Merkel-Visite

EU und Integration: Berlin und Ankara weiter uneins

Ausland
30.03.2010 13:18
Der Türkei-Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel hat erwartungsgemäß keine substanzielle Annäherung der Positionen der beiden Regierungen gebracht. Ungeachtet verbindlicher Töne bestehen weiterhin gegensätzliche Standpunkte hinsichtlich der von Ankara angestrebten EU-Vollmitgliedschaft, der Integration von Türken in Deutschland und der iranischen Atompolitik.

Zwar nannte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan laut einem Bericht der Zeitung "Hürriyet" vom Dienstag sein Gespräch mit Merkel vom Vortag "unglaublich erfolgreich", doch blieben in der EU-Beitrittsfrage die Differenzen zur Gänze bestehen.

Zypern-Konflikt als Knackpunkt
Die Kanzlerin plädiert für eine "privilegierte Partnerschaft" mit der Türkei, was Ankara strikt ablehnt. Als größtes Hindernis für eine weitere Annäherung der Türkei an die EU bezeichnete Merkel den Zypern-Konflikt. Die Türkei hält weiter den 1974 besetzten Nordteil der Insel besetzt. Im Streit um das iranische Nuklearprogramm hat sich Erdogan ausdrücklich gegen Sanktionen und für weitere Gespräche mit Teheran ausgesprochen.

Am zweiten Besuchstag unterstützte Merkel in Istanbul mit Nachdruck die geplante Gründung einer deutsch-türkischen Universität und stellte deutsche Forschungsmittel für das Projekt in Aussicht. Am Montag hatte sie in Ankara Gesprächsbereitschaft in der Frage der von Erdogan geforderten Einrichtung türkischer Schulen in Deutschland bekundet. Sie stellte aber unmissverständlich klar, dass sich junge Türken in Deutschland integrieren müssten, um gleiche Chancen in Schule und Beruf zu haben.

Enge wirtschaftliche Bande
Am Dienstagmorgen besuchte Merkel die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Istanbuls, die Hagia Sophia und die Blaue Moschee. Die Bosporus-Metropole ist wie die westdeutsche Stadt Essen "Europäische Kulturhauptstadt" 2010. Zu Mittag fand eine Podiumsdiskussion mit deutschen Schülern statt, danach nahmen Merkel und Erdogan an einem deutsch-türkischen Wirtschaftsforum teil. Deutschland gehört zu den wichtigsten Handelspartnern der Türkei. Über 4.000 deutsche Unternehmen haben Niederlassungen in der Türkei oder Kooperationsabkommen mit türkischen Firmen.

Auch eine Begegnung Merkels mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. ist vorgesehen. Der höchste Würdenträger der orthodoxen Christenheit hat wiederholt sein starkes Engagement für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei manifestiert. Zudem besucht die Kanzlerin die deutschsprachige evangelisch-lutherische Pfarre, die 1843 gegründet wurde.

Rückendeckung für Merkel
In der Debatte um einen EU-Beitritt der Türkei haben inzwischen mehrere CDU-Ministerpräsidenten der Kanzlerin demonstrativ den Rücken gestärkt. Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus sagte am Dienstag, die EU sollte mit der Türkei jetzt "vorrangig" über die Kapitel verhandeln, die für eine "privilegierte Partnerschaft" bedeutend seien, wie sie von Merkel gefordert wird. Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich erteilte Forderungen nach einer Vollintegration der Türkei eine Absage.

Die CDU-Länderchefs distanzierten sich vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz (CDU). Dieser hatte offen für einen EU-Beitritt der Türkei geworben und sich damit von der Mehrheitsmeinung in seiner Partei abgesetzt.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ex-Arbeitsminister Olaf Scholz kritisierte Merkels Haltung: "Wer die Integration türkischer Migrantinnen und Migranten in Deutschland vorantreiben will, darf die Integration der Türkei in die EU nicht für unmöglich halten." Die Politik der Kanzlerin sei "nicht logisch", so der Oppositionspolitiker.

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