„Legales Mobbing“

Forscher fordern Aus für Völkerball an Schulen

Wissenschaft
25.06.2019 19:44

Völkerball kennt wohl wirklich jeder aus seiner eigenen Schulzeit. Forscher kritisieren nun in einer neuen Studie, dass das Ballspiel immer noch im Sportunterricht praktiziert wird - denn es sei in „Mittel der Unterdrückung“. Das Spiel lehre Kinder, ihre Mitschüler zu „entmenschlichen„ und ihnen zu “schaden“, so das Fazit der Studie, die demnächst im Fachjournal „European Physical Education Review“ erscheinen wird.

Die einen haben es geliebt, die anderen gehasst: Seit Generationen gehört Völkerball auch hierzulande zum Sportunterricht in der Schule dazu. Beim Völkerball werden zwei Teams gebildet, die sich auf zwei Hälften eines Spielfeldes gegenüberstehen, um dann die Spieler der gegnerischen Mannschaft mit einem Ball abzuschießen

Jetzt geriet das Spiel ins Visier von Wissenschaftler aus Kanada. Die Forscher wollten eigentlich ganz allgemein den Turnunterricht des nordamerikanischen Landes unter die Lupe nehmen und führten dazu Interviews mit zwölf- bis 15-jährigen Kindern. Dabei kam immer wieder Völkerball in einem negativen Kontext von Seiten der befragten Kinder zur Sprache. Vor allem das sogenannte Dodgeball schien der Mehrheit der Kinder nicht wirklich Freude zu bereiten. Es handelt sich dabei um eine aus Nordamerika kommende, nochmals verschärfte Variante, bei der mehrere Bälle gleichzeitig verwendet werden.

Viele Lehrer würden Völkerball als ein Hilfsmittel dafür sehen, Kinder auf spielerische Weise für die Gesellschaft und die „echte Welt“ zu formen, fasst Joy Butler, eine der Autorinnen der Studie, gegenüber dem Sender CBC, die gängigen Ansichten zu dem Ballspiel unter den Lehrkräften zusammen.

„Gleichzusetzen mit legalisiertem Mobbing“
Butler widerspricht diesen Ansichten vehement. „Völkerball ist gleichzusetzen mit legalisiertem Mobbing“, so die Professorin, die in Vancouver an der University of British Columbia lehrt und lange selbst als Lehrerin gearbeitet hat. Gerade die stärkeren Schüler würden das Spiel nutzen, um schwächere Klassenkameraden zu demütigen, sind die Forscher überzeugt. „Die Botschaft des Spiels ist, dass es okay ist, andere zu verletzen“, kritisiert Butler gegenüber der „Washington Post“.

Doch „Sportunterricht sollte ein Ort sein, an dem Lehrer den Schülern dabei helfen, ihre Aggressionen zu kontrollieren anstatt sie auszuleben“, betont die Professorin. Und Stephen Berg, Co-Autor und Professor für Pädagogik an der UBC Okanagan, ergänzt: „In der Schule reden wir viel über Freundlichkeit, Empathie und Mitgefühl. Im Sportunterricht verschwinden alle diese Begriffe.“

Zur Untermauerung ihrer Argumentation stellten die kanadischen Forscher die gesammelten Eindrücke der Schüler über Völkerball Theorien zu Spielarten der Unterdrückung in Justiz und Politik gegenüber - viele davon fanden sich auch in den Aussagen der Schüler wieder.

Schüler sollen Spiele entwickeln, auf die sie Lust haben
Der Appell der Forscher: Die Lehrer mögen doch bitte mehr über die Spiele im Sportunterricht nachdenken und dabei auch auf die schwächeren und stilleren Schüler achten. Als Alternative empfehlen die Wissenschaftler außerdem, dass Lehrer die Schüler selbst Spiele entwickeln lassen, auf die sie im Schulsport Lust haben. Dabei sollten sich alle Kinder gemeinsam auf die Regeln einigen.

Die verschiedenen Völkerballvarianten gehen übrigens ursprünglich - wie andere Sportarten auch - auf die symbolische Nachstellung von Schlachtfeldern zurück. Derartige Spiele finden sich deshalb auch unabhängig voneinander bei vielen Völkern.

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