Zeitzeuge berichtet

Raubkunst gerettet: „Ein Leben war nichts wert“

Steiermark
12.05.2019 06:59

Ob den Helden von damals vor allem die Kunst ein Anliegen war oder ihr Bergwerk, darüber gibt es heute geteilte Meinungen. Doch letztlich zählt, da sind sich alle einig, dass beides gerettet wurde. Wie, das erzählt der 96-jährige Altausseer Franz Weißenbacher, der lange als Vermessungstechniker der Salinen diente.

Der „Nero-Befehl“ Adolf Hitlers vom 19. März 1945, alles zu zerstören, was dem Feind in die Hände fallen und ihm beim Kampf helfen konnte, galt nicht für die in Altaussee gelagerte Kunst. Dennoch fasste damals Gauleiter August Eigruber den Wahnsinns-Entschluss, das unschätzbare Kulturerbe zu vernichten.

„Es sind damals am 10. und 13. April acht Marmor-Kisten eingelagert worden, angeblich mit Kunstgütern vom Führer“, erinnert sich der Altausseer Franz Weißenbacher im Zeitzeugen-Gespräch mit Michaela Fuchs, Kuratorin der Salzwelten-Ausstellung. Besonders perfide: Auf den Kisten, die in den Lagerstätten verteilt wurden, stand in großen Lettern „Vorsicht Marmor - nicht stürzen“.

Weißenbacher weiter: „Am 20. April ist dann der Salinen-Generaldirektor Dr. Pöchmüller gemeinsam mit Oberbergrat Mayerhoffer zum Betriebsleiter Högler herübergekommen und hat gesagt, dass in den Kisten Bomben sind - zur Sprengung der Kunstgüter, wenn wir den Krieg verlieren.“

Da war Feuer am Dach bei den Altausseern: „Jeder einzelne von diesen Salzbergleuten war daran interessiert, dass das Bergwerk keinen Schaden nimmt - und auch nicht die Kunstgüter.“ Doch was tun? „Alleine, ohne Schutz irgendeiner militärischen Einheit, hätte sich niemand getraut. Da hätten sie jeden Einzelnen sofort erschossen. In der Zeit war ein Menschenleben überhaupt nichts wert“, erinnert sich Weißenbacher an die ständige Todesangst während der Nazi-Diktatur.

Ausgerechnet der später wegen Kriegsverbrechen hingerichtete SS-Funktionär Ernst Kaltenbrunner, der auch Leiter des Reichssicherheitshauptamtes war, versuchte zur Rettung des Bergwerks beim vernichtungswütigen Gauleiter Eigruber gegen die Sprengung zu intervenieren - ohne Erfolg.

Doch die Rückendeckung von Kaltenbrunner ermutigte die Bergleute, sagt Weißenbacher: „Am 4. Mai um Mitternacht haben die Bergmänner die acht Bomben aus dem Stollen geholt, in den Wald gebracht und unter Ästen versteckt. Dort sind sie gelegen, bis die Amis am 8. Mai einmarschiert sind.“

Matthias Wagner
Matthias Wagner
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