Alexander Bernhuber:

„Hausverstand in Brüssel oft verloren gegangen“

Österreich
27.06.2019 06:00

Mit 27 Jahren wird Alexander Bernhuber in der kommenden Periode der jüngste österreichische Abgeordnete im EU-Parlament sein. Der Landwirt wurde lediglich vom niederösterreichischen Bauernbund unterstützt und schaffte durch das interne Vorzugsstimmensystem der ÖVP den Sprung von Listenplatz elf nach Brüssel bzw. Straßburg. Die „Krone“ hat als eines der ersten Medien mit dem Newcomer über Glyphosat, Klimaschutz, Uploadfilter und fehlenden Hausverstand gesprochen.

„Krone“: Herr Bernhuber, hätten Sie wirklich gedacht, dass Sie auf Anhieb ins EU-Parlament einziehen werden?
Alexander Bernhuber: Solche Sachen macht man ordentlich und nicht nur halb, denn dann kommt auch nur etwas Halbes heraus. Es hat sich dann auch relativ kurzfristig ergeben, dass es der Wunsch der Landeshauptfrau war, dass wir mit einem intensiven Wahlkampf kandidieren sollen, mit dem Ziel, dass mit Lukas Mandl und mir auch beide niederösterreichischen Kandidaten ins EU-Parlament einziehen. Als die Kandidaten präsentiert wurden, haben wir darauf hingearbeitet, ein wirklich sehr respektables Ergebnis zu erzielen, was ja auch gelungen ist.

Wie ist es beim Rest des Bauernbundes angekommen, dass die Niederösterreicher ausscheren und einen eigenen Kandidaten stellen?
Natürlich hat es am Anfang einen gewissen Gesprächsbedarf gegeben und es hat vielleicht auch für ein bisschen Verwunderung gesorgt. Aber mittlerweile ist das alles kein Problem. Ich bin auf der Bundesliste gestanden und werde für alle Bauern in ganz Österreich arbeiten und nicht nur für Niederösterreich da sein.

Die Kandidatur ist doch recht überraschend gekommen, oder? Schließlich wurden Sie erst kurz davor Bundesleiter der Landjugend und haben diese Funktion dann wieder zurückgelegt.
Zu der Zeit, zu der ich Bundesleiter geworden bin, hab ich das noch nicht gewusst. Sonst hätte ich mich vielleicht auch anders entschieden. Es war natürlich überraschend, so eine Chance bekommt man nicht jeden Tag - auch nicht, Bundesleiter zu werden -, aber wir haben dann diese Lösung gefunden. Durch meinen Job beim Bauernbund war ich in Funktionärskreisen schon bekannt und auch durch die Landjugend kennt man die obersten Bereiche in der Landwirtschaftskammer schon ein bisschen. Der breiten Bevölkerung war ich vielleicht eher weniger bekannt.

Wie sehr hat sich der Tagesablauf geändert? Das ist ja doch ein großer Einschnitt …
(lacht)
Mit der Kandidatur ist es dann rundgegangen. Wie gesagt, war ich nicht so bekannt. Es waren alleine von Ende März bis zum Wahltag weit über 130 Termine. Der letzte Tag, den ich ganz zu Hause verbracht habe, war der Ostermontag. Danach war ich bis zum Wahltag jeden Tag unterwegs. Es war eine sehr intensive Zeit mit wenig Schlaf, aber wir hatten ein super Team. Es hat mir auch wirklich viel Freude bereitet, bei den Leuten zu sein. Wir waren in 30 bis 40 Rinderställen unterwegs, was eine wahnsinnig tolle Erfahrung war. Ich hab sehr viele Menschen kennengelernt.

Nach der Wahl war sehr wenig Zeit für Pause. Gleich in der Woche nach der Wahl ist es nach Brüssel gegangen, wo es die ersten Fraktionssitzungen und Treffen gab. Mittlerweile hab ich auch schon ein Büroteam für Brüssel zusammengestellt. Bis Ende Juli geht es jetzt jede Woche entweder nach Brüssel oder Straßburg, wo die ganzen konstituierenden Sitzungen sind.

Sie haben es gesagt, Sie sind nicht viel zu Hause. Wie wird die Arbeit zu Hause am Hof weitergehen?
Damit man so etwas machen kann, muss auch am Betrieb zu Hause alles passen. Ich bekomme da große Unterstützung von meinen Eltern und von meinem Bruder, der jetzt im Sommer dann sicher etwas mehr Zeit hat. So lässt sich alles unter einen Hut bringen.

Sie sind in Ihrer Heimatgemeinde Kilb auch im Gemeinderat. Wird das so bleiben?
Auf jeden Fall bis zum Ende der Periode und dann werden wir gemeinsam mit dem Bürgermeister entscheiden, was die beste Entscheidung ist. Aber es widerspricht das eine dem anderen nicht. Man darf ja Mitglied im Gemeinderat und im EU-Parlament sein.

Mit 27 Jahren sind Sie der jüngste österreichische Abgeordnete in der kommenden Periode. Wie wollen Sie sich für die Jugend einsetzen?
Gerade für die Jugend ist Europa ein großes Zukunftsthema. Ich bin im Ausschuss Kultur und Bildung, wo auch der ganze Bereich Jugend hineinfällt, mit den Erasmus-Programmen. Mir ist ganz wichtig, dass solche Programme nicht nur Studierenden zukommen, sondern dass man auch in einer Lehre woanders hingehen kann. Ich war selbst auf Auslandspraktikum in Dänemark, das war sicher auch mit ein Grund, warum ich dann solch einen Weg eingeschlagen habe. Die Chance, einmal in seinem Leben in ein anderes Land zu gehen und dort ein paar Monate zu bleiben, sollte man jedem geben können. Egal aus welcher Schicht er kommt.

Gerade wenn es um so große Fragen wie den Klimawandel geht, muss man zusammenhalten. Das betrifft auch uns Junge am meisten, da muss man auch mal die ein oder andere mutige Forderung stellen dürfen und schauen, dass da etwas weitergeht.

Haken wir gleich beim Thema Klimawandel ein: Was könnte man unternehmen, um die Erderwärmung aufzuhalten oder zumindest zu verzögern?
Es ist mir wichtig, dass nicht jedes Land seine eigenen Forderungen und Lösungen hat. Damit werden wir nicht glücklich sein. Wir können in Österreich Vorzeigeland sein und sagen, wir besteuern CO2, und als Schlussfolgerung sperrt die VoestAlpine zu, während zur selben Zeit in China zwei neue Werke aufsperren und wesentlich mehr CO2 ausstoßen. Ich habe gemerkt, dass es für sehr viel Unverständnis sorgt, dass wir bei der Besteuerung von Flugbenzin keine europaweite Lösung haben. Das wird auch nicht funktionieren, wenn man da keine gemeinsame Lösung anstrebt.

Sie haben es schon angesprochen: Eine Kerosinsteuer wäre vonseiten der EU erlaubt, aber nur die Niederlande haben sie umgesetzt. Sollte man da etwas machen? Nach Berlin zu fliegen ist ja billiger, als mit dem Zug zu fahren.
Ja, das sorgt für Unverständnis. Bahnfahren soll grün sein und ist wahnsinnig teuer. Das kann so nicht sein. Aber wenn wir nur in Österreich eine Kerosinsteuer einführen, fahre ich nach Bratislava und fliege von dort weg. Es geht aber auch um den Wirtschaftsstandort, daher wird es nicht funktionieren, das nur in Österreich einzuführen.

Noch einmal zurück zur Jugend. Sie haben schon gesagt, dass Europa generell ein wichtiges Thema für die Jugend ist. Woran könnte es liegen, dass die EVP im Vorjahr - vor allem in Deutschland - bei den Jungen nicht so gut abgeschnitten hat?
Ich würde mich vielleicht auch freuen, wenn es auch junge Kollegen aus Deutschland gäbe, aber das ist deren Entscheidung. Ich glaube, dass man bei manchen Themen vielleicht auch mutiger sein sollte. Diese Personen sind vielleicht auch zu weit weg von den Leuten. Ich glaube, ich komme aus der Mitte der Gesellschaft, und das war sicher auch mit ein Grund, warum ich so viele Vorzugsstimmen bekommen habe.

Die Wege, wie kommuniziert wird, muss man auch überdenken. In meinem Wahlkampf waren Facebook und Instagram sehr wichtig. Da ist sicher sehr, sehr viel Potenzial da, das nicht genutzt wird.

Auch die Themenlage: Beim Thema Klima und Umweltschutz haben sich andere Parteien besser verkauft.

Sehr heikel war für die EVP das Thema Uploadfilter. Wie stehen Sie als Digital Native dazu? Der Vorwurf lautet ja oft, dass die älteren Abgeordneten über die Jungen entscheiden.
Die Idee hinter der Urheberrechtsreform ist ja, geistiges Eigentum zu schützen. Das ist richtig. Wenn ich ein Lied schreibe und singe, sollte das auch mir gehören und ich sollte damit Geld verdienen können. Das war die Idee dahinter. Das ist so oft in Brüssel: Die Idee ist gut, nur in der Umsetzung hapert es meistens. In der Auslegung ist man dann oft einen Schritt hinterher. Uploadfilter und die Rechte im Internet zu beschneiden, waren nie das Ziel. Ich bin mir auch sicher, dass es da Fehler in der Kommunikation gab. Man hätte vielleicht auch den Dialog mit YouTube suchen sollen.

Auch nicht ganz so gut angekommen ist, dass trotz der Tatsache, dass ca. 200.000 Menschen auf die Straße gegangen sind, nicht einmal Teilbereiche zur Neuverhandlung geöffnet wurden. Ist das in Zeiten, in denen man sich über die politikverdrossene Jugend beschwert, ein richtiges Signal?
Tatsache ist, es wird jahrelang darüber verhandelt und erst in den letzten Wochen bloppt es dann auf. Sicherlich auch mit dem Ziel, dass man das noch in der alten Legislaturperiode beschließt. Klar ist auch, die Karten sind jetzt wieder neu gemischt. Das heißt, das Parlament kann, sofern sich eine Mehrheit dazu findet, jederzeit Anpassungen trefen.

Laut wahlkabine.at hat die FPÖ gefordert, Förderungen nur noch an Biobauern auszuzahlen. Was halten Sie davon?
Ich vermute, da geht es darum, bei wahlkabine.at viele Punkte zu sammeln und nicht darüber zu reden. Da merkt man auch die Wertschätzung der FPÖ gegenüber den Landwirten. Auch bei einer Abstimmung über Glyphosat im Nationalrat wird sich zeigen, ob die FPÖ zur Landwirtschaft und zur Wissenschaft steht oder populistischen Forderungen der SPÖ folgt.

Da haben Sie mir die nächste Frage schon vorweggenommen. Ein Glyphosat-Verbot ist also kein Thema für Sie?
Ich bin für wissenschaftsbasierte Arbeit. Es ist legitim, darüber zu reden, dass es nicht jeder im Supermarkt kaufen und dann auf den Gehsteig spritzen können sollte. Wenn es Landwirte - die ja eine Ausbildung dafür haben - sachgemäß einsetzen, sehe ich wirklich sehr wenig Probleme. Weil es auch die Wissenschaft bestätigt: Wenn es darum geht, welche Mittel krebserregend sind, steht Glyphosat auf einer Stufe mit Koffein und vielen anderen Stoffen. Man sollte da nicht populistischen Ansagen glauben, sondern der Wissenschaft.

Sie waren auch schon bei ein paar Fraktionssitzungen. Ihr Sitzpartner dort ist Silvio Berlusconi. Was halten Sie davon, dass er wieder auf der politischen Bühne mitmischt?
Er hat mit Forza Italia wieder kandidiert und ist wieder eingezogen. Ich hoffe, er wird sich mit seiner Arbeit einbringen und mit seinen Kollegen sehr gute Arbeit leisten. Mehr kann und will ich aber über einen Menschen, den ich nicht persönlich kenne, nicht sagen. Es war auch für mich überraschend, dass er neben mir sitzen wird. Schauen wir, wie oft er zu Fraktionssitzungen kommen wird.

Kommen wir zu einem anderen umstrittenen Politiker in der EVP: Wie wird man mit Viktor Orban umgehen? Manfred Weber und er sind ja nicht gerade die besten Freunde.
Ich glaube, dass da Gesprächsbedarf herrscht, wo Punkte sind, bei denen man gar nicht zusammenkommt, und wo man einen gemeinsamen Weg geht. Sie sind noch immer Teil der Fraktion und die ungarischen Abgeordneten haben Manfred Weber trotzdem auch zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Ich glaube, dass da schon Unterstützung herrscht und dass es gut, ist dass die Fidesz noch Teil der Europäischen Volkspartei ist. Das heißt auch, dass sie sich zu einem proeuropäischen Kurs bekennen. Im Gegensatz zu der Möglichkeit, sich rechten Gruppierungen im Parlament anzuschließen, ist das der richtige Weg.

Können Sie sich vorstellen, dass jemand anderer als Manfred Weber Kommissionschef wird?
Nein, das will ich mir gar nicht vorstellen. Das Volk hat entschieden, das sollen auch die Staats- und Regierungschefs akzeptieren. Ich würde es mir wirklich wünschen, dass er es wird, weil ich Manfred Weber persönlich schon kennenglernt habe, mit ihm gesprochen habe. Ich schätze ihn als Person wahnsinnig, weil er unglaublich bodenständig ist. Er kommt aus einem kleinen Dorf in Bayern und man merkt ihm an, dass er noch den nötigen Hausverstand und die Bodenständigkeit hat, die in Brüssel leider sehr oft verloren gegangen sind. Da sind Leute, die nicht mehr das Gespür haben, was man braucht und was die Themen sind, die die Leute interessieren.

Wer soll Österreich Ihrer Meinung nach als EU-Kommissar vertreten?
Eine europakompetente Person, die uns gut vertreten würde, könnte ich mir sehr gut vorstellen. Hier Namen zu nennen, liegt nicht in meiner Handlungsfähigkeit, aber jemand, der der ÖVP nahesteht, wäre aufgrund dessen, dass die ÖVP sowohl bei der EU-Wahl als auch bei der Nationalratswahl 2017 die stimmenstärkste Partei war, zu bevorzugen, denn ich glaube, mit so einem Ergebnis hat man auch das Recht darauf.

Klingt für mich ziemlich nach Othmar Karas.
Da haben wir viele kompetente Persönlichkeiten. Wie gesagt, das wird von der Bundesregierung entschieden. Da wird unsere Bundeskanzlerin zum gegebenen Zeitpunkt sicher Gespräche führen.

Was halten Sie vom Tauschhandel der FPÖ mit Familie Strache?
Das sind einfach persönliche Entscheidungen. Dass man sich so lange Zeit lässt, bis man Entscheidungen trifft, nach dem, was ein paar Wochen davor passiert ist, finde ich sehr enttäuschend und auch nicht wertschätzend gegenüber allen Österreichern. Am Schluss entscheidet der Wähler, ob er das so akzeptiert oder nicht.

Warum, glauben Sie, bekommt Strache nach dem Ibiza-Skandal trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - so viele Stimmen? Ist es den Österreichern egal, dass der Vizekanzler Staatsaufträge und die größte Tageszeitung im Land verkaufen will?
Ich glaube, mit ein Grund ist, über welche Quellen sich die Leute informieren. Wenn die einzige „seriöse“ Quelle die Facebook-Seite der FPÖ und fpö.tv ist und diverse WhatsApp-Nachrichten, die herumgeschickt werden, und man nicht einer breiten Medienbasis aus Zeitung und TV glaubt, führt das zu solch einem Ergebnis.

Zur Person: DI Alexander Bernhuber

  • Geboren am 18. Mai 1992 in St. Pölten
  • Matura am Francisco Josephinum im Jahr 2011
  • 2011-2016 Studium an der Universität für Bodenkultur (Agrarwissenschaften, Nutzpflanzenwissenschaften)
  • Ab 2016 Mitglied im Rat der europäischen Junglandwirte
  • Ab 2017 Agrarreferent beim Niederösterreichischen Bauernbund
Thomas Zeitelberger
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