Täter ist selbst Vater

Bub (8) vor Zug gestoßen: Frage nach dem Warum

Ausland
30.07.2019 12:44

Es ist eine unfassbare Tat: Ein Mann stößt eine Frau und ihren achtjährigen Sohn am Montag im Frankfurter Hauptbahnhof vor einen einfahrenden Zug. Die 40-Jährige kann sich noch rechtzeitig von den Gleisen rollen, für den Buben kommt aber jede Hilfe zu spät: Er wird vom ICE erfasst und stirbt. Nach der Horror-Tat versuchte der Afrikaner, der verheiratet ist und selbst drei Kinder hat, zu fliehen. Ein Bild zeigt, wie der 40-Jährige auf den Gleisen davonläuft. Passanten rannten ihm hinterher, er wurde überwältigt und von der Polizei festgenommen. Bisher hat sich der Mann nicht zu der Tat geäußert. Er wird nun wegen Mordes und Mordversuchs dem Haftrichter vorgeführt. Es stellt sich die quälende Frage nach dem Warum. 

In Deutschland hat sich nach dem Vorfall erneut eine Debatte über Asylwerber und die „Willkommenspolitik“ von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entzündet. Der Mann mit der Staatsbürgerschaft Eritreas, einem Staat im Nordosten Afrikas, hat bis zuletzt im Kanton Zürich in der Schweiz gelebt und war im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Diese wird Ausländern in der Schweiz nach einem Aufenthalt von fünf oder zehn Jahren im Land ausgestellt. Niedergelassene haben damit laut dem Staatssekretariat für Migration ein unbeschränktes Aufenthaltsrecht. 

Von der Schweiz nach Deutschland gereist
In Frankfurt sagte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen, unklar sei, warum der verheiratete Familienvater vor einigen Tagen aus der Schweiz nach Deutschland eingereist sei und welches Aufenthaltsrecht er habe. „Er hat angegeben, er sei vor wenigen Tagen von Basel mit dem Zug nach Frankfurt gefahren.“ In Deutschland sei er nicht polizeibekannt gewesen. Der Mann hätte die Opfer nicht gekannt. Ein Test habe zudem ergeben, dass er keinen Alkohol getrunken oder Drogen konsumiert habe.

„Man denkt an eine psychische Erkrankung“
Zur Frage nach dem Gesundheitszustand des Verdächtigen sagte sie: „Die Tat spricht ja schon dafür, dass man an eine psychische Erkrankung denkt.“ Geplant seien psychiatrische Gutachten, um zu ermitteln, inwieweit der Mann schuldfähig war. Laut Niesen gebe es keine Erkenntnisse über eine Verbindung zu einer Tat im hessischen Wächtersbach. Dort hatte ein Deutscher offenbar aus rassistischen Motiven einen Eritreer mit einem Bauchschuss schwer verletzt und sich anschließend selbst getötet.

Seehofer berät mit Sicherheitsbehörden
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) will sich „angesichts mehrerer schwerwiegender Taten in jüngerer Zeit“ am Dienstag in Berlin mit den Chefs der Sicherheitsbehörden beraten. Die Ergebnisse werde er auf einer Pressekonferenz vorstellen, hieß es. Bei dem Treffen soll es neben der Attacke am Frankfurter Hauptbahnhof auch um Angriffe und Drohungen gegen Vertreter der Linkspartei gehen, um Bombendrohungen gegen Moscheen sowie den rassistisch motivierten Angriff auf den Eritreer in Wächtersbach.

„Es braucht spürbare Konsequenzen für den Täter“
Der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Nach dieser furchtbaren Straftat braucht es jetzt rasche und spürbare Konsequenzen für den Täter. Zusätzlich zum Strafverfahren sollten auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen diskutiert werden. Darüber hinaus bin ich offen für eine Diskussion über bessere Sicherheitsvorkehrungen an unseren Bahnhöfen.“

„Unzureichende Aufsicht an Bahnsteigen“
Der SPD-Verkehrsexperte Martin Burkert bemängelte in der „Bild“-Zeitung eine „unzureichende Aufsicht an den Bahnsteigen“, außerdem fehle es an den Bahnhöfen an Bundespolizisten. Aus Sicht der Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz, Anke Rehlinger (SPD), sind Taten wie in Frankfurt durch Sicherheitsmaßnahmen allerdings nicht zu verhindern. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte die saarländische Verkehrsministerin: „Eine solche Tat offenbart keine Sicherheitslücke, sondern eine Menschlichkeitslücke.“

Warnung vor Nachahmungstätern
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, warnte unterdessen vor Nachahmungstätern. Aus Großstädten wie Berlin seien Fälle sogenannter S- und U-Bahn-Schubser schon länger bekannt. „Die Polizei versucht sich nach jedem Fall präventiv besser einzustellen. Bei Taten, die vorsätzlich geschehen, stößt sie jedoch an ihre Grenzen“, sagte Radek. Angesichts von 5600 Bahnhöfen und Haltestellen in Deutschland dürfe nicht mit schnellen Lösungen gerechnet werden. „Die sind alle so unterschiedlich strukturiert, dass es schwer sein dürfte, ein Konzept für alle zu entwickeln.“ Forderungen nach mehr Personal bezeichnete er als unseriös.

Frau vor Regionalzug gestoßen
Erst am Samstag voriger Woche war im Bahnhof der Stadt Voerde in Nordrhein-Westfalen eine 34 Jahre alte Mutter vor einen Regionalzug gestoßen worden und dabei ums Leben gekommen. Der 28-jährige Tatverdächtige - ein in Deutschland geborener Serbe - sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Der mutmaßliche Täter und das Opfer kannten einander den Ermittlern zufolge ebenso wie im Frankfurter Fall nicht.

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