„Prost!“

Tour de Geuze: Ein Königreich für ein Bier

Reisen & Urlaub
09.07.2019 06:45

Neben süßen Pralinen und goldbraunen Pommes steht Belgien auch für ausgezeichnetes Bier. Dass das nicht immer so schmeckt, wie man es kennt, zeigt die „Tour de Geuze“.

Alle zwei Jahre, seit 1997, findet diese außergewöhnliche Tour für Bierliebhaber in Belgien statt – genauer gesagt in der Hauptstadt Brüssel und in den südlich davon gelegenen Ortschaften. Jeweils im Frühling, damit das recht launische belgische Wetter nicht von dem kulinarischen Event abschreckt. Hierzulande noch relativ unbekannt, zieht die „Tour de Geuze“ im Königreich viele magisch in die Bierhäuser. Die Uhren ticken hier noch anders. Große Brauereien sind in der Gegend eher die Ausnahme. Stattdessen bildete sich eine ganz spezielle Bierkultur – nämlich die der Lambik- und Geuze-Biere. Mit organisierten Bussen werden Besucher von Brauerei zu Brauerei gefahren – und tauchen in eine neue Welt ein.

Bier ohne Zucker
Wer vor allem Pils und Märzen zu seinem üblichen Repertoire zählt, wird vom gewöhnungsbedürftigen Geschmack dieser Spezialitäten reichlich überrascht sein. Handelt es sich dabei doch um spontan vergorene Biere. Mit altem Hopfen werden diese teils unter abenteuerlichen Bedingungen gelagert und mit mittelalterlich anmutenden Gerätschaften gebraut. Ein Schluck davon reicht, und man lernt eine unbekannte Seite des Getränks kennen. Denn es schmeckt im Gegensatz zum kühlen Blonden recht trocken. Das Glas ist voll, und doch fehlt jegliche Schaumkrone, auch Kohlensäure wird man darin nicht finden. Im Brauprozess wird dafür gesorgt, dass dem Bier jegliche Restsüße entnommen wird.

Zucker ist nicht enthalten, nur mit Früchten wird experimentiert. Wodurch man eines der spannendsten Getränke des Landes erhält: das sogenannte Kriek-Bier. Es ist rot, bekommt die Farbe durch Krieken – Weichseln, die dem Bier ein fruchtiges Aroma geben. Nimmt man an der „Tour de Geuze“ teil, wird eines schnell klar. Das politisch so zwischen Flamen und Wallonen zerrissene Land ist sich auch beim Bier nicht einig. Denn neben seit Jahrhunderten mit Technik aus der Zeit längst vergangener Generationen arbeitenden Brauereien drängt auch die Jugend in den Vordergrund.

Zwischen Tradition und Moderne
Wer mit dem Bierbus in den Norden Brüssels reist, findet ein wenig charmantes Gewerbegebiet vor. Doch in einer unscheinbaren Halle befindet sich En Stoemelings. Die Brauerei ist eines dieser aufstrebenden, jungen Unternehmen. Anfangs nur als Hausbrauer tätig, begannen zwei Freunde, ihre Biere zu vermarkten. Die Tanks wurden zu klein, das Geld musste mittels Crowd-Funding-Aktion her. Und da die Belgier ihr Bier besonders lieben, klappte das auch. Unweit, mitten im Herzen der Stadt, hatten junge Männer gar die Idee, jeden sein eigenes Bier brauen zu lassen.

„Beerstorming“ heißt das Projekt, das sich hinter einem Schaufenster verbirgt. „Nehmt euch erst mal ein Bier!“ Mit diesen sympathischen Worten lädt der Gründer ein. Was darauf folgt, lässt das Herz jedes Bierfreundes höherschlagen. 100 Liter werden an dem feuchtfröhlichen Abend mit Essen und jeder Menge Bier hergestellt. Selbstverständlich ganz nach den Wünschen der Besucher, mit eigenem Etikett. Danach werden die Biere von einer Jury verkostet, die besten kommen mit etwas Glück sogar in den Handel. Solche Ideen sind ein Sinnbild des Kampfes zwischen Tradition und Moderne. Denn andererseits wird in der Stadt noch in uralten Gebäuden und verstaubten Dachböden Bier gebraut – ohne Rücksicht auf ständiges Desinfizieren. Geht etwas kaputt, muss man es herrichten. Ersatzteile sind Mangelware. Einmal gebraut, lagern die Lambik-Biere in riesigen Fässern und gären vor sich hin. Extrem lange im Gegensatz zu gängigen Sorten, oft mehrere Jahre.

Kulinarische Höhenflüge
Bei all dem Bier sollte man sich als Tourist aber auch Zeit nehmen, die unglaubliche Vielfalt Belgiens zu erkunden. Denn an fast jeder Straßenecke warten kulinarische Schmankerl, natürlich stets mit dem passenden Glas abgestimmt, auf Feinschmecker. Keinesfalls entgehen lassen sollte man sich die goldbraunen Pommes frites. Meist werden sie in riesigen Schüsseln von Tisch zu Tisch gebracht und auf die Teller verteilt. Auch Muscheln stehen hoch im Kurs und überzeugen neben der doch sehr deftigen landesüblichen Hausmannskost.

Wer die Stadt erkunden will, kommt nicht an den großflächig angebrachten Wandmalereien vorbei. Diese zieren teils gesamte Hausfronten, daneben werden auch Zebrastreifen und Alltagsgegenstände gern kunstvoll verziert. Der Hauptplatz Brüssels (Grand-Place bzw. Grote Markt) lässt mit dem gotischen Rathaus und seinen barocken Fassaden staunen, ein Spaziergang durch die kleinen Gassen lohnt sich allemal. Wer es lieber moderner mag, sollte neben dem berühmten Atomium das EU-Viertel besuchen. Das politische Herz Europas beeindruckt neben seinem Parlament auch mit weiteren architektonisch interessanten EU-Gebäuden.

Grünflächen laden zum Verweilen ein, und königliche Spuren lassen sich in zahlreichen Museen und Altbauten finden. Aber auch im Fußball: Denn ein Aufenthalt in Belgien voller Hopfen und Malz lässt sich bestens mit dem Besuch eines Spiels abrunden. Bei Vereinsnamen wie Royal Sporting Club Anderlecht weht sogar im Stadion ein Hauch von königlicher Atmosphäre. In jedem Fall ist Brüssel für jeden Wochenendtrip ein absolutes Highlight - vor allem aber werden Liebhaber der Bierkultur das Land mit seiner Fülle an für den Gaumen unbekannten und hochinteressanten Geschmäckern nur allzu ungern wieder verlassen.

Stefan Steinkogler, Kronen Zeitung

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