Großes Interview

Alfred Stingl wird 80: „Helfe, solange ich kann“

Steiermark
26.05.2019 17:35

Alfred Stingl zum 80er: Wir haben mit dem Altbürgermeister über das Leben nach der Politik, seine geliebte Frau, die er bis zu ihrem Tod aufopferungsvoll gepflegt hat, und den Niedergang der Grazer SPÖ gesprochen. Und natürlich auch die „Montagsfrage“ gestellt.

„Krone“: Wie geht es Ihnen, Herr Stingl?
Alfred Stingl: Ich bin dankbar, dass es geht, wie es geht. Ich habe körperlich keine Beeinträchtigungen. Nur die Borreliose meldet sich einmal im Jahr.

Sie sind nach wie vor sehr rührig, wie man hört.
Funktionen sammeln tu ich nicht mehr (lacht). Aber solange ich kann, freue ich mich, dass ich mithelfen darf: beim Musikverein und als Sozial-Ombudsmann zum Beispiel. Nach dem Tod meiner Frau im März 2018 habe ich mich gefragt: Wofür bist du jetzt eigentlich da? Mich reden immer wieder Leute an und sagen: „Jetzt können’S wieder was unternehmen.“ Meine Frau und ich, wir waren 60 Jahre zusammen - da hat man keine Lust, alleine in der Welt herumzufahren.

Sie haben sie bis zu ihrem Tod zu Hause gepflegt.
Sie war nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Wir hatten eine sehr harmonische Ehe. Meine Frau hat immer alles mitgetragen. Es war undenkbar, sie ins Heim zu geben. Die Ärzte haben ihr ein Jahr gegeben, wenn es gut geht, eineinhalb - es sind fünfeinhalb geworden. Ich habe gehofft, dass wir die diamantene Hochzeit erleben, aber das war uns nicht vergönnt. Sie ist am berüchtigten zweiten Schlaganfall gestorben. Ich musste jeden Tag mit der Angst leben, dass das passiert.

Aber Sie haben sich nicht unterkriegen lassen.
Nein, wir sind zum Beispiel oft ins Konzert gegangen. Einmal waren wir bei den Salzburger Festspielen. Als wir bei der Konditorei Fürst vorbeigegangen sind - das ist die, die die Mozartkugeln erfunden hat -, hat sie sich auf einmal g’spalt im Rollwagerl. So als würde sie sagen wollen: Ich möcht’ reingehen - wie früher (schmunzelt).

Wie hat sich Graz seit Ihrem Rückzug Ihrer Meinung nach entwickelt?
Gut, das ist keine Frage! Ich will mich nicht in die Tagespolitik einmischen, das tut man nicht. Aber wo man aufpassen muss, das sind die Anlegerwohnungen - das ist eine neue Art der Geldanlage, weil die Europäische Zentralbank keine Zinsen hergibt. Dadurch wird immer mehr verbaut: im Grazer Westen, aber auch in Andritz und im Osten - vom Rosenhain bis nach St. Peter runter. Gleichzeitig stehen, wie ich höre, 3000 Wohnungen in Graz leer.

Nicht gut entwickelt hat sich „Ihre“ Grazer SPÖ - wie geht es Ihnen damit?
Man kann es ruhig aussprechen: Das Ergebnis bei der letzten Gemeinderatswahl war der Tiefpunkt. Allerdings hat es auch gesellschaftliche Änderungen gegeben. Es ist nicht in Mode bei einer Partei zu sein. Aber ich finde, der Michael Ehmann (der jetzige Parteichef, Anm.) macht das sehr sympathisch.

Sie trauen ihm zu, die Partei wieder aufzupäppeln?
Wir haben einen recht guten Mitgliederzuwachs. Etliche, die uns den Rücken gekehrt haben, sind zurückgekommen. Und es sind neue dazugekommen. Es gibt auch viele junge Leute, die sich engagieren. Ich hoffe, dass das so weitergeht. Man sollte in dieser Situation keine übertriebenen Ziele vor sich her tragen. Das Wichtigste wäre, dass wir wieder in die Stadtregierung kommen. Das traue ich meinen Parteifreunden zu.

Ist die KPÖ die bessere SPÖ? Oder anders gefragt: Kann die SPÖ von der KPÖ etwas lernen?
Schon. Vor allem in der Ansprache von Menschen.

Auch die FPÖ hat der SPÖ viele Wähler abgeluchst.
Das waren die Enttäuschten. Aber denen wird wohl jetzt ein Licht aufgehen.

Sie sprechen den „Ibiza-Skandal“ an. Sollte die SPÖ am Montag dem Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Kurz zustimmen?
Man kann ihm bei dieser Gelegenheit vorhalten, was uns nicht gepasst hat: die Herabwürdigung der Sozialpartnerschaft, die Drohung, bei der Arbeiterkammer per Gesetz die Beiträge herabzusetzen. Auch das, was der Kickl alles gemacht hat - Kurz hat die FPÖ schließlich in die Regierung geholt. Aber, und das ist auch die Meinung von Peter Schachner-Blazizek, mit dem ich Rücksprache gehalten habe: Die SPÖ sollte dem Antrag keine Zustimmung geben.

Danke für das Gespräch - und schon jetzt alles Gute zum Geburtstag am Dienstag!

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