„De-Extinction“

Mammutprojekte: Das Schicksal in der Petrischale

Wissenschaft
23.06.2019 15:00

Der Tod des Nashorns Sudan im vergangenen Jahr in Kenia (s. Video oben) ging um die Welt. Das Tier war das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn auf der Erde, mit seinem Tod starb die einst in Ost- und Zentralafrika weit verbreitete Unterart, die von Wilderern ausgerottet wurde, fast aus. Die Wissenschaft könnte sie möglicherweise retten - denn noch gibt es zwei Weibchen und eingefrorenes Sperma.

Wissenschaftler in Berlin arbeiten mit moderner Technik daran, ein kleines Nördliches Breitmaulnashorn zu schaffen. Schon 2018 konnten im Labor Nashorn-Embryos erzeugt und kultiviert werden. „Dies sind die weltweit ersten in vitro produzierten Nashorn-Embryos“, erklärte Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) damals. Unter seiner Leitung hat ein Team von Wissenschaftlern Eizellen von Südlichen Breitmaulnashörnern aus europäischen Zoos entnommen und sie mit eingelagerten Spermien von Nördlichen Breitmaulnashörnern vereint.

Ist das noch Artenschutz?
Einige Forscher aber gehen noch einen Schritt weiter: Tiere, die teils seit Tausenden Jahren, ausgestorben sind, sollen wiederbelebt werden. In Harvard und Santa Cruz versuchen Forscher, mit Gentechnik etwa das Wollhaarmammut oder die Wandertaube auferstehen zu lassen. Doch die Wissenschaft ist zerstritten: Ist das noch Artenschutz? Oder greifen wir zu stark in die Natur ein?

„Mammutprojekt in Boston
6000 Kilometer entfernt, in einem Labor der Harvard University in Boston, soll ein Tier wiederbelebt werden, das seit 10.000 Jahren ausgestorben ist: das Wollhaarmammut. Dahinter steckt George Church, Superstar unter den Genforschern. Das Tier wird nicht geklont - dafür reicht das gefundene Genmaterial von Mammuts nicht aus -, stattdessen entnehmen Church und sein Team bestimmte DNA-Teile des Mammut-Genoms und fügen die in Zellen von Elefanten ein. Somit wird genau genommen ein komplett neues Tier kreiert, das gegen Kälte und Wilderei resistent sein soll. Auch könnte man die Größe der Stoßzähne reduzieren, um das Risko des Wilderns zu reduzieren. Ergebnisse, die Elefanten ähneln, könnte es aber frühestens in vier Jahren geben. Im März 2019 hatten Forscher Zellkerne eines 28.000 Jahre alten Wollhaarmammuts im Labor aktivieren können.

Auch Wandertaube soll wieder fliegen
An der US-Westküste will unterdessen Ben Novak mit ähnlichen Methoden die Wandertaube wiederbeleben. Sie zog einst in riesigen Schwärmen über Amerika, wurde aber Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Bis zu den ersten Küken werde es wohl noch bis 2030 dauern, Forscher.

Pyrenäensteinbock wurde bereits wiederbelebt
Die einzige Tierunterart, die bisher tatsächlich wiederbelebt wurde, ist der Pyrenäensteinbock. Das letzte Tier starb 2000, vorher wurde ihm eine Zellprobe zum Klonen entnommen und eingefroren. Das daraus geklonte Kitz lebte nach der Kaiserschnittgeburt nur wenige Minuten.

De-Extinction soll mehr Biodiversität schaffen
Befürworter von De-Extinction - also dem Wiederbeleben ausgestorbener Tierarten - versichern, dass es nicht um Schlagzeilen geht. „Wir wollen Biotechnologien einsetzen, um zum Naturschutz beizutragen und mehr Biodiversität zu schaffen“, sagt Ryan Phelan, Leiterin der Organisation Revive and Restore. Andere Wissenschaftler rümpfen die Nase. „Es ist absolute Zeitverschwendung“, sagt etwa Evolutionsbiologe Stuart Pimm von der Duke University in Durham.

„Was würden wir mit Wollhaarmammut anstellen?“
Um Arten vor der Ausrottung zu schützen, müsse man das eigentliche Problem lösen: den Konflikt zwischen Mensch und Tier. Die Forschung von Church und Co. schaffe eine gefährliche Fahrlässigkeit. „Wenn du eine Spezies ausrotten und wiederbeleben kannst, dann sorgst du dich nicht mehr so sehr darum, die Spezies in der freien Wildbahn zu erhalten.“ Außerdem fragt er: „Was würden wir mit einem Wollhaarmammut anstellen?“

Sibirien als Ökosystem für neue Spezies
Church hat schon eine Idee. Er will den Mammut-Elefanten in Sibirien ansiedeln. Somit werde ein riesiges, kaum bewohntes Gebiet genutzt, um ein Ökosystem für eine neue Spezies zu schaffen. Und: „Wir würden helfen, den Klimawandel zu verlangsamen.“ Denn: Die Mammuts würden den Schnee feststampfen und so das Auftauen der Böden erschweren. Als Folge würden weniger Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre entweichen.

Mammuts im Kampf gegen Klimawandel
Auf die Neuankömmlinge wartet Nikita Simow schon sehnsüchtig. Der russische Wissenschaftler leitet ein riesiges Schutzgebiet im Osten Sibiriens, wo eines Tages wieder eine Graslandschaft wachsen soll - wie zur letzten Eiszeit, als Mammuts durch die Region streiften. „Church hat versprochen, dass das erste Mammut in den Pleistozän-Park kommt.“ Für den Kampf gegen den Klimawandel reiche ein einzelnes Tier aber nicht aus, sagt Simow: „Um das Klima weltweit entscheidend zu beeinflussen, braucht es Tausende, Hunderttausende.“

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