Bald neues Album

Parov Stelar: „Man muss das tun, was man spürt“

Musik
02.07.2019 07:00

Für September ist ein brandneues Album des österreichischen Weltstars Parov Stelar geplant - erst dann wird es nach einer wohlverdienten Auszeit wieder richtig oft auf die vielen Bühnen dieser Welt gehen. Mastermind Marcus Füreder verriet uns im ausführlichen Talk so einiges über das moderne Musikbusiness, sein Heimatgefühl, das kommende Album und wieso er niemals ohne digitale Instrumentierung existieren könnte.

(Bild: kmm)

15 Jahre ist es mittlerweile her, als Parov Steler mit der EP „KissKiss“ seinen großen Durchbruch schaffte und über FM4 hinweg zum Weltstar wurde. Ein Begriff, der nur selten mit einem Österreicher konnotiert ist, hier aber seine volle Berechtigung hat. Als Pionier des sogenannten „Electro-Swing“-Subgenres hat der Oberösterreicher Marcus Füreder, so sein echter Name, längst die Technoclubs, Arenen und auch Open-Air-Bühnen der Welt erobert. Vom Mühlviertel hinaus auf die Bühne des kalifornischen Coachella-Festivals. Eine Traumkarriere, die auf natürlichem Wege und ohne großes Zutun von selbsternannten Karrierehelfern erfolgte. Unabhängigkeit und Freiheit waren dem heute 44-Jährigen stets ein wichtiges Gut, wie schon bei seinen ersten elektronischen Gehversuchen kurz nach dem Millennium, veröffentlicht Füreder sein Material auch noch heute auf seinem eigenen Label Etage Noir Records.

Musik für Stimmungen
„Das Musikbusiness ist über die Jahre viel schlimmer geworden und vor allem noch viel schlimmer, als es sich die meisten Menschen vorstellen“, erklärt er uns im Gespräch. „Musik verkommt immer mehr zur Ware. Der Künstler steht im Vordergrund, ohne dass ein großes Label ein Künstlerprofil aufbaut. Wenn ein Song nicht sofort funktioniert, bist du gleich wieder weg vom Fenster. Musik wird heute nur noch für Stimmungen gemacht. Wir leben in einer Welt voller Playlists, in denen du nicht mehr nach ,Stairway To Heaven‘ von Led Zeppelin suchst, sondern allgemein nach Rockklassikern.“ Obwohl für seine Art von Musik gar nicht wirklich relevant, war dem sechsfachen Amadeus-Preisträger das klassische Albumformat immer ein Anliegen. Spotify und dergleichen sind Füreder trotz all ihrer Vorteile in gewisser Weise immer noch suspekt. „Es stellt sich gerade für junge Künstler die Frage, wie man dort so vorkommt, dass man auch bemerkt wird? Am Ende reduziert sich die Anzahl der Klicks ohnehin wieder auf die sogenannten ,Big Player‘.“

Vom Erfolgsprinzip des Electro-Swing will Füreder mit seinem voraussichtlich im September erscheinenden Album etwas abrücken. Das zeigten nicht zuletzt die ersten Single-Auskoppelungen „Gringo“ und „Trouble“, die sich deutlich aus der bisherigen Schublade herausschälen. „Für mich ist der Stilwechsel sogar das derzeitige Nonplusultra. Für Fans meines klassischen Electro-Swing wird das kommende Album wohl ein Schock werden, aber ich habe in diesem Genre wirklich alles gesagt. Als Künstler musst du dir einfach den Druck nehmen, zu glauben, man müsse immer entsprechen. Das stimmt gar nicht. Man muss einfach das tun, was du im Moment gerade spürst.“ Füreder ist seit Jahren auch emsiger Produzent bei anderen Künstlern und hat sich dabei stets aus dem Sicherheitsbereich hinausbewegt, um bewusst Experimente einzugehen. Entwicklung durch Veränderung sozusagen, die vielleicht wichtigste Prämisse des gereiften Klangtüftlers.

Fokus aufs Wesentliche
Der neuen Ausrichtung lag aber erst einmal eine verdiente Pause zugrunde - die allerdings nicht komplett freiwillig verlief. „Nach dem Festivalsommer 2018 war ich zwei Monate krank und nichts ging mehr. 40 Jahre lang habe ich immer gewusst, was ich will und wo ich hinwill, aber durch den ganzen Stress kam mir das letztes Jahr komplett abhanden. Dafür hatte ich aber Zeit, ein Resümee zu ziehen. Mittlerweile habe ich den Gedanken, was denn die anderen sagen werden, komplett abgelegt. Das war ehrlich gesagt nicht leicht, aber ungemein wichtig. Und deshalb wird das Album auch so klingen, wie es eben klingt.“ In der Krankheitsphase schärfte Füreder seinen Fokus auf das Wesentliche und fand aus dem Alltagstrott heraus, der selbst in spannende Musikerleben Einzug hält. Ein größerer Schritt Richtung Analogaufnahmen ist ebenso denkbar. „Ohne das Digitale könnte ich aber eh nicht existieren. Schon allein deshalb nicht, weil ich außer meinem Sampler kein Instrument spielen kann“, lacht der Musiker.

Über das kommende Album will er natürlich noch nicht allzu viel verraten. „Es wird elektronischer und teilweise experimenteller sein. Es gibt wenig bis gar keinen Electro-Swing, dafür aber vermehrt Hip-Hop-Anleihen. Zudem arbeite ich schon lange an einer Ausstellung, um das Album in Form von Bildern zu visualisieren. Ich will schon nach außen hin klar zeigen, dass jetzt etwas anderes von mir kommt. Mir ist es lieber, die Leute fragen sich, was der Wahnsinnige da jetzt macht, als wenn alles einfach nur dahinplätschert und es niemanden vom Sessel haut.“ Neben Nikki Williams auf dem Song „Trouble“ wird man etwa auch die holländische Sängerin Kovacs und Füreders Frau Lilja Bloom im Albumprozess finden. Ebenso zu erwarten sind einige, noch nicht näher definierte Hip-Hopper und ein Album mit eigenständigen Songs. „Es folgt jedenfalls keinem roten Faden.“

Füreder ist weit über die bloße Musik hinaus kunstinteressiert. So hat er etwa das Musikvideo zu „Gringo“ aus 1600 handkolorierten Bildern gefertigt und ist sehr aktiv im Siebdruckverfahren tätig. Der Idealismus übersteigt dabei das materielle Denken. „Man braucht nicht darüber zu diskutieren, dass 1600 handgemalte Bilder monetär nichts einbringen. Ich saß insgesamt drei intensive Monate daran, aber mir geht es darum, ein Statement zu setzen. Ich habe anfangs fünf Sekunden als Video gemacht, um es zu testen. Meine Frau meinte dann, ich würde das nie durchhalten - doch genau das hätte sie nie sagen sollen“, blickt er lachend auf den Entstehungsprozess zurück. Da die Gattin selbst im Design- und Kunstbereich tätig ist, liegt die Kreativität direkt vor der Haustüre. „Es geht bei uns beiden viel über Gespräche, was ungemein förderlich ist. Wichtig ist auch Kritik und die können wir beide üben. Niemand hat etwas vom ewigen Honig-ums-Maul-schmieren. In der Branche ist man so oft von Ja-Sagern umgeben, dass die wahren Eckpfeiler um einen herum umso wichtiger sind.“

Selbstironie vorhanden
Dass er mit Parov Stelar schon seit Jahren auf einer Erfolgswolke schwebt, ist Füreder heute bewusster als früher. „Ich bin prinzipiell kein Mensch, der an Bodenhaftung verliert und habe meinem Werk an sich nie den ganz großen Stellenwert beigemessen. Es ist viel geglückt und ich habe sicher Talent, aber es ist unheimlich wichtig, sich Selbstironie zu behalten und sich nicht zu ernst zu nehmen. Wenn man selbstreflektiert ist, kann man gar nicht mehr abheben - dafür müsste man schon Klaus Kinski sein.“ Sein privates Glück hat er mit Frau Barbara und Sohn Max mittlerweile auf Mallorca gefunden. „Es war aber nie der große Plan auszuwandern. Es hat sich so ergeben, aber wir verbringen auch noch immer wahnsinnig viel Zeit in Österreich. Ich liebe es hin- und herzupendeln, denn dann auch mein Sohn von beiden Welten etwas für sich mitnehmen.“ Heimat ist ihm dennoch wichtig. „Die ist dort, wo du dich geborgen fühlst und wo deine Wurzeln sind. Dort kann der Wind auch mal stärker wehen und es haut dich nicht um. Die Mühlviertler sind verlässlich und dort zählt noch der Handschlag. Das hat mich sehr geprägt, denn gerade im Musikbusiness ist das sehr selten geworden.“

In Österreich sind Parov Stelar vorerst nur einmal zu sehen. Und zwar morgen, am 3. Juli, mit nationalen Kapazundern wie Avec, Paenda oder Alma beim brandneuen Elwood Music Festival im oberösterreichischen Ort im Innkreis. Direktes Heimspiel also für den Vollblutkünstler. "Das ist der Startpunkt für alles Kommende und ich freue mich irrsinnig, dass eines der allerersten Konzerte mit den vielen Neuerungen daheim über die Bühne geht. Das Bühnenlayout wird komplett umgerissen und neue Songs kommen in das Set. Erstmals nach acht Jahren aber ohne Sängerin Cleo Panther, die unlängst ihren Ausstieg aus Band bekannt gab. Ihr folgt die junge Moldawierin Elena Karafizi nach. Karten gibt es unter www.oeticket.com. Am 25. Oktober ist er u.a. neben Robin Schulz und Slander beim Beatpatrol Festival im VAZ St. Pölten zu Gast.

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