Literarische Formel 1

Krux mit dem Namen: Heinz Brüller & Heinz Prüller

Formel 1
27.06.2019 21:30

Valerie Fritsch ist preisgekrönte Schriftstellerin, Reisende sowie Foto-Künstlerin und wurde mit dem Roman „Winters Garten“ (Suhrkamp-Verlag) bekannt. Hier schreibt sie über ihre Beziehung zur Formel1 und ihre erste Erfahrung mit Kommentatoren-Legende Heinz Prüller.

Meine ersten Erfahrungen mit der Welt der Formel 1 machte ich an überheißen Kinder-Sommertagen im Schatten des Wohnzimmers, die nackten, sonnenwarmen Arme und Beine am glatten Leder des Sofas kühlend. Mein Vater saß stets mit großer Begeisterung und wildem Haarschopf vor dem Fernsehapparat und verfolgte das Geschehen, bis er unter den gleichförmigen Bewegungen und den vorbeirauschenden Motorentönen mit genau derselben Begeisterung einschlief.

Ich nutzte die vorweggenommene ASMR-Erfahrung, erkannte den schnarchenden Körper als aberlustiges und geräuschvolles Sportgerät und turnte fröhlich auf den Knochen, Gelenken und dem väterlichen Bauch herum. Erwachte mein Vater wieder, hatte er immer das angenehme Gefühl, nichts verpasst zu haben, da die Autos noch immer im selben Kreis fuhren.

Sonderbares Spektakel
Wir sahen dem in meinen Augen höchst sonderbaren Spektakel gemeinsam zu, waren gebannt, und wurden nur von dem mütterlichen Unverständnis, immer im selben Kreis fahrende Autos zu beobachten, unterbrochen, wenn sie heiter den Kopf schüttelnd an uns vorüberseufzte.

Wir schauten der bloßen Geschwindigkeit zu, dem Flirren der Hitze auf dem Asphalt, den optischen Täuschungen, die die Fahrbahn abwechselnd verflüssigten und wieder erhärten ließen. Sahen ungefügige Kräfte wirken, eine Willensstärke, die man über die Runde bringen musste, die an der Ziellinie gekrönt und gekränkt von kleinen Siegen und großen Niederlagen wurde oder umgekehrt. Ich mochte die absurden Bilder von den glücklichen Männern, die kleine Siegertreppen ins Nirgendwo hinaufstiegen und sich mit riesigen Flaschen gegenseitig anspritzten, öffentlich und gänzlich bekleidet mit teuren Getränken duschten, und konnte an guten Tagen nicht umhin, abends selbst im Badezimmer, gut eingeseift, die Arme unter dem Wasserstrahl siegreich und stolz in die Höhe zu reißen.

Formel 1 ein Sport?
Es waren mysteriöse Kindheitsfernsehstunden, voller wunderschöner Missverständnisse, die sich erst mit den Jahren aufklären sollten. Dass Formel 1 ein Sport sei, verwirrte mich ein wenig, da ich stets gedacht hatte, dazu müsse man seinen Körper und nicht ein Gerät beherrschen.

Die Enttäuschung aber, dass man Heinz Prüller mit hartem „P“ und nicht mit weichem „B“ schrieb, war unermesslich, und dass der Name nicht Programm war und daher rührte, dass der Mann in höchster Aufregung komplizierte Hintergrundinformationen in den Bildschirm schrie, empörte mich zutiefst, als ich die Wahrheit erfuhr. Dem Rennzirkus blieb ich später treu, trotz aller Tatsachen.

Valerie Fritsch

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(Bild: KMM)



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