Druck auf ÖVP steigt

Schreddern: Ruf nach Sondersitzung und U-Ausschuss

Österreich
24.07.2019 12:37

Zwei Monate vor der Nationalratswahl gerät die ÖVP wegen der „Schredder-Affäre“ immer mehr in Erklärungsnot. Ein Mitarbeiter des Kanzleramts hatte im Mai, wenige Tage nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos, unter falschem Namen fünf Festplatten von einer externen Spezialfirma zerstören lassen - ursprünglich war nur von einem Datenträger die Rede. Die politische Konkurrenz fordert nun volle Aufklärung. „Kurz soll die Wahrheit sagen“, sagte SPÖ-Wahlkampfmanager Christian Deutsch. Eine Sondersitzung des Nationalrats dazu wird immer wahrscheinlicher. Die Liste JETZT bereitet einen entsprechenden Antrag vor. Werner Kogler, Bundessprecher der Grünen, forderte zudem einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Für ein Zustandekommen einer Sondersitzung des Nationalrats bräuchte es allerdings aufgrund der Sommerpause des Parlaments ein Drittel der Abgeordneten. JETZT-Mandatar Peter Pilz will daher mit SPÖ und FPÖ reden.

Pilz vermutet Auftrag aus Blümels Ministerium
Pilz ortet in der „Schredder-Affäre“ einen Konnex zum ehemaligen ÖVP-Kanzleramtsminister Gernot Blümel. Dessen Referent soll den Auftrag zur Vernichtung von fünf Druckerfestplatten gegeben haben, sagte der JETZT-Abgeordnete am Mittwoch. „Bei diesen Festplatten handelt es sich um Eigentum der Republik Österreich“, kritisierte Pilz. Niemand sei befugt gewesen, diese zu entfernen und zerstören zu lassen. Pilz sieht dadurch mehrere Straftatbestände möglicherweise erfüllt, wie etwa Sach- und Datenbeschädigung.

Welche Daten waren auf den Festplatten?
Weil der Kurz-Mitarbeiter die Rechnung über 76,45 Euro nicht bezahlte und unter den angegebenen Daten nicht zu finden war, erstattete die Spezialfirma Anzeige wegen Betrugs. Schließlich wurde der Mann im Umfeld des Ex-Kanzlers aufgespürt. Noch ist aber völlig unklar, welche Daten auf den Festplatten waren. Die zeitliche Nähe zum Bekanntwerden des Videos, in dem Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte wirtschaftliche Vorteile im Gegenzug für Spenden an die FPÖ in Aussicht stellt, hat zu Spekulationen geführt, die Vernichtung der Daten könne etwas mit dem Skandal zu tun haben.

Nehammer: ÖVP hatte Angst vor Daten-Leaks
ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer begründete die Vorgehensweise in der „Schredder-Affäre“ am Dienstagabend mit Angst vor Daten-Leaks. Bereits im vergangenen Wahlkampf habe es schlechte Erfahrungen gegeben, argumentierte er in der ORF-„ZiB 2“ - und erwähnte ein weiteres Mal die SPÖ und den Politik-Berater Tal Silberstein. Die Vorgehensweise des eigenen Mitarbeiters nannte Nehammer „falsch und unkorrekt“.

Dass aber vor einem Regierungswechsel „nicht veraktete Daten“ gelöscht und vernichtet werden, sei legitim, unterstrich - wie zuvor schon ÖVP-Chef Sebastian Kurz - auch Nehammer. Ebenso wenig ungewöhnlich sei, dass die Aktion schon Tage vor dem Misstrauensantrag im Nationalrat stattgefunden habe. Man habe damit gerechnet, ein solches Votum nicht zu überstehen, meinte der ÖVP-Generalsekretär. „Wenn der Antrag durchgeht, muss alles sehr rasch gehen.“

Auch Kanzlerin Brigitte Bierlein erklärte unlängst, „die Löschung bestimmter sensibler, nicht dem Bundesarchivgesetz unterliegender Daten entspricht der üblichen Praxis bei Regierungswechseln“. Nichtsdestoweniger werde der Fall geprüft. Auch die Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet.

Politische Gegner der ÖVP wittern Morgenluft
Die politischen Gegner der ÖVP wittern nun Morgenluft und starten parlamentarische Anfragen. Die SPÖ und die NEOS wollen unter anderem wissen, wer von der Datenvernichtung der Kanzleramtsdateien wusste. „Der Ex-Kanzler soll damit aufhören, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen, und jetzt die Wahrheit sagen“, sagte SPÖ-Wahlkampfmanager Deutsch. Dass es sich um eine Aktenvernichtung im Zuge des Regierungswechsels gehandelt habe, sei allein wegen des Zeitpunkts nicht glaubwürdig.

SPÖ: „Viele mysteriöse Umstände“
Bei der ÖVP orte er „viele mysteriöse Umstände“, sagte Deutsch. Diese würden schon bei der vor Wochen eilig einberufenen Pressekonferenz der ÖVP zu angeblich gefälschten E-Mails beginnen und vorläufig bei der „Schredder-Affäre“ enden. „Man darf sich nicht wundern, wenn das schmutzig anmutet“, meinte Deutsch.

U-Ausschuss vor Wahl nicht mehr möglich
Werner Kogler, Bundessprecher der Grünen, forderte unterdessen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um die „Schredder-Affäre“ aufzuklären. Möglich ist die Einsetzung eines solchen Ausschusses vor der Wahl jedoch nicht mehr. Die Grünen, die auf einen Wiedereinzug in den Nationalrat im September hoffen, würden aber schon jetzt diesbezügliche Vorbereitungen treffen, so Kogler in einer Presseaussendung am Mittwoch. Der Ausschuss soll neben dem Inhalt der geschredderten Festplatten auch klären, ob ein Zusammenhang mit dem Ibiza-Video besteht.

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