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Grubinger über ländlichen Raum und Großstadtleben

Salzburg
01.07.2019 05:59

Percussion-Weltstar Martin Grubinger schreibt in seiner „Krone“-Kolumne über die kleinen und großen Unterschiede zwischen Land- und Stadleben.

„Wir haben in Österreich einen starken ländlichen Raum, den wir erhalten wollen.“ Diese Botschaft verbreitete Sebastian Kurz vergangenen Freitag quer durchs Internet. Man muss wohl befürchten, ein Spruch aus der Sprücheklopfer-Abteilung seiner Partei. Soll sein. Auch die andere große Volkspartei, die SPÖ, muss endlich verstehen, dass Österreich nicht an der Wiener Westausfahrt endet.

Denn ich mache als Bewohner einer kleinen Gemeinde im Hausruck oft ganz andere Erfahrungen. Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit einer Bekannten aus dem Dorf. Ihre Tochter geht in die örtliche Volksschule und leidet unter Lernschwäche in Mathematik. Trotz großen Engagements der Lehrerin kann das Mädchen nur fallweise unterstützt werden. Die Mutter bekam auf Nachfrage die Information, dass nur eingeschränkt Hilfe möglich ist, da es keine weiteren Fälle im Ort gibt.

Würde das Mädchen in einer größeren Ortschaft oder einer Stadt in die Schule gehen, gäbe es durchgängig unterstützendes Personal für ihre Weiterentwicklung. Sie lebt aber auf dem Land - in diesem Fall also: Pech gehabt.

Vergangenen Sonntag bin ich im salzburgischen Maria Plain im Gasthof von Wirt Moßhammer eingekehrt. Dieser hat mir erzählt, dass er im ländlichen Raum die Welt nicht mehr versteht. Kaputte Straßen im Lungau, überbordende Bürokratie beim Umsetzen diverser Investitionen im eigenen Gasthaus, der Fleischhauerei und der Jagd.

Ein fleißiger Wirt, der wohl die supertollen Sprüche vom ach so tollen ländlichen Raum schwer mit der eigenen Realität in Einklang bringen kann. Und das, obwohl die Unternehmen und ihre Mitarbeiter, so sagte er mir, dem Staat in diesem Jahr die Staatskassen gefüllt haben. Nulldefizit!

Eine Leistung der Steuerzahler! Nur, wann werden wir auf dem Land Verbesserungen bemerken? Wo bleibt die Investitionsoffensive für die Provinz? Bis jetzt wurde es immer weniger. Weniger Polizisten, weniger Busverbindungen, weniger Kinderbetreuung, weniger Lehrer, weniger Zuganbindungen, weniger Ärzte, weniger Pflegepersonal.

Ein Bio-Landwirt erzählte mir, dass er gerne auf das undurchschaubare Netz an Förderungen und Vergaben verzichten würde, könnte man nur endlich mit stabilen Preisen für die eigenen Produkte planen und würde diese wertvolle Arbeit auch wertgeschätzt. Wo bleiben die Initiativen, damit die Qualitätsprodukte unserer Landwirte nicht verramscht werden müssen, sondern diese für gute Arbeit auch einen ordentlichen Preis bekommen?

Erinnern wir uns an den Anfang der 2000er Jahre. Da mussten plötzlich überall große Reformen her. Meistens waren das dann aber bloß Kürzungen querbeet. Und gekürzt wurde zuallererst dort, wo es vermeintlich unrentabel war.

Vor 15 Jahren hatte der damalige Chef der Deutschen Bahn den Auftrag erhalten, das Unternehmen fit für einen Börsengang zu machen. Es wurde auf Rentabilität getrimmt. Das Ergebnis dieser Irrfahrt bekommen deutsche Bahnkunden täglich zu spüren.

Öffentlicher Verkehr hat als Dienstleistung allen Bürgern zur Verfügung zu stehen. Klar: die Privatisierungs-Fetischisten sehen das anders. Diese fahren aber auch meist nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus dem Hausruck, sondern mit dem eigenen SUV an den Arbeitsplatz.

Und zuletzt nun noch das Thema Umwelt. Wenn man über Jahre den öffentlichen Nahverkehr kürzt, sitzen wir Landbewohner auf dem Weg in die Arbeit in unseren Autos, obwohl sehr viele gerne auch einen Beitrag zur Klimapolitik leisten würden. Also bitte : Weniger Sprüche und dafür echte Politik. Zeit wär’s.

Ihr Martin Grubinger

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