„Schleppern geholfen“

Deutschen Flüchtlingshelfern drohen 20 Jahre Haft

Ausland
14.05.2019 15:27

Zehn großteils junge Menschen, die im Mittelmeer eigenen Angaben zufolge Tausende Flüchtlinge vor dem Ertrinken bewahrt haben, drohen in Italien nun bis zu 20 Jahre Haft. Sie sind mit dem Vorwurf seitens der italienischen Staatsanwaltschaft konfrontiert, bei ihrem Einsatz an Bord der Iuventa Schleppern geholfen zu haben. Die NGO „Jugend rettet“ gibt an, 14.000 Menschen in Seenot geholfen zu haben. Nun sind die einstigen Helfer selbst auf Unterstützung im Kampf gegen die italienischen Behörden angewiesen - der Prozess steht kurz bevor.

Die italienische Regierung geht vehement gegen die Organisationen vor, die jenen Migranten helfen, die in desolaten Schlauch- oder alten Fischerbooten über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen, schiffbrüchig werden oder in eine andere Notlage geraten. Seit Jahren werden immer wieder NGO-Schiffe beschlagnahmt und Aktivisten angezeigt. Der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini hofft mit seinem harten Asylkurs auf Wählerstimmen.

Vorwurf: Flüchtlinge gar nicht in Notlage
Dieses Schicksal ereilte auch die Iuventa sowie ihre Helfer im Jahr 2017 - das Schiff wurde im Hafen von Lampedusa an die Kette gelegt. Die Organisation soll mit Schleppern kooperiert haben. Das sollen Aufnahmen belegen: Schlepper hätten den Aktivisten Flüchtlinge übergeben, ohne dass sich diese in einer Notlage befunden hätten, heißt es. Außerdem sollen Boote der Schlepper - zur weiteren Verwendung - von den Aktivisten zur lybischen Küste geschleppt worden sein. Die angeblichen Beweismittel wurden veröffentlicht.

Deutsche Helferin: „Man muss sie retten“
Die Aufnahmen würden allerdings ein völlig falsches Bild vermitteln, erklärt die Deutsche Zoe, die mit damals 20 Jahren das jüngste Besatzungsmitglied der Iuventa war. „Wenn ein überfülltes Schlauchboot voller Nichtschwimmer 25 Kilometer vor der Küste treibt, sind die Menschen darauf in Lebensgefahr. Man muss sie retten. Das ist Seerecht“, erklärt die junge Frau dem deutschen Magazin „Bento“.

Das Rettungsschiff war vor seiner Beschlagnahmung von den italienischen Behörden wie in einem Agententhriller ausspioniert worden: Die Brücke wurde verwanzt, Telefongespräche wurden abgehört. Die Stimmung in den Gesprächen mit der Seenotrettungsstelle in Rom, von der die Besatzung die Aufträge bekommt, verschlechterte sich zunehmend. Externe Security-Mitarbeiter eines anderen Rettungsschiffes hatten „Jugend rettet“ schließlich die Behörden auf den Hals gehetzt - wie sich später herausstellte, hat die Sicherheitsfirma Verbindungen zu Rechtspolitikern und rechtsextremen Identitären.

3D-Rekonstruktion soll Unschuld der Aktivisten beweisen
Der Anwalt der zehn angeklagten Helfer ist überzeugt: „Wir sind schon verurteilt. In den italienischen Medien sind wir zu 100 Prozent erledigt“, so Nicola Canestrini gegenüber „Bento“. Was wirklich an Bord der Iuventa und ihren Beibooten geschehen ist, soll jetzt eine 3D-Rekonstruktion der britischen Goldsmiths-Universität beweisen.

Aus den verschiedensten Perspektiven in Aufnahmen von Journalisten, Sicherheitsmitarbeitern und einer Helmkamera von Zoe zeigt das Modell, dass es unmöglich gewesen sein drüfte, dass die junge Frau - so wie ihr das die Staatsanwaltschaft vorwirft - das leere Flüchtlingsboot nach Libyen zurückbringen hätte können. Die Wellenrichtung und die Position der anderen Schiffe passen nicht zur der Darstellung der Anklage. „Wir haben die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft mit allen verfügbaren Daten abgeglichen und kamen zum Schluss: Es gibt keine Beweise für eine Zusammenarbeit der Iuventa mit Schleppern“, so der Forensiker Lorenzo Pezzani.

Prozesskosten von rund 500.000 Euro
Auf die zehn Angeklagten kommt ein teurer Prozess zu, sie rechnen mit Kosten von bis zu einer halben Million Euro. Die Organisation „Jugend rettet“ kann die Crew finanziell nicht unterstützen, die Spendengelder dürfen laut Vereinsstatuten dafür nicht aufgewendet werden, erklärt Theresa Leisgang von „Jugend rettet“ im Gespräch mit krone.at. Hoffnung bringt das Preisgeld einer Schweizer Menschenrechtsstiftung: Die Mannschaft erhielt 50.000 Franken (rund 44.200 Euro). „Die Crew des Rettungsschiffes Iuventa rettete seit 2016 mehr als 14.000 Menschen aus der Seenot im Mittelmeer. Die jungen Crewmitglieder wirkten damit dem humanitären Versagen der europäischen Politik entgegen“, lautet die Begründung des Stiftungsrats. Das Geld wird für die Prozesskosten verwendet.

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