Bub vor Zug gestoßen

Zeugin: „Wünschte, ich könnte Schrei vergessen“

Ausland
31.07.2019 16:50

„Ich höre den Schrei noch - und wünschte, ich könnte ihn vergessen“: Mit diesen Worten rührt eine Augenzeugin des Dramas von Frankfurt (siehe auch Video oben) derzeit Tausende Menschen. Karin Schmidt-Friderichs beschreibt den grausamen Augenblick, als am Montag am Hauptbahnhof ein 40-Jähriger einen acht Jahre alten Buben und seine Mutter vor einen einfahrenden Zug stieß, und regt mit ihren Zeilen zum Nachdenken an.

„Ich war heute in Frankfurt auf der Höhe der Unglücksstelle zwei Gleise entfernt. Der entsetzliche Schrei klingt nach. Und das Erlebnis, wildfremde Menschen fest in den Arm zu nehmen, weil sie sichtlich Schockreaktionen zeigen“, beginnt Schmidt-Friderichs ihr Facebook-Posting, das sie einige Stunden nach den dramatischen Szenen veröffentlichte.

Die Mainzerin beschreibt mit berührenden Worten, wie sich die Menschen am Bahnhof - mit wenigen negativen Ausnahmen - nach der furchtbaren Tat umeinander kümmerten und das eigene Ego hintanstellten. Doch die Verlegerin merkt auch an: „Wenn etwas Schlimmes passiert, zeigt sich fratzenhaft der wirkliche Charakter.“

„Es ist immer sehr einfach, zu schimpfen“
Dass der Täter aus Eritrea komme, dürfe laut der Verfasserin des Postings nicht auf alle Menschen mit Migrationshintergrund oder dunkler Hautfarbe übertragen werden. „Bitte nein“, appelliert die Deutsche an ihre Leser: „Es ist immer sehr einfach, zu schimpfen. Zu verurteilen. Und Gewalt gehört verurteilt. Immer. Egal, von wem sie ausgeht und wie die Hautfarbe und Herkunft ist.“

Anschließend legt die Mainzerin wieder den Fokus auf jene Momente voller Solidarität, die sie am Montag am Bahnhof erlebte: „Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass heute in Frankfurt wildfremde Menschen einander in den Armen lagen, miteinander weinten und zitterten, einander bei Gleiswechseln mit den Koffern halfen und zusammenrückten.“

„Das Schlimmste, was ein Mensch erleben kann“
Abschließend widmet Schmidt-Friederichs ihre Gedanken jener 40 Jahre alten Mutter, die am Montag ihren eigenen Sohn verlor: „Irgendwo in einem Krankenhaus in Frankfurt liegt eine Mutter, die - selbst ins Gleisbett geschubst - ihr Kind sterben sah. Das Schlimmste, was ein Mensch erleben kann. Ich bin nicht gläubig, aber jetzt vor dem Einschlafen werde ich beten. Für die Frau, die zehn Meter von mir entfernt ihr Kind verlor. Und ich werde bitten, dass die Tatsache, dass der Idiot, der das tat, Eritreer war, das Klima in Deutschland nicht weiter vergiftet ...“

Tausende Menschen lasen das Posting der Augenzeugin und bedankten sich für die eindringlichen und treffenden Worte. Der Beitrag wurde bislang über 10.000-mal geteilt. „Gestern Abend habe ich etwas geschrieben über einen besonderen Tag, eine schreckliche Erfahrung und darüber, dass zur selben Zeit auch Gutes war. Ich habe geschrieben, was ich denke. Als privater Mensch. Die Resonanz ist unvorstellbar“, zeigt sich die Deutsche am Dienstag in einem weiteren Posting ergriffen und dankbar.

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