Skepsis in Österreich

Johnson boxt sich durch: Angst vor „Clown-Show“

Ausland
23.07.2019 15:52

Boris Johnson hat sich durchgeboxt: Der exzentrische frühere Außenminister wurde von seiner konservativen Partei in einer Stichwahl zum neuen Parteichef bestimmt und residiert ab Mittwoch in Downing Street 10, dem Amtssitz des britischen Premierministers. Der 55-Jährige ist in seiner bisherigen Polit-Karriere kaum einem Konflikt aus dem Weg gegangen, gefällt sich in ungewöhnlichen Posen an und manchmal über der Grenze des guten Geschmacks und hat Europa vor allem eines federführend eingebrockt: den Brexit. Entsprechend skeptisch fielen die Reaktionen der österreichischen EU-Abgeordneten auf die Wahl aus.

Schieder: „Clown-Show wird auf taube Ohren stoßen“
Man könnte meinen, im EU-Parlament sei die Coulrophobie ausgebrochen. So wird in der Psychologie die krankhafte Angst vor Clowns genannt. „Wenn Boris Johnson weiterhin seine Clown-Show abzieht, wird er damit in Brüssel auf taube Ohren stoßen“, so SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder. „Das Tauziehen im Brexit-Streit darf die neue EU-Kommission nicht länger aufhalten.“ Jetzt liege es an den Briten und am britischen Parlament, den sich abzeichnenden Austritt ohne Deal am 31. Oktober zu verhindern, hoffte Schieder noch auf einen Kurswechsel in London.

Karas: „Nicht der beste Eindruck“
Auf ÖVP-Mandatar Othmar Karas, eigentlich ein Parteifreund des konservativen Briten, habe Johnson „als Politiker bisher nicht immer den besten Eindruck gemacht“. Der EU-Austritt Großbritanniens, den Johnson durch seine Pro-Brexit-Kehrtwende vor dem Referendum 2016 laut Meinung der allermeisten Beobachter maßgeblich mitbefeuert hatte, richte auf beiden Seiten „großen Schaden“ an, so Karas. Johnson müsse als Premierminister „alles daransetzen, dass der Brexit nicht zur Katastrophe wird“.

Vilimsky: Brexit endlich abschließen
FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky fordert, das „Kapitel Brexit“ endlich abzuschließen. Er würde begrüßen, „wenn Johnson endlich das umsetzt, was schon Theresa May versprochen hat: einen reibungslosen Brexit, um so jenen demokratischen Volksentscheid, der vor drei Jahren von den Briten gefällt wurde, zu respektieren“.

Grüne: Johnson „steuert Land in die Katastrophe“
Für die Grünen ist das „schlimmste Szenario“ eingetroffen. „Boris Johnson ist kein integerer, umsichtiger Politiker, er verbreitet Lügen und steuert das Land in die Katastrophe“, sagte die grüne EU-Delegationsleiterin Monika Vana. Für sie wäre ein sogenannter Hard Brexit „das Schlimmste für Großbritannien und Europa“. Dass Johnson dafür die Mehrheit im Unterhaus bekommt, hält sie jedoch für unwahrscheinlich, Großbritannien steuere auf Neuwahlen zu, lautete ihre Prognose.

NEOS für zweites Referendum
Die NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon appellierte, dass „ein Brexit-Chaos ohne Deal“ am 31. Oktober nicht Realität werden dürfe. Den Briten müsse „die Chance auf ein zweites Referendum gegeben werden, ganz besonders jetzt, wo mit Boris Johnson ein Brexit-Hardliner am Ruder ist“.

Juncker und von der Leyen schaumgebremst, Trump euphorisch
Diplomatisch zeigte sich Noch-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der mit Johnson in den vergangenen Jahren das eine oder andere Hühnchen zu rupfen hatte. Er wolle mit dem neuen Premier „auf die bestmögliche Weise zusammenarbeiten“, ließ er verlautbaren. Junckers designierte Nachfolgerin Ursula von der Leyen richtete Glückwünsche aus und teilte mit, sich auf eine „gute Arbeitsbeziehung“ zu freuen. Der größte Johnson-Fan sitzt offenkundig im Weißen Haus: US-Präsident Donald Trump twitterte begeistert: „Er wird großartig sein!“

Europa-Experte: „Man wird Boris Johnson ernst nehmen müssen“
Paul Schmid von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik plädierte im krone.tv-Interview jedenfalls dafür, sich von Johnsons Eskapaden nicht blenden zu lassen. „Man wird Boris Johnson ernst nehmen müssen“, sagte er am Dienstag im Gespräch mit Interviewer Gerhard Koller.

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