Sylt

Schickimicki auf der Düne: Insel der Gegensätze

Reisen & Urlaub
19.05.2019 07:30

Sylt steht für Schickimicki und hohe Porsche-Dichte. Doch die norddeutsche Insel punktet auch mit prachtvoller Natur, kilometerlangen Stränden und legendären Fischbrötchen.

Wenn man für seinen Urlaub auf der Suche nach Abwechslung ist, dann ist die friesische Insel Sylt der ideale Ort. Von langen Partynächten der Reichen und Schönen bis hin zu ungestörten Wanderungen entlang herrlicher Sandstrände und unberührter Heiden wird einem hier alles geboten. Doch auch auf diese Gegensätze lässt sich Sylt nicht reduzieren. Auf dieser Insel wartet quasi an jeder Ecke eine Überraschung. Und meist haben diese mit den Einheimischen zu tun, deren rauer Charme und schräger Humor einen gleich gefangen nehmen.

Wer hätte etwa gedacht, dass man mitten in der Einsamkeit eines Naturschutzgebiets plötzlich nackten Menschen begegnet, die zum eiskalten Meer laufen. Keine Sorge, dabei handelt es sich nicht um Verrückte, sondern um Besucher einer der vier ganzjährig betriebenen Strandsaunen. Wobei das Nacktbaden auf Sylt ja Tradition hat. Die Buhne 16 ist heute noch ein Synonym für hüllenloses Sommervergnügen. Einer der Ersten, die das verweigert haben, war der legendäre Playboy Gunter Sachs, der nicht ganz unbeteiligt am Ruf der Insel als Jetset- und Partydorado ist. Von den Transparenten mit der Aufschrift „Hose runter - Gunter“ erzählt man auf Sylt immer noch. Und so manche Sylterin schwärmt bis heute von seinen veilchenblauen Augen.

Im Schlepptau von Gunter Sachs kamen in den 1960er-Jahren die Promis auf das beschauliche Eiland, und vorbei war’s mit der Strandidylle. Der kleine Ort Kampen verwandelt sich ins Saint-Tropez des Nordens. Und noch heute werden im Pony Club auf der sogenannten „Whiskymeile“ die Nächte durchgefeiert. Tagsüber kann man viel Geld in den Nobelboutiquen lassen. Oder beim Vorarlberger Thomas Samson im liebevoll renovierten Dorfkrug einkehren und ganz erstklassig essen.

Auch die Galerie Sprotte ist einen Besuch wert. Mit dem Künstler Siegward Sprotte (1913 bis 2004) wartet eine Zeitreise. Denn lange vor dem Partyvolk der 1960er zog es die Künstler nach Sylt. Emil Nolde malte hier sein berühmtes Bild „Badestrand“, Thomas Mann schrieb nach einem Aufenthalt in Kampen „An diesem erschütternden Meere habe ich tief gelebt“ in sein Tagebuch, Marlene Dietrich war ebenso Insel-Gast wie Stefan Zweig. Heute kann man in Kampen entlang des „Künstlerpfads“ spazieren und erhält auf kleinen Tafeln viele Informationen.

Die Geschichte Keitums, eines sehr malerischen Ortes auf halber Höhe der Insel, erzählt wiederum von Entbehrung und Not. Hat man Glück und erwischt eine Tour mit der Autorin Silke von Bremen (sie hat den Bestseller „Gebrauchsanweisung für Sylt“ im Piper Verlag geschrieben), erfährt man auf höchst unterhaltsame Weise die Geheimnisse der alten immer noch reetgedeckten (das ist Gesetz!) Friesenhäuser und ihrer früheren Bewohner. Walfänger und Schiffskapitäne haben hier gelebt und ums finanzielle Überleben gekämpft. Heute zahlt man für ihre Häuschen ein kleines Vermögen.

In Keitum kann man sich übrigens rundum verwöhnen lassen. Dort findet man mit dem Severin*s Resort & Spa nicht nur ein Hotel der absoluten Luxusklasse, dort wartet auch der Genussladen des Sternekochs Johannes King. In seinem Garten erntet er jenes Gemüse und jene Kräuter, die er in einzigartige Gerichte verwandelt. Und hat man Gelegenheit, dem Mann ein bisschen zuzuhören (was nicht selten vorkommt), weiß man auch, warum es bei ihm so herrlich schmeckt. Seine Salze, die man im Laden kaufen kann, werden ebenfalls hier produziert. Absoluter Geheimtipp ist aber sein Eierlikör, der jederzeit als Dessert durchgeht. Im Genussladen in Keitum bietet King Kleinigkeiten an. Will man das ganze Programm, dann sollte man in seinem Söl’ring Hof reservieren.

Hat man dann erst einmal genug vom Luxus, empfiehlt sich ein Ausflug zum Morsum-Kliff, wo geschützte Dünen, Heidelandschaften und das Wattenmeer das Auge begeistern. Die Naturschutzgemeinschaft Sylt lädt zu geführten Rundgängen, auf denen man alles zur geologischen Geschichte der Insel erfährt. Den Hunger, den man sich auf dieser Wanderung hart erarbeitet hat, kann man in der nicht ganz so noblen, deshalb kaum weniger schönen Außenstelle des Severin*s stillen. Bekommt man in diesem Landhaus eines der wenigen Zimmer, ist das Naturerlebnis vor der Haustüre jedenfalls garantiert.

Weiter im Süden, in Hörnum wird eifrig am Küstenschutz gearbeitet, damit der herrliche weiße Sandstrand nicht bald Geschichte ist. Hier befindet sich übrigens auch die berühmte Sansibar, eine nur auf den ersten Blick unscheinbare Strandbar. Im Keller lagern unzählige Wein- und Champagnerflaschen – möglicherweise mit ein Grund, warum das Lokal auch außerhalb der Saison so beliebt ist. Für einen Platz an der Sonne muss man hier früh aufstehen. Sonst kann man sich immer noch mit einem Stück aus der hauseigenen Mode- und Souvenirkollektion trösten.

Bleibt noch der Norden der Insel: List und Umgebung. Hier gibt es ebenfalls ein Naturschutzgebiet, sogar mit Wanderdüne, deren Betreten strengstens verboten ist. Hier warten aber auch kulinarische Überraschungen. Die Sylter Auster etwa. In der einzigen Austernfabrik Sylter Royal arbeiten vier Austernfischer, die sich um die Delikatesse kümmern. Die lokale Spezialität kann man sich auch mit kleinem Geldbeutel leisten. So wie einen Besuch bei der nächsten Legende der Insel, bei Jünne Gosch und seinen weltbekannten Fischbrötchen. Der einstige Aalverkäufer hat sich ein wahres Imperium mit Filialen in ganz Deutschland aufgebaut, ist aber immer noch in seinem Lokal im Hafen von List anzutreffen, wo er die Leute mit seinem „Sylter Schmäh“ unterhält.

Von der Strandsauna bis zum Luxusresort, vom Sternemenü bis zum Matjesbrötchen, von der Sansibar bis zum Naturpark - Sylt hat einfach alles, und das ganz nah beieinander. Einzig auf einen Direktflug aus Österreich muss man noch ein bisschen warten.

Michaela Reichart, Kronen Zeitung

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