Kritik an Rechnungshof

Nehmen Sie‘s persönlich, Frau Präsidentin?

Österreich
07.07.2019 14:45

Misstrauen aus Parteien, Zweifel an der Unabhängigkeit: Am Rechnungshof wurde diese Woche heftig gerüttelt. Die Präsidentin des obersten Kontrollorgans der Republik, Margit Kraker, spricht im „Krone“-Interview über politische Ablenkungsmanöver, Schützenhilfe der Kanzlerin und ihren robusten Charakter.

Ein goldbraunes Hochhaus am Wiener Donaukanal, Sitz des Österreichischen Rechnungshofes. Das Büro der Präsidentin ist im vorletzten 15. Stock, mit Blick in den Westen der Stadt, über Weinberge und Wienerwald. Margit Kraker trägt ein elegantes schwarzes Kleid, sie kommt gerade von einem Gespräch mit Kanzlerin Brigitte Bierlein. Ein Bild des Künstlers Josef Mikl in den Farben Feuerrot, Kürbisgelb und Schwarz dominiert den Raum. „Es strahlt so viel Kraft aus“, sagt Kraker. Die hat sie diese Woche auch gebraucht. Nach Ibiza kommen zwar strengere Regeln für Großspender von Parteien, aber volle Einsicht und Prüfrechte für den Rechnungshof lehnen SPÖ und FPÖ ab. Stattdessen gab’s rot-blaue Attacken.

„Krone“: Frau Präsidentin, Herbert Kickl (FPÖ) meinte, der Rechnungshof sei ein Organ der ÖVP,Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) findet keinen Unterschied zwischen Wirtschaftsprüfern und Rechnungshof-Prüfern. Worüber haben Sie sich mehr geärgert?
Margit Kraker: Grundsätzlich muss ich als Rechnungshofpräsidentin einiges aushalten. Ich werfe deshalb nicht alles in die Waagschale. Solche Aussagen richten sich ohnehin von selbst. Man muss sie als das bewerten, was sie sind. Ein Ablenkungsmanöver, warum echte Kontrolle durch den Rechnungshof nicht gewollt ist, ein untaugliches Ablenkungsmanöver.

Und warum, glauben Sie, wehren sich SPÖ und FPÖ so?
Da geht es um etwas Grundsätzliches. Gibt es den Mut zu echter Kontrolle? Derzeit können wir bei den Rechenschaftsberichten der Parteien nur nachfragen, wir haben also kein echtes Prüfrecht. Deshalb stellt sich schon die Frage: Wie lückenlos ist das neue Gesetz? Das werden wir uns ganz genau anschauen. Wie wird es vollzogen, wo gibt es noch Schwachstellen?

Sie haben sich darüber mit Bundeskanzlerin Bierlein unterhalten. Herausgekommen ist dabei aber nichts Wesentliches. Enttäuscht?
Nein, denn das beschlossene Gesetz ist ja ein erster Schritt. Die Kanzlerin hat betont, dass sie den Dialog fortsetzen will. Wenn die Bundeskanzlerin das unterstützt, dann kommt vielleicht eine Phase, in der man sich wieder systematisch der Frage der Rechnungshofkontrolle widmen kann. Das ist letztlich eine politische Entscheidung, für die die Politiker aber dann auch die Verantwortung übernehmen müssen. Der Rechnungshof hat da einen klaren Standpunkt. Wir erachten unsere derzeitige Rolle als nicht ausreichend.

Apropos Dialog: Die SPÖ-Chefin hat erklärt, es gebe in dieser Sache ohnehin Gespräche mit Ihnen. Wie sind die gelaufen?
Es gab ein klärendes Gespräch. Die SPÖ-Vorsitzende hat mir dabei zugesichert, dass die jetzige Reform nur ein erster Schritt ist. Und dass sie nach den Wahlen über die Verschärfung der Kontrolle gesprächsbereit ist.

Aber solange ist eine Konstruktion, wie Heinz-Christian Strache sie im Ibiza-Video ausgeführt hat - Gelder am Rechnungshof vorbei über Vereine zu Parteien schleusen- weiterhin möglich?
Leider. Der Rechnungshof hat sofort nach dem Ibiza-Video einen Fünf-Punkte-Plan ausgearbeitet. In dieser Brisanz und Schnelligkeit wäre das sonst nicht passiert. Wie gesagt, die Prüfung des Rechnungshofes würde natürlich sicherstellen, dass Umgehungen nicht stattfinden.

Ist die Politik käuflich?
Das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, wir brauchen einfach faire Wettbewerbsregeln und die Garantie, dass man sich an die Regeln auch hält. Parteispenden an sich sind ja nichts Schlechtes, aber sie müssen transparent sein, die Bevölkerung muss wissen, wie sich Parteien finanzieren und welche Beziehungen sich daraus ergeben.

Nehmen Sie die Kritik, die nun am Rechnungshof laut wurde, eigentlich persönlich?
Natürlich ist es mir lieber, wenn große Zustimmung da ist, das hat jeder Mensch lieber. Aber hier geht es nicht um meine Person, sondern um den Rechnungshof und die Frage der Unabhängigkeit. Wenn daran gerüttelt wird, trifft es mich schon. Weil ich nicht glaube, dass man uns misstraut. Wir haben ausgezeichnete Vertrauenswerte in der Bevölkerung.

Führen Sie es auf den Wahlkampf zurück, wo nicht immer guter Stil gelebt wird?
Ja, in dieser Phase ist es tatsächlich schwieriger, sachlich zu diskutieren. Ich erwarte von den Parteien, dass sie den Rechnungshof nicht in den Wahlkampf hineinziehen. Hier geht es auch um 300 Mitarbeiter einer Expertenorganisation, die jede Woche neue Prüfberichte herausbringt.

Es wurde Ihnen auch vorgehalten, dass Sie aus der ÖVP kommen. Kann man seine Herkunft einfach ablegen?
Natürlich nicht. Aber ich habe vom ersten Tag an unabhängig, objektiv und überparteilich agiert. Ich habe meine Mitgliedschaft, als ich gewählt wurde, ruhend gestellt. Ich bin für 12 Jahre gewählt, in dieser Zeit wechseln parlamentarische Mehrheiten, in dieser Zeit wechseln Regierungen. Es gibt ja auch andere politische Zusammensetzungen auf Bundesebene und auf Landesebene. Jede Partei ist irgendwo Regierungspartei, jede Partei ist irgendwo Oppositionspartei. Die lange Funktionsperiode garantiert und sichert Unabhängigkeit. Ich bin niemandem verpflichtet, mir liegt der Parlamentarismus am Herzen, ich bin gesprächsfähig in alle Richtungen, ich nehme meine Arbeit sehr ernst.

Könnte es sein, dass man Sie unterschätzt?
Ich bin eine Anhängerin von ruhigen, sachlichen Diskussionen. Das mag auf manche so wirken, als sei ich geduldig oder sogar nachsichtig, aber man darf mich nicht unterschätzen. Denn ich bin vielleicht umgänglich im Ton, aber konsequent und ausdauernd in der Sache. Im Umgang ist mir vor allem der Respekt vor der Institution des Rechnungshofes wichtig.

Ist jemand, der im Job für Kontrolle zuständig ist, privat eigentlich auch so? Oder können Sie da auch einmal fünf gerade sein lassen?
Wenn Sie meine Söhne fragen, dann würden die schon sagen, dass der Job hundertprozentig zu mir passt. - Lacht. - Sie halten mich für einen Kontrollfreak. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu meinen Kindern, auch zu den erwachsenen Söhnen meines Mannes.

Was haben Sie ihnen mitgegeben?
Durchhalten, nicht jammern! Ich habe viel Verständnis, wenn jemand nicht in der Lage ist, Leistung zu bringen. Aber ich habe wenig Verständnis, wenn jemand einfach nicht sein Bestes geben will, obwohl er könnte.

Was war der Moment, wo Sie wussten, dass Sie Juristin werden wollen?
Ich musste mich zwischen Medizin und Jus entscheiden. Ein Grund, warum es Jus wurde, war die kürzere Studiumsdauer. Aber eigentlich wollte ich wissen, wie der Staat funktioniert. Das war das stärkere Motiv.

Wissen Sie das heute?
Über weite Strecken schon. Ich habe sowohl in der Gesetzgebung, als auch in der Verwaltung und in der Kontrolle gearbeitet. Und heute eben im obersten Kontrollorgan der Republik. Da bekommt man schon immer mehr Einblick, was im Staat abläuft.

Ein wichtiges Kriterium beim Rechnungshof ist auch Sparsamkeit. Sind Sie schon einmal ins Spielcasino gegangen?
Ich war einmal privat eingeladen und bekam beim Eintritt ein paar Gratis-Jetons. Die habe ich gleich verschenkt. Mir wäre es unangenehm zu spielen. Nur ab und zu kaufen mein Mann und ich einen Lottoschein. - Lacht.

Was soll man einmal über Margit Kraker sagen?
Sie war eine Frau, die fähig war, sich durchzusetzen, aber dabei immer freundlich geblieben ist.

Justistin und Patchworkmutter:
Geboren am 9. November 1960 in Zeltweg. Der Vater ist beim Bundesheer, die Mutter Hausfrau. Kraker studiert Jus und arbeitet neun Jahre lang als Parlamentsjuristin in Wien. Ab 1996 ist sie beamtete Leiterin des ÖVP-Landtagsklubs, von 2000 bis 2013 leitet sie das Büro von Hermann Schützenhöfer in Graz, dort ist sie auch Landesamtsdirektor-Stellvertreterin. Ab 2013 ist Kraker Direktorin des steirischen Landesrechnungshofes, am 9. Juni 2016 wird sie Nachfolgerin von Josef Moser als Präsidentin des Rechnungshofes. Verheiratet in zweiter Ehe mit Norbert, Vizerektor der Pädagogischen Hochschule in Baden. Ihr Mann bringt zwei erwachsene Söhne in die Ehe mit, sie selbst hat ebenfalls zwei erwachsene Söhne.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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