Bericht liegt vor

Viele Schikanen auf dem Weg zum Bürgerrecht

Tirol
08.08.2019 11:00

Neben Vorarlberg ist Tirol das einzige Bundesland mit einer eigenen Landesvolksanwaltschaft. Heuer feiert die Einrichtung ihr 30-Jahr-Jubiläum. Der aktuelle Jahresbericht liegt nun vor. Die „Krone“ hat das Papier durchforstet. Ein Bericht über Behördendschungel, schikanöse Amtspersonen und unmenschliche Gesetze.

5874 Beschwerden und Fragen wurden im Vorjahr an Landesvolksanwältin Maria Luise Berger herangetragen. Berger ist Chefin einer Einrichtung, die der Tiroler Landtag 1989 ins Leben gerufen hat. Wie sehr die Tiroler eine unabhängige und weisungsfreie Anlaufstelle brauchen, zeigt die Tatsache, dass bereits im ersten Jahr 2760 Anliegen an die Landesvolksanwaltschaft herangetragen wurden. 83 Seiten umfasst der aktuelle Jahresbericht. Wer ihn durchforstet, gewinnt drei wesentliche Erkenntnisse: 1. Die Bürger verlieren zwischen den Bergen an Gesetzen immer mehr den Überblick. 2. Die Zuständigkeiten sind bei einigen Themen (z. B. Sozial- und Behindertenrechte) derart zersplittert, dass sich oft nicht einmal mehr die Sachbearbeiter in den Ämtern auskennen. 3. Die Verwaltung und ihre Repräsentanten werden oft als bürgerfeindlich wahrgenommen, leider in nicht wenigen Fällen auch zu recht. Eine Auswahl:

Fall 1: Keine Frühförderung für ein krebskrankes Kind
Eine Alleinerzieherin will ihre 4-jährige Tochter auf Anraten einer Psychologin zu einer speziellen Frühförderung schicken. Das Mädchen weist Entwicklungsverzögerungen auf. Zu allem Überfluss wird das Kind auch noch krebskrank, kann an der Klinik aber erfolgreich behandelt werden. Danach will die Mutter die Frühförderung endlich beantragen. Doch das zuständige Amt weigert sich, die Leistung zu zahlen. Begründung: Die Entwicklungsverzögerung sei offenbar keine Behinderung, sondern Folge der Krebserkrankung. Die Frau wird zur Krankenkasse geschickt. Erst die Landesvolksanwaltschaft kann klarstellen, dass dem Kind Behindertenhilfe zusteht. Endlich erhält das Mädchen die Unterstützung.

Fall 2: Dorfstreit um Kuhfladen
Ein Streitthema, das viele kennen. Die schmutzigen Überreste eines Viehtriebs beschäftigten auch die Juristen der Landesvolksanwaltschaft. Mehrere Bewohner eines Dorfes sprachen vor, weil ein Bauer täglich 20 bis 30 Kühe durch den Ort treibt. Und weil Bewegung die Verdauung fördert, sind die Folgen nicht nur auf der Straße zu sehen, sondern auch auf Hauswänden, Zäunen und in Gärten. Der Bauer beharrte auf sein Recht auf Viehtrieb und schaltete auf stur. Die Landesvolksanwaltschaft musste aber nicht lange nach dem Recht der Anrainer auf saubere Häuser und Vorgärten suchen. Nun liegt der Ball beim Bauern. Die Landesvolksanwaltschaft hält dazu fest, dass man gegebenenfalls auch zivilrechtlich klagen könne.

Fall 3: Keine Akteneinsicht, obwohl ein Recht darauf besteht
Als Kind in einem Heim misshandelt, leidet eine Tirolerin bis heute an den Folgen. Sie will um Heimopferrente ansuchen. Das Gesetz sieht vor, dass diese auch auf drei Jahre rückwirkend zugestanden werden kann. Dieses Geld (3000 Euro) würde die Frau - sie bezieht Mindestsicherung - dringend brauchen. Doch die Antragstellung verzögert sich, weil ein Sachbearbeiter die Unterlagen nicht herausrückt. „Akteneinsicht gibt es hier keine“, wimmelt er die Frau ab. Doch das stimmt nicht! Das erfuhr die Frau bei der Landesvolksanwaltschaft. Ebenso, dass die Verschleppung der Angelegenheit der Behörde teuer zu stehen kommen kann. Und siehe da: Plötzlich bekam die Frau Akteneinsicht und ihr Antrag war rechtzeitig gestellt.

Fall 4: Odyssee wegen der Schneeräumung
Der nächste Winter kommt bestimmt. Und mit ihm das leidige Thema Schneeräumung. Ein Pensionist sprach dazu bei der Landesvolksanwaltschaft vor. Sein Problem: Die Garage wird regelmäßig von den behördlichen Schneeräumkommandos zugeschüttet. Eine Herkulesaufgabe, die der Mann mit seiner Schneeschaufel nicht mehr schafft. Die Suche nach den Verursachern wurde zur Odyssee. Teile der Straße sind Landeskompetenz, andere Gemeindesache. Wer hat’s also verbockt? Auch die Landesvolksanwaltschaft konnte den Verursacher nicht eindeutig ausmachen. Durch die Vermittlung gelobten aber alle befassten Abteilungen, künftig mit dem so wichtigen Augenmaß vorzugehen.

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