'(Un)glück der Sucht'

Promi-Psychiater Haller: “Alles kann süchtig machen”

(Bild: Claudia Thurner)

Wer keine Sucht hat, ist eigentlich nicht normal. Diesen Eindruck vermitteln die Statistiken. "Der Eindruck täuscht nicht", sagt auch der prominente Suchtforscher und Kriminalpsychologe Reinhard Haller (im Bild links). Am Dienstagabend sprach er im Innsbrucker Siemens Forum über das (Un)glück der Sucht - und über mögliche Auswege.

"(Un)Glück der Sucht" heißt auch Reinhard Hallers Buch, das er an diesem Abend vorstellte. Bekannt ist Haller als psychiatrischer Sachverständiger in spektakulären Prozessen. Er verfasste unter anderem Gutachten über die Frauenmörder Jack Unterweger und "Bombenhirn" Franz Fuchs.

Haller kennt die tiefen Schluchten der menschlichen Seele, die sich oft im Suchtverhalten offenbaren. "90 Prozent der Menschen sind in irgendeiner Weise süchtig", so eine Erkenntnis des Psychiaters. 78 Stunden durchgehend am PC - Fälle wie dieser aus Hallers Praxis dokumentieren die neuen Gesichter der Sucht: "Jedes menschliche Verhalten kann zur Sucht werden." Stark im Kommen sind Verhaltenssüchte wie eben die Computersucht.

Gibt es also kein Entrinnen? "Zum Glück schon", beruhigt der geschulte Kommunikator Haller seine Zuhörer. Ein kultivierter und kontrollierter Umgang mit den verführerischen Genüssen des Lebens sei die beste Prävention. "In 27 Jahren Suchttherapie habe ich unter den Alkoholikern noch keinen Weinkenner entdeckt."

Was dem Psychiater besonders Sorge bereitet, ist die Sprachlosigkeit der heutigen Gesellschaft, die Isolation vieler Menschen und fehlende Möglichkeiten, Aggressionen abzubauen.

von Claudia Thurner, Tiroler Krone