Meinl-Reisinger:

Nicht nur „kinderlose Karrieristen“ an die Macht

Österreich
24.07.2019 06:00

Zweiter Teil der krone.at-„Sommergespräche“: Katia Wagner traf sich mit NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger im Wiener Café burg.ring1 zum ausführlichen Interview über die kommende Nationalratswahl. In dem Gespräch sprach die 41-Jährige, die erst vor etwas mehr als zwei Monaten aus der Babypause zurückgekommen war, über den Spagat zwischen Spitzenpolitik und Familie („ich möchte eigentlich nicht regiert werden von lauter kinderlosen Karrieristen“), die Ibiza-Affäre rund um die FPÖ („diese Partei ist für mich nicht regierungsfähig“), Probleme im Asylbereich („brauchen ein geordnetes Zuwanderungssystem“) und warum kleine Parteien wie die NEOS ohne Spenden wie jene des Unternehmers Hans Peter Haselsteiner auf Dauer keine Überlebenschance hätten. Das ganze Interview sehen Sie im Video oben.

Seit etwas mehr als einem Jahr steht Meinl-Reisinger (nach dem freiwilligen Rückzug ihres Vorgängers Matthias Strolz aus der Politik) nun an der Spitze der NEOS. Seither ist innenpolitisch viel passiert.

„Instabiler und turbulenter als ich mir gedacht hätte“
„Die Zeit war instabiler und turbulenter als ich mir gedacht hätte“, schmunzelte die Wienerin und führte dabei die Ibiza-Affäre samt Ausrufung von Neuwahlen und das Misstrauensvotum gegen die Kurz-Regierung an. Überhaupt sei es kurios, dass erst 2007 die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre erhöht wurde, aber seither bereits dreimal Neuwahlen ausgerufen wurden.

Dass sie nun früher als gedacht erstmals in ihrer Rolle als Parteichefin eine bundesweite Wahl schlagen muss, sei eine „spannende und herausfordernde Aufgabe“. Schließlich muss sie nach der Geburt ihrer dritten Tochter am 31. März den Spagat zwischen Spitzenpolitik und Familie bewältigen. Nur sechs Wochen sei sie in Babypause gewesen, was ihr teilweise auch Kritik in der Öffentlichkeit eingebracht hatte.

„Es muss gehen, in der Politik zu sein und Kinder zu haben“
„Gewünscht habe ich mir das alles so nicht. Aber es muss gehen, Familie und Beruf zu vereinbaren, diesen Spagat machen viele. Es muss auch gehen, in der Politik zu sein und Kinder zu haben. Ich will eigentlich nicht von lauter kinderlosen Karrieristen regiert werden, sondern von Menschen aus der Mitte, die eine Ahnung haben, was es heißt, Verantwortung für Kinder zu tragen. Solche Menschen möchte ich in der Politik sehen.“

Ihrer Meinung nach soll sich die Politik bzw. das Berufsleben nach dem Familienleben orientieren und nicht umgekehrt. Sie sei dankbar, dass ihr Mann derzeit in Karenz sei und ihr den Rücken freihalte. Dass sie selbst nur sechs Wochen bei ihrem Neugeborenen war, erklärte sie folgendermaßen: „Als Parteichefin ist es für mich sehr schwer, mir sechs Monate rauszunehmen. Bei einem Neugeborenen sind Liebe und Zuneigung wichtig - und die geben wir gleichermaßen.“

Koalition mit FPÖ ausgeschlossen
Fassungslos sei sie gewesen, als sie die Auszüge aus dem Ibiza-Video rund um Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und den damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus gesehen habe. „Die Korruptionsneigung Straches hat mich sehr wütend gemacht, weil Politik sauber sein muss und sich die Menschen darauf verlassen müssen, dass Politiker nur in ihrem Interesse arbeiten.“ Man habe jedenfalls erneut deutlich gesehen, dass die FPÖ nicht regierungsfähig sei. Ihre Partei schließe daher auch eine etwaige Koalition mit den Freiheitlichen aus. Mit Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz hingegen sei eine künftige Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Regierung vorstellbar.

Parteispenden sind eine Freiheit der politischen Willensbildung“
Keine schiefe Optik stellt für Meinl-Reisinger die kurz vor dem Inkrafttreten der Spendendeckelung eingegangene 300.000-Euro-Spende seitens des Unternehmers Hans Peter Haselsteiner an die NEOS dar. „Wir haben als einzige Partei Spenden immer transparent gemacht.“ Außerdem gehörten Spenden an Parteien für sie zur „Freiheit der politischen Willensbildung“.

Probleme mit „dunklen Kanälen“
Ohne die Unterstützung Haselsteiners könnten die NEOS als Kleinpartei im Match gegen ÖVP, SPÖ oder FPÖ niemals mitspielen, „weil wir ein System haben, wo sich etablierte Parteien in einer Art Selbstbedienungsladen Hunderte Millionen aus dem Steuertopf selbst gönnen“. Dieses „türkis-rot-blaue Machtkartell“ müsse daher stillgelegt werden. Ohne Spenden sei es neuen Bewegungen jedenfalls unmöglich, die Interessen der Bürger zu vertreten. Das Problem sei nur, dass Spenden bei anderen Parteien über „dunkle Kanäle“ passieren würden, wovon die Öffentlichkeit nie etwas erfahren solle. Dies würde auch das mittlerweile neue Parteienfinanzierungsgesetz nicht verhindern.

Für geordnetes Zuwanderungssystem in Österreich
In Sachen Asylpolitik sprach sich Meinl-Reisinger für ein geordnetes Zuwanderungssystem in Österreich aus. „Wir sollen uns aussuchen können, wer zu uns kommt und wer nicht.“ Kritik fand sie für das von der alten türkis-blauen Regierung beschlossene Aus für die Lehre für Asylwerber. „Es gibt nicht genügend Fachkräfte, im Tourismusbereich etwa pfeifen viele Betriebe aus dem letzten Loch.“ Vorstellbar wäre für Meinl-Reisinger, dass junge Asylwerber ihre Lehre zunächst abschließen und dann noch zwei Jahre in Österreich bleiben dürfen. „Dann gehen die Menschen wieder nach Hause und behalten Österreich in guter Erinnerung.“

Die NEOS-Chefin ist für eine offene Gesellschaft, die sich allerdings auch gegen Feinde von außen zur Wehr setzt, „egal ob von einem Identitären oder einem Anhänger einer radikalen Strömung des Islam“.

Hier können Sie das erste krone.at-„Sommergespräch“ mit FPÖ-Chef Norbert Hofer im Tower des Wiener Flughafens nachlesen. 

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