Kinderbetreuung

Wenn der Sommer zur Herausforderung wird

Tirol
06.07.2019 09:00
Wenn sich die großen Türen der Schulen und Kindergärten öffnen, stürmen Tausende Kinder in die langen Ferien. Während der Sommer für die Kleinen die große Freiheit bringt, ist er gerade für berufstätige Eltern mit sehr viel Stress verbunden. Öffnungszeiten, Schließtage und Co. erfordern eine ordentliche Portion Planung.

„Kurz und knapp: Es mangelt an allem.“ So lautet der erste Eintrag auf die Frage, wie Eltern die Kinderbetreuung in Tirol erleben. Rund 20 Mütter folgten dem Aufruf der „Tiroler Krone“, ihre Situation aus der Praxis zu schildern. Der Tenor ist einhellig: Es sei schon sehr viel besser, als noch vor ein paar Jahren, aber es gebe noch immer Luft nach oben.

Mehr als 37.671 Kinder unter 15 Jahren besuchen in Tirol laut aktueller Statistik derzeit 1189 Einrichtungen. Das sind beinahe 5000 mehr als noch vor fünf Jahren. Das Land unterstreicht den Ausbau des Angebots. In der Realität gibt es aber trotz Ausbau noch immer große Lücken.

Schilderungen von Müttern aus der Praxis
So schildert eine Polizistin aus dem Unterland: „Ich arbeite oft in 12 Stunden-Schichten, das ist während der Schulzeit kein Problem, weil die Kinder im Unterricht sind und danach ein paar Stunden von einer Tagesmutter betreut werden. Im Sommer aber ist es so gut wie unmöglich, eine Betreuung für 12 Stunden zu finden.“ Dabei arbeite sie in Teilzeit und habe an Wochenenden Unterstützung durch den Vater der Kinder.

„Als ich vor 13 Jahren ins Pitztal gezogen bin, war die Kinderbetreuung eine Katastrophe“, erinnert sich eine andere Mutter. Mittlerweile sei es sehr viel besser – trotzdem: „Ohne die Oma geht es nicht.“ Ein Satz, der von vielen Müttern fällt. Schließtage, Öffnungszeiten und Krankheitsfälle der Kinder – das wäre ohne Großeltern nicht zu bewältigen.

„Ich bin froh, dass es überhaupt etwas gibt“
„Ich bin froh, dass es in unserer Gemeinde überhaupt eine Betreuung gibt“, schildert eine Mama. „Allerdings weichen die Zeiten der Kinderkrippe von jenen des Kindergartens ab, Ferien sind analog zu den Schulferien, bis auf den Sommer, da gibt es immerhin sechs Wochen Gemischtbetreuung. Ich bin daher auf Großeltern und einen kulanten Arbeitgeber angewiesen, um Ferienzeiten zu überbrücken.“

Kinder und Karriere – ein Spagat für die Eltern
In der Stadt sei es besser als in ländlichen Gebieten, Vollzeitstellen sind für viele Mütter aber nach wie vor schwierig. Kinder und Karriere – das kostete einige der Frauen auf Nachfrage nur ein müdes Lachen. „In Wahrheit ist das ein Spagat, bei dem immer eine Seite zu kurz kommt“, bringt es eine weitere Mama auf den Punkt. „Ich muss pünktlich um 12 Uhr Feierabend machen, damit ich mein Kind rechtzeitig abholen kann. Komme ich zu spät, ernte ich schiefe Blicke.“

Eine weitere Mutter sagt: „Ich kann mein Kind erst ab 8 Uhr in die Schule bringen – und komme somit schon zu spät zur Arbeit.“ Das gehe bei Kindergartenkindern morgens noch einfacher, aber da ist in ihrer Gemeinde wiederum ab 14 Uhr Schluss. „Wenn man niemanden hat, der flexibel ist und im Notfall einspringen kann, dann geht es nicht.“

20 Mütter aus Tirol – aber zum Großteil eine Meinung. Immer wieder wurden auch hohe Betreuungskosten angesprochen. Aber es gab auch Positives: So sprachen einige Frauen davon, dass man nicht verallgemeinern dürfe, denn jede Gemeinde regle das anders. Dabei wurden durchaus auch gut funktionierende Beispiele genannt. Eine weitere Gemeinsamkeit gab es dennoch: Alle Mütter wollten anonym bleiben. Bei einigen sei die Angst groß, entweder von Arbeitgebern oder aus dem privaten Umfeld verurteilt zu werden. Auch interessant: Väter haben sich auf die Anfrage keine gemeldet. Zugegebenermaßen, der Aufruf war in einer Gruppe, die sich an Mütter richtet – eine vergleichbare für Väter gibt es aber gar nicht.

„Dieses Geld ist gut investiert“
Landesrätin Beate Palfrader im Interview

Wie die aktuelle Kinderbetreuungsstatistik des Landes Tirol zeigt, gibt es 63 Kinderkrippen, 19 Horte und 16 Kindergärten mehr als noch vor fünf Jahren (siehe Grafik, Seite 18). Trotzdem räumt auch die zuständige ÖVP-Landesrätin Beate Palfrader ein, dass noch einiges zu tun ist.

Warum gibt es trotz Ausbau noch immer Lücken?
Die Entscheidung, ob ausgebaut wird, liegt bei den Gemeinden. Das Land kann nur durch Förderungen Anreize schaffen. Seit dem Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz von 2010 hat sich aber viel getan. So gibt es etwa heuer 1200 Kindergärten, im Jahr 2010 waren es noch 958.

Bis zum flächendeckenden Ausbau ist es ein weiter Weg.
Ja, das streite ich auch nicht ab. Man muss aber auch sagen, dass es gerade im Sommer sehr oft gemeindeübergreifende Maßnahmen gibt, die so in der Statistik nicht aufscheinen.

Immer wieder heißt es, Tirol schneidet im Bundesländervergleich schlecht ab...
Wir sind sicher nicht Schlusslicht. Es haben zum Beispiel 75 Prozent aller Einrichtungen in Tirol bereits um 7.30 Uhr geöffnet, in Vorarlberg sind es 69, in Oberösterreich 76 Prozent. Da kann Tirol den Vergleich locker antreten. Die Stadt Wien ist sehr gut aufgestellt, aber man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.

Andererseits geht aus der Statistik auch hervor, dass nur die Hälfte aller Kindergärten nach 14 Uhr noch eine Betreuung anbietet...
Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass wir Arbeit haben. Wir bieten Förderanreize für längere Öffnungszeiten am Nachmittag und auch über die Ferien.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist mit dem Status quo für viele Familien noch nicht möglich. Wie soll das weitergehen?
Wir wollen bis 2030 weitere 4000 Betreuungsplätze schaffen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist prioritär. Das sage ich aus tiefster Überzeugung, weil ich selbst Mutter bin, die immer erwerbstätig war. Mir ist es wichtig, dass es nicht heißt: „Entweder, oder“.

Dass gerade die Vereinbarkeit immer wichtiger wird, ist ja nichts Neues. Warum ging und geht der Ausbau trotzdem nicht zügiger voran?
Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen zehn bis 20 Jahren sehr stark verändert. Da war man lange zurückhaltend. Bei einem Blick auf die Budgets wird aber auch klar, dass es in anderen Bereichen immer wieder Kürzungen gab - hier nicht. Das ist auch gut so, denn es muss selbstverständlich sein, dass dieses Geld gut investiert ist.

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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