Wahlen in Griechenland

Linkspolitiker Tsipras droht das politische Ende

Ausland
07.07.2019 15:39

Erstmals seit der Abwendung des Staatsbankrotts wählt Griechenland am Sonntag ein neues Parlament. Nach Einschätzung von Meinungsforschern steht das Land vor einem politischen Machtwechsel. Mit einem Sieg des linken Ministerpräsidenten und Chef der Syriza-Partei, Alexis Tsipras, rechnet niemand mehr. Als Favorit gilt die konservative bisherige Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) unter ihrem Präsidenten Kyriakos Mitsotakis.

Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr werden Prognosen auf der Grundlage von Befragungen nach der Stimmabgabe erwartet. Mit aussagekräftigen Hochrechnungen wird gegen 21 Uhr gerechnet. Da das griechische Wahlrecht der Partei, die als stärkste Kraft aus der Wahl hervor geht, 50 zusätzliche Mandate einräumt, könnte ND mehr als die Hälfte der 300 Parlamentssitze gewinnen. Syriza würde demnach mit 72 bis 80 Sitzen in die Opposition gehen müssen.

Mitsotakis: „Heute nehmen die Griechen ihre Zukunft in die Hand“
„Heute nehmen die Griechen ihre Zukunft in die Hand. Morgen wird ein besserer Tag für unser Land sein“, sagte Mitsotakis am Sonntag nach der Stimmabgabe. Der Chef der Konservativen hat den Wählern versprochen, die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Er will Steuern und Abgaben für Unternehmen senken, die Bürokratie entschlacken und ausländische Investitionen erleichtern. Erst dann könne man auch wieder über mehr Sozialleistungen nachdenken, hatte er im Wahlkampf immer wieder betont.

Tsipras: „Positiven Kurs des Landes nicht stoppen“
Tsipras wandte sich am Morgen bei der Stimmabgabe vor allem an die jungen Leute und rief sie auf, wählen zu gehen. „Wir entscheiden heute über die nächsten vier Jahre unseres Lebens“, sagte er. Die Wähler sollten dafür stimmen, den eingeschlagenen, positiven Kurs des Landes nicht zu stoppen. Im Wahlkampf hatte er eindringlich vor einem „neuen Liberalismus“ gewarnt. Er werde sich ebenfalls der vernachlässigten Mittelklasse und der Wirtschaft widmen, aber „unter sozialen Aspekten“. Tsipras hatte stets betont, dass seine Regierung das hoch verschuldete Land aus der Krise geführt habe.

Rückgang der Arbeitslosigkeit, aber höchste Gesamtverschuldung in Eurozone
Im August 2018 verließ Griechenland den Euro-Rettungsschirm. Die Arbeitslosigkeit ist in Tsipras‘ Regierungszeit von 26 auf 18 Prozent gefallen. Mit fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist die griechische Gesamtverschuldung aber weiterhin bei weitem die höchste in der Eurozone. Bei der Europawahl Ende Mai wurde seine Partei abgestraft. Tsipras ließ die für Oktober angesetzten Parlamentswahlen vorziehen. Nun droht ihm die Abwahl. Den Umfragen zufolge dürfte der ND-Chef Mitsotakis den jüngsten griechischen Regierungschef der Nachkriegszeit im Amt ablösen.

In Griechenland gibt es keine Briefwahl
Wahlberechtigt sind rund zehn Millionen Bürger. Das verwirrt zunächst, weil Griechenland nur knapp elf Millionen Einwohner hat. Allerdings gibt es mehr als drei Millionen griechische Staatsbürger, die im Ausland leben - vor allem in den USA, in Australien und Kanada, aber auch in Deutschland, wo rund 375.000 Griechen leben. Weil es in Griechenland keine Briefwahl gibt, fallen ihre Stimmen weg, es sei denn, sie reisen eigens zur Wahl in die Heimat. Zudem wird vermutet, dass in griechischen Wahllisten bis heute etliche Verstorbene aufgeführt sind, was die Zahl der potenziellen Wähler ebenfalls verfälscht. Griechische Medien gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Wahlberechtigten bei rund 6,5 Millionen liegt.

20 Parteien stehen zur Wahl
Diese Wähler konnten sich am Sonntag zwischen 20 Parteien entscheiden. Allerdings dürften voraussichtlich nur fünf bis sieben ins Parlament kommen. Nach der konservativen Nea Dimokratia und der linken Partei Syriza von Tsipras dürfte die sozialdemokratische Bewegung des Wandels auf Platz drei landen. Es wurde erwartet, dass es auch die kommunistische Partei KKE und die rechtsextreme Goldene Morgenröte über die in Griechenland geltende Drei-Prozent-Hürde schaffen. Bangen mussten die neue Partei des ehemaligen griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis, MeRA25, und die rechtspopulistische Griechische Lösung.

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