Würge-Mord in NÖ

Jetzt Massen-DNA-Test, um Phantom zu fangen?

Österreich
16.06.2019 09:46

Auch drei Wochen nach dem grauenhaften Mord an einer 52-jährigen Frau in Amstetten in Niederösterreich gibt es noch immer keinen Hinweis auf den Täter. Aber die Polizei verfügt über seine DNA. Kann das Rätsel um den Tod der beliebten Filialleiterin letztlich nur durch einen Massen-Speicheltest geklärt werden?

Wer ist er? Wer ist dieser Mann, der am 28. Mai auf einem Parkplatz in Amstetten eine 52-jährige Frau umgebracht hat? Hat er das Opfer gekannt, oder war es ihm fremd? Was war das Motiv für sein grauenhaftes Verbrechen? „Wir wissen leider noch keine Antworten auf diese Fragen“, sagt Omar Haijawi-Pirchner, Leiter des Landeskriminalamts Niederösterreich. Der Mörder gilt auch nach fast drei Wochen intensivster Ermittlungen als ein Phantom. Das Leben der Verstorbenen hingegen, bis zur Stunde ihres Todes: durchleuchtet.

Das Opfer hatte keine Feinde
Das Ergebnis der Untersuchungen? „Nichts, einfach nichts deutet darauf hin, dass der Täter aus ihrem Umfeld stammen könnte“, so Haijawi-Pirchner. Brigitte G. habe „ein völlig unauffälliges Dasein“ geführt, viel gearbeitet. In ihrer Freizeit sei sie am liebsten daheim, in ihrem hübschen Haus in Waldhausen im Strudengau in Oberösterreich, gewesen. Ihre Ehe: harmonisch. Die Beziehung zu den beiden - bereits erwachsenen - Töchtern: eng. Und sonst? Die Familie besaß Pferde, machte oft Reittouren. Der Bekanntenkreis der Frau: überschaubar. Alle ihre Freunde wurden mittlerweile einvernommen, sie alle gaben der Kripo zu Protokoll: „Die Gitti hatte keine Feinde.“ „Sie war ein wunderbarer Mensch, nett, hilfsbereit“, erinnert sich eine Kollegin, die mit dem Opfer bis wenige Minuten vor der Tragödie zusammen gewesen ist: „Und nichts war doch anders, davor ...“

Es regnete, aber es war noch hell
Wie an jedem Wochentag war die Filialleiterin auch am 28. Mai um 5.15 Uhr von ihrem Wohnort losgefahren. Nach Amstetten, wo um 6 Uhr ihr Dienst in einem Diskontmarkt begann. Wie immer, parkte sie ihren weißen Opel Corsa auf ihrem „Stammplatz“, 20 Meter vor dem Eingang des Geschäfts. Und auch die folgenden Stunden verliefen wie gewohnt. Die Frau bestellte Waren, kontrollierte den Lagerbestand, machte ein paar Pausen. Um 20.08 Uhr rief sie per Handy ihren Mann an: „Du kannst schon das Abendessen kochen, ich werde bald zu Hause sein.“

Es war 20.24 Uhr, als sie, in Begleitung mehrerer Kolleginnen, den Diskonter verließ. Die Tür klemmte wieder einmal beim Zusperren, darum gab es eine Verzögerung bei der Alarmanlagenaktivierung: „Geht ruhig, ich warte die 60 Sekunden alleine ab“, sagte sie zu ihren Mitarbeiterinnen. Es regnete, es war kalt, aber es war noch hell und die Gegend belebt. Denn neben dem Einkaufszentrum sind einige Lokale, ein Fitnesscenter und ein Kino. Brigitte G. trug ein rotes T-Shirt, eine helle Jacke, dunkle Hosen, Turnschuhe. „Vermutlich um 20.25 Uhr, spätestens um 20.26 Uhr, lief sie zu ihrem Auto“, hat Cheffahnder Hannes Fellner rekonstruiert. Und dann erfolgte der Angriff: Hände auf dem Hals der Frau, ein erbitterter Todeskampf am Boden, bei dem sich die 52-Jährige heftig gewehrt haben muss. Unter ihren Fingernägeln wurden später Hautfetzen - und damit die DNA - des Täters sichergestellt. Hörte niemand die Filialleiterin schreien? „Uns wurden bislang keine diesbezüglichen Wahrnehmungen gemeldet“, so Fellner.

Fest steht: Nachdem Brigitte G. tot war, wurde ihre Leiche, zwei Meter von dem Opel entfernt, in einem Gebüsch versteckt. In der Folge nahm der Mörder die Handtasche der Frau an sich, er setzte sich in ihren Wagen, um 20.33 Uhr schaltete er ihr Mobiltelefon aus - danach fuhr er los. Weg vom Parkplatz, über einen Kreisverkehr, eine Landstraße entlang, bis zu einem schlecht gepflasterten Weg. Links ein Wald, rechts Eisenbahnschienen. In einer Einbuchtung, dort, wo tagsüber Jogger ihre Autos parken, stellte der Killer das Fahrzeug ab. Und verschwand in der Dunkelheit.

„Ein Räuber hätte anders agiert“
Weil die Filialleiterin nicht heimgekommen und unerreichbar war, startete ihr Mann, ein pensionierter Voest-Angestellter, gegen 21.30 Uhr eine Suchaktion. Er fuhr den Weg zu ihrer Arbeitsstelle ab: „Ich befürchtete einen Verkehrsunfall.“ Der 62-Jährige alarmierte zudem seine Kinder. Polizei, Rettung, Spitäler wurden angerufen - niemand wusste etwas über den Verbleib von Brigitte G. Ein neuerliches Abfahren „ihrer“ Strecke. Gegen 23 Uhr fand eine der Töchter ihre tote Mutter, beim Ausleuchten der Stelle um den „Stammparkplatz“ der 52-Jährigen. Seitdem Fahndungen auf Hochtouren, nach einem Mörder, der, so die Ergebnisse aus DNA-Datenbanken, noch nie zuvor seine genetischen Spuren an einem Tatort hinterlassen hat. Wer ist der Gesuchte? Was war der Grund für sein abscheuliches Handeln? Abermals betonen Omar Haijawi-Pirchner und Hannes Fellner: „Ein persönliches Motiv schließen wir derzeit aus.“ Doch der Unbekannte hat sich auch nicht wie „der typische Räuber“ verhalten: „Erwürgen passt nicht zu solch einem Delikt, genauso wenig wie das weitere Vorgehen des Mannes.“

Ist er ein potenzieller Serienkiller?
Warum brachte er das Auto des Opfers an einen anderen Ort? „Dass er das getan hat, spricht für Strukturiertheit. Ein psychotischer Mensch hätte diese Aktion nicht gesetzt.“ Die Beamten sind ratlos. „Ich habe schon in Hunderten Mordfällen ermittelt“, erzählt Fellner, „doch so unklar wie in dieser Causa war die Sachlage noch nie.“ Die schwarze Handtasche des Opfers konnte bis heute nicht gefunden werden, genauso wenig wie die beige Geldbörse der Frau, ihre Wohnungs- und Autoschlüssel sowie ihr Huawei-Handy. Hat der Täter diese Dinge behalten? Sind sie für ihn „Trophäen“? Ist das „Phantom“ ein Mann, der schon lange davon geträumt hat, einen Mord zu begehen? Wartet er nur auf eine passende Gelegenheit, um wieder zuzuschlagen? Ist er ein potenzieller Serienkiller? Der Verdacht der Ermittler: „Aufgrund der vorliegenden Fakten dürfte dem Gesuchten die Gegend um den Tatort gut bekannt sein.“ Stammt er also aus der näheren Umgebung?

Sollten weitere Recherchen zu keiner Verhaftung führen, müsste wohl ein Massen-Speicheltest an den Bewohnern in und um Amstetten durchgeführt werden. In Deutschland ist diese Maßnahme längst Standard, bei scheinbar unlösbaren Kriminalfällen. In Österreich würde sie erstmals zur Anwendung kommen.

Die Fragen der Polizei:

1. Wer hat am Abend des 28. Mai, insbesondere zwischen 19.30 und 20.30 Uhr, auf dem Parkplatz vor dem Norma-Markt in der Amstettner Waidhofner Straße verdächtige Personen wahrgenommen?

2. Wer hat das Auto des Opfers, einen weißen Opel Corsa mit einem auffälligen Pferdeaufkleber am Heck, ab 20.30 Uhr gesehen und kann möglicherweise sogar eine Beschreibung des Fahrzeuglenkers abgeben?

3. Wer weiß von einem Mann, der nach dem 28. Mai Verletzungen - starke Kratzwunden - im Gesicht, am Oberkörper oder an den Händen aufwies?

Hinweise werden - natürlich auf Wunsch auch vertraulich - im Landeskriminalamt Niederösterreich entgegengenommen. Tel. 059133 30 3333

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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