Kaufkraft-Verlust

Mini-Zinsen kosten Sparer Milliarden Euro!

Wirtschaft
24.06.2019 06:00

Laut Europäischer Zentralbank dürften die Sparbuch-Erträge noch ein weiteres Jahr nahe Null bleiben. Österreichs Anleger verlieren dadurch real nochmals rund fünf Milliarden Euro. Die Österreicher legen dennoch weiterhin viel Geld aufs Sparbuch - zu viel, ist es doch dort faktisch unverzinst und führt zum Kaufkraft-Verlust.

Mario Draghi, vor der Ablöse stehender Chef der EZB, kommt Österreichs Sparer sehr, sehr teuer. Die endlich für heurigen Herbst in Aussicht gestellte Anhebung des EU-Leitzinses wird auf „frühestens Sommer 2020“ verschoben, entschied die EZB jüngst. Damit verlängert sich die schon seit März 2016 andauernde „Nullzinspolitik“ in Europa, während die USA ihren maßgeblichen Zinssatz bereits schrittweise auf 2,25% bis 2,5% angehoben hat. Und weil sich die normalen Banken in ihren Geschäften daran orientieren, gibt es auch am Sparbuch fast nichts.

Kühles Kalkül hinter der fortdauernden „Enteignung“: Die Konjunktur schwächt sich derzeit spürbar ab, daher will man Kredite an Firmen, Häuselbauer usw. jetzt auf keinen Fall verteuern. Und kaum verholen geht es auch darum, dass sich die hochverschuldeten EU-Staaten weiterhin günstig finanzieren können. Auch Österreich profitiert davon natürlich.

Realer Wert des Ersparten sinkt ständig
Der Effekt ist gewaltig. Noch 2008 konnte man bei seiner Hausbank für sein Geld bei einer Bindungsfrist bis zwei Jahre und vor Abzug der Kapitalertragsteuer im Schnitt knapp 3,9% Zinsen erhalten. Aktuell sind es gerade noch mikroskopische 0,19%. 
Und es kommt noch schlimmer: Erstens schneidet sich davon der Fiskus noch 25% KESt ab, und zweitens sorgt auch noch die Inflation dafür, dass der reale Wert des Ersparten ständig sinkt. Man kann somit für einen Euro Jahr für Jahr weniger kaufen, weil der Zinsertrag die Inflation nicht mehr ausgleicht.

250 Milliarden Euro auf der hohen Kante
Wer also z.B. 1000 Euro auf der hohen Kante hat (bei Bindungsfrist 1 Jahr), musste 2018 real einen Verlust von 18 Euro hinnehmen, rechnen die Wirtschaftsforscher von Agenda Austria. 2007 brachte diese Summe wenigstens noch 17 Euro echten Zuwachs. Nur weil die 1000 Euro am Papier immer noch drauf sind, spüren das die Sparer nicht sofort. In Summe aber ist der Verlust gewaltig.

Über 254 Milliarden Euro haben die Österreicher auf der hohen Kante. Die Erste Bank etwa kalkuliert, dass sie dafür alleine im Vorjahr einen Wertverlust von fünf Milliarden Euro erlitten haben! Und schon seit 2010 gibt es alljährlich solch ein reales Minus. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass laut Nationalbank schon seit den 1960er-Jahren die Verzinsung bei kurzer Bindungsfrist häufiger unter als über der Inflationsrate lag.

Was können die Sparer nun aber tun?
Ein Gegenmittel war und ist, sein Erspartes großteils länger zu binden. Will man das nicht, dann sollte man die Angebote kleinerer Geldinstitute nützen. Je nach Bank bekommt man derzeit für ein Jahr wenigstens bis zu 1% (vor Abzug von KESt und Inflation, siehe Grafik oben), das ist deutlich mehr als bei den etablierten Geldhäusern. Wichtig: Beträge bis 100.000 Euro pro Person und Bank sind dabei auch im Falle einer Pleite des jeweiligen Anbieters durch die gesetzliche Einlagensicherung geschützt.

„Für Werterhalt völlig ungeeignet“
Warum die Österreich weiterhin viel Geld aufs Sparbuch legen, darüber sprach die „Krone“ mit dem Vorstandsmitglied der Erste Bank, Thomas Schaufler.

„Krone“: Herr Schaufler, wie dramatisch ist es für die Sparer, dass sie jetzt auf absehbare Zeit weiterhin keinen Ertrag für ihr Geld bekommen?
Thomas Schaufler: 5000 Euro auf einem Sparbuch mit 0,02% Verzinsung bringen nach fünf Jahren nur rund 5005 Euro. Inflationsbereinigt muss man davon noch 375,67 Euro abziehen. Das Beispiel zeigt, wer im Niedrigzinsumfeld nur aufs Sparbuch setzt, verliert Geld. Bei einer Inflation von knapp 2% ist der Kaufkraftverlust ganz offensichtlich.

Woran liegt es, dass wir das in Kauf nehmen und nach Ihrer Umfrage dennoch für 62% das Sparbuch erste Wahl bleibt?
Die Österreicher sind „gelernte“ Sparbuch-Sparer. Das ist ja nichts Schlechtes, jeder sollte eines haben und rund drei Monatsgehälter draufhaben. Aber für den Werterhalt oder Vermögensaufbau ist es völlig ungeeignet. Ohne einen Mix aus Wertpapieren geht nichts. Ich denke, bei vielen ist es eine Kombination aus Angst vor Verlusten und wenig Wissen über das Thema. Da sind wir gefragt, wirklich auf jeden einzugehen und die passende Lösung zu finden. Schließlich hat auch jeder einen anderen Risikoappetit.

Vielleicht liegt es ja an den Banken selbst durch Fehler in der Beratung, hohe Schwellenangst und der Betonung von Onlineservices, die möglicherweise besonders Ältere und weniger finanziell gebildete Menschen abschrecken?
Wir müssen klarmachen, dass es grundvernünftig ist, Geld auf verschiedene Anlageklassen aufzuteilen. Die Debatte ist aber nicht leicht zu führen, aufgrund des mangelnden Verständnisses für den Kapitalmarkt gibt es Gegenwind. Da werden Wertpapiere als reine Spekulation gesehen. Viele haben auch noch die Finanzkrise 2008 im Hinterkopf. Deshalb ist seriöse Beratung so wichtig - also keine Schnellschüsse, nicht alles auf eine Karte setzen.

Christian Ebeert, Kronen Zeitung

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