„Krone“ vor Ort

Trümmer und Ruinen: Was von Mossul übrig blieb

Ausland
03.07.2019 06:01

Vor fünf Jahren wurde in der zweitgrößten Stadt des Irak das Kalifat des Islamischen Staats ausgerufen. In den Ruinen der einstigen Handelsmetropole schwelt aber ein Konflikt.

Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, dass der IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi in der Al-Nuri-Moschee von Mossul das Kalifat des Islamischen Staates ausruft. Der IS ist im Sommer 2014 auf seinem Höhepunkt. Die zweitgrößte Stadt des Irak, wichtige Handelsstadt am Ufer des Tigris, ist in den Händen der Terroristen.

Fünf Jahre später steht die „Krone“ vor den Trümmern der Al-Nuri-Moschee. Als sich Ende 2017 die Niederlage des IS abzeichnete, sprengten seine Kämpfer das Wahrzeichen der Stadt in der Ninive-Ebene in die Luft. Vom berühmten Minarett stehen nur noch die Grundmauern. Gegenüber der Ruine ist eine Bäckerei. Der neunjährige Tander macht sich gerade bereit, mit seinem Moped Brot auszufahren. Führerschein? Er lächelt milde. Foto will er keines machen. Die Mutter? Tot. Schwester? Tot. Großmutter. Tot. Vater? Weg. Hier, im Westteil Mossuls, kümmert man sich um sich selbst.

Bedrückendes Bild der Zerstörung
Es ist ein bedrückendes Bild der Zerstörung, wenn man durch die Straßen der einstigen Handelsmetropole spaziert. Die wenigen Geschäfte, die offen haben, verkaufen Farbe und Verputz. Um den Stadtteil zumindest ein bisschen herzurichten. Schön zu machen. Und wenn es nur mit ein paar Pinselstrichen ist.

Gefährliche Dunkelheit im Westen Mossuls
Anders die Ostseite, die früher vom IS befreit wurde. Erste Hotels und Cafés haben wieder eröffnet. Es gibt sogar einen Vergnügungspark. Am Ufer der Tigris kann man in Restaurants sitzen. Während die Ostseite hell erleuchtet ist, herrscht im Westen Dunkelheit. Und in dieser Dunkelheit lauert Gefahr. Denn der IS ist zwar militärisch besiegt. Aber weit weg war er nie.

Als 2014 eine Handvoll IS-Kämpfer die von Korruption durchsetzte irakische Armee aus Mossul vertrieben, waren nicht wenige glücklich darüber. Die Kämpfer waren nett und freundlich. Das wahre Gesicht folgte wenig später.

Die Bewohner fühlen sich im Stich gelassen
Noch heute gibt es Gegenden rund um Mossul, in die sich die Armee nicht hinwagt. Dorfbewohner müssen sich mit den Terroristen arrangieren. Sie fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen. Wie die Menschen in West-Mossul. Ex-Regierungschef Haider al-Abadi war 2017 einen Tag in Mossul, der aktuelle Ministerpräsident Adel Abdul-Mahdi und Staatspräsident Barham Salhi wurden im März 2019 von einer aufgebrachten Menge vertrieben. Diese skandierte: „Korruption, Korruption. Haut ab, ihr Gauner!“

„Wo ist die irakische Regierung?“
Was war passiert? Bei einem Fährunglück auf dem Tigris starben 120 Menschen. Für die Bewohner Mossuls ein Symptom für den schleppenden Wiederaufbau der Stadt. Und der erneute Beweis: Es kümmert keinen. „Nach der Befreiung war die Freude groß. Aber das ist jetzt zwei Jahre her. Wo ist die irakische Regierung?“, fragt der Politologe Renad Mansour.

Man dreht sich im Kreis. Die Regierung droht erneut, die Unterstützung zu verlieren. Wer wissen will, wohin das führen kann, soll durch die Straßen von Mossul spazieren. Oder das was davon übrig ist.

Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung

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