Drama um 17-Jährige

„Noa beschloss, weder zu essen noch zu trinken“

Ausland
06.06.2019 14:15

Es ist eine furchtbare Geschichte, jene der Niederländerin Noa Pothoven. Die 17-Jährige wollte nicht mehr leben, weil Missbrauch und eine Vergewaltigung in jüngeren Jahren sie gebrochen hatten. Nichts konnte sie umstimmen - weder ihre Eltern noch psychiatrische Einrichtungen, auch nicht der beständige Kampf der Ärzte, als ihr Leben bereits zuvor mehrmals an der Kippe stand. Als ihr die in ihrem Heimatland erlaubte Sterbehilfe und eine Elektroschocktherapie verweigert wurden, beschloss Noa, nicht mehr zu essen und zu trinken. Tage danach starb sie im Beisein ihrer Familie, die nach zahllosen internationalen Schlagzeilen darum bittet, dass man in den Tagen der größten Trauer ihre Privatsphäre respektiert.

„Wir, die Eltern von Noa Pothoven, sind zutiefst traurig über den Tod unserer Tochter“, gaben die Trauernden am Mittwoch bekannt. „Noa beschloss, nicht mehr zu essen und zu trinken. Wir wollen betonen, dass dies die Ursache ihres Todes war. Sie ist in unserem Beisein am vergangenen Sonntag gestorben.“ Die Eltern bitten um das Respektieren ihrer Privatsphäre, „damit wir als Familie trauern können“.

Noa war bereits vor sechs Jahren innerlich gestorben
Neben den Eltern trauern eine Schwester und ein Bruder um Noa, ein 17-jähriges Mädchen, das, wie es selbst in seiner preisgekrönten Autobiografie „Winnen of leren“ („Gewinnen oder lernen“) schrieb, bereits im Alter von elf Jahren innerlich starb. Damals wurde das vormals lebenslustige Kind zum ersten Mal missbraucht, auf einer Schulparty. Auch über einen zweiten Missbrauchsfall auf einer anderen Feier schwieg Noa lange. Erst mit 15 offenbarte sie sich ihren Eltern - und erzählte darüber hinaus von einer Vergewaltigung, als sie 14 Jahre alt gewesen sei.

„In meinen Körper ist eingebrochen worden“
Zwei Männer seien damals über sie hergefallen, schilderte Noa nach dem Erscheinen ihres Buches der Regionalzeitung „De Gelderlander“. „In mein Haus ist eingebrochen worden, in meinen Körper. Das kann niemals rückgängig gemacht werden“, sagte sie dem Reporter Paul Bolwerk. Mehrere Selbstmordversuche hatte sie da bereits hinter sich. Immer wieder verweigerte sie das Essen, wurde zwangsernährt. Ein Foto auf der Instagram-Seite zu ihrem Buch (siehe oben) - die private ist inzwischen offline - zeigt sie unterernährt, mit einem Sondenschlauch in der Nase und mit riesigen Narben auf ihrem linken Arm.

„Können ihre Existenz nicht mehr als Leben bezeichnen“
Die verzweifelten Eltern versuchten alles, um ihre Tochter zu retten - doch sie scheiterten. Es gab keine Klinik, die ihrer Tochter helfen konnte. Oder es gab keinen Platz in einer Klinik. Der Kinder- und Jugendpsychiater Roland Verdouw, der Noa behandelt und auch das Vorwort ihres Buches geschrieben hatte, beklagte schwere Mängel im niederländischen Gesundheitssystem. „Es ist bedenklich, dass so viele Kinder so lange auf psychologische oder psychiatrische Hilfe warten müssen, während sie ihre Existenz nicht mehr als Leben bezeichnen können“, prangerte er laut „Bild“ an.

Mit 21 sollte sie wiederkommen ...
Bei Noa war das der Fall. Sie fühlte sich nicht mehr lebendig, sondern nur noch als etwas, das „atmete, aber nicht mehr lebte“. Als vorletzten Schritt wandte sich das Mädchen im vergangenen Sommer an eine Sterbehilfeklinik, ohne den Eltern davon zu erzählen. Auch Minderjährige können dort Hilfe suchen, gewährt wird sie, wenn Ärzte den Zustand des Patienten als aussichtslos erachten. Noas Wunsch wurde abgelehnt: Ihr Gehirn sei noch nicht ausgewachsen. Mit 21 solle sie wiederkommen. So lange wollte die junge Niederländerin nicht mehr warten. Die letzte Hoffnung der Familie war laut Insidern eine Elektroschocktherapie. Doch auch diese wurde abgelehnt. Dafür sei sie zu jung, hieß es.

„Ich esse und trinke seit einer Weile nichts mehr“
In der Vorwoche beschloss die nun 17-Jährige endgültig, nicht mehr leben zu wollen. In einem letzten Posting auf Instagram schrieb sie: „Nach Jahren des Kämpfens ist es vorbei. Ich esse und trinke seit einer Weile nichts mehr.“ Ihr Leiden sei unerträglich - und nun hätten auch ihre Eltern und Ärzte „nach vielen Gesprächen“ zugestimmt, dass „ich gehen darf“. Im Beisein ihrer Familie starb Noa schließlich am Sonntag.

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 142. Weitere Krisentelefone und Notrufnummern finden Sie hier.

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