentlich zur Entwicklung der Region beigetragen. Wo wir auf Menschen treffen, werden wir schon von Weitem begrüßt. Auch wenn wir hauptsächlich im Schritt reiten, macht so ein Wanderritt müde. Die Stone Hill Ranch, die Felix’ Tochter Margit führt, liegt auf unserem Heimweg und bietet sich für eine kurze Rast an. In urigen Blockhütten können Erholungssuchende mit oder ohne vierbeinigen Anhang Wildwest-Romantik genießen. Während „Nordwind“ und die restliche Herde den Tag auf der Koppel ausklingen lassen, haben wir noch eine Verabredung auf der Moser Alm von Familie Lumetzberger-Danninger. Auch hier sind Wanderreiter herzlich willkommen, doch eigentlich hat sich die Familie dem Fahren verschrieben. Wer lieber auf dem Kutschbock als auf dem Pferderücken sitzt, hat die Möglichkeit, in Kursen die Kunst des Fahrens zu erlernen bzw. weiter zu vertiefen.

Auch am zweiten Tag geht es früh los
Auf dem Weg zum Wegererstein, der zehnten Station des Pilgerweges, wird es ein wenig abenteuerlich. Felix nimmt eine Abkürzung. Die Böschung hinunter, durch den Bach und auf der anderen Seite über querliegende Baumstämme und durch Dickicht wieder hinauf. Ich lasse „Nordwind“ sich seinen Weg suchen, und der junge Wallach meistert die Herausforderung bravourös. Während die Pferde am Fuße der großen Granitblöcke am Wegererstein friedlich grasen, wandern wir hinauf zur Aussichtsplattform und genießen die Stille und Kraft, die von diesem Ort ausgeht.

Ich könnte noch Tage gemütlich weiterreiten, doch es heißt Abschied nehmen. „Nordwind“ steht auf der Weide. Für ihn geht es bald wieder los, mit einem anderen Reiter, der das Abenteuer Pilgerritt noch vor sich hat.

Eva Bukovec, Kronen Zeitung

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