Johanna hat Gendefekt

Eine Frau, ein Kind: Trotz Drama das große Glück

Österreich
12.05.2019 06:00

Natascha Barboriks zweijährige Tochter leidet an einem Gendefekt, sie ist körperlich und geistig behindert. „Aber für mich ist sie das tollste Kind der Welt“, sagt ihre Mutter - und erzählt in der „Krone“ über ihr wunderbares Leben mit der kleinen Johanna.

Eine hübsche Wohung in Wien-Brigittenau. Helle Holzmöbel, eine bequeme Couch, flauschige Teppiche. Und überall, an den Wänden und in Regalen - Bilder von der kleinen Johanna. „Sie ist mein Goldschatz, mein großes Glück“, sagt Natascha Barborik. Das Kind sitzt auf dem Schoß der Frau, sanft streichelt sie mit den Fingerspitzen über den Kopf ihrer Tochter. Wie viel die Zweijährige von der Umwelt wahrnimmt, weiß niemand. Denn sie leidet an einem Gendefekt, Trisomie 18. Was bedeutet: Sie ist geistig und körperlich behindert: „Aber für mich ist sie der wunderbarste Mensch auf der Erde.“

Kinderwunsch über eine Samenbank-Firma im Ausland
Natascha Barborik hat viel dafür getan, um Mutter zu werden. „Von klein an“, erzählt sie, „war das mein größter Traum.“ Der lange unerfüllt blieb, „weil ich leider keinen Partner fand, der dieselben Ziele hatte wie ich.“ Ein bescheidenes Leben, in Geborgenheit; in einer kleinen Familie „Und dann, mit 38, traf ich diese Entscheidung.“ Die Sonderschullehrerin spürte, „dass meine biologische Uhr tickte“ - deshalb wandte sie sich an eine Samenbank-Firma im Ausland. Und ließ sich befruchten. Für 2000 Euro. Mit dem Sperma eines ihr Unbekannten. Dennoch, sie habe unter den „viele möglichen Kandidaten“, von denen sie kleine Steckbriefe bekam, „genau ihn“ für die Vaterschaft ausgewählt, einen Mann, um zehn Jahre jünger als sie, ein Student: „Ich fand seine Vita gut. Er stammt aus geordneten Verhältnissen, seine Mutter arbeitet in einem Sozialberuf“, erzählt die 41-Jährige und kramt ein Babyfoto von dem „Spender“- die „Kinderwunschfirma“ hat es ihr einst überlassen - aus einer Schachtel. „Ich finde, Johanna sieht ihrem Papa ziemlich ähnlich“, mit ihren zarten Gesichtszügen, dem dunklen Haar und den hellbraunen Augen.

Die Ärzte rieten zur Abtreibung
„Unbeschreiblich happy“ sei Natascha Barborik gewesen, als sie wenige Wochen nach „dem Eingriff“ erfuhr, dass sie schwanger war. Im dritten Monat der Schock: Ihr wurde mitgeteilt, „das irgendetwas mit meinem Kind nicht stimmte“, weitere Untersuchungen ergaben die niederschmetternde Diagnose: „Meine Tochter würde wahrscheinlich spätestens bei der Geburt sterben, und wenn nicht, habe sie eine geringe Lebenserwartung. In meinem und ihrem Interesse solle ich sie abtreiben lassen, hieß es.“ Ein Schritt, der für die Frau nicht infrage kam: „Denn ich liebte das Kind, das in mir heranwuchs, bereits unendlich. Und ich spürte, wie es darum kämpfte, auf die Welt kommen zu dürfen.“

Ständige Infekte als Prophezeihung
Also kämpften sie beide, Mutter und Tochter. In der 37. Woche, am 22.März 2017, wurde Johanna im SMZ-Ost per Kaiserschnitt entbunden, sie wog nur 1500 Gramm, zwei Monate musste sie danach in der Neonatologie des Krankenhauses bleiben, „ich war in dieser Zeit fast dauernd bei ihr“; und dann „dieser wunderbare Augenblick - endlich konnte ich sie mit nachhause nehmen.“ 
Die Prophezeiungen der Ärzte - das Mädchen würde ständig an Infekten leiden - trafen nicht ein: „Im Gegenteil, ich sah Johanna mit jedem Tag stärker werden.“ Die Pflege der Kleinen, sie immerzu im Auge zu behalten, auf jeden Laut von ihr zu achten - ist das nicht manchmal sehr belastend? „Nein, denn sie schenkt mir so viel Freude.“ Unproblematisch sei das Mädchen, so brav, so lustig: „Am meisten mag Johanna, wenn ich ihr Märchen vorlese, wir mit Puppen und Stofftieren spielen - oder klassische Musik anhören.“

Mutter glaubt fest an weitere Jahre mit ihrer Tochter
Trotz dieser positiven Erlebnisse - ist sie nicht dauernd da, die Angst vor einem frühen Tod des Kindes? „Mit solch negativen Gedanken will ich mich nicht auseinandersetzen. Im Gegenteil: Ich glaube fest daran, dass meine Tochter und ich noch eine sehr lange Zeit miteinander verbringen werden. Und ohnehin habe ich mittlerweile gelernt: Die Zukunft ist in Wahrheit immer anders als in der Vorstellung. Mit 20 hatte ich vor, bald zu heiraten, mit 25 mein erstes und mit 27 ein zweites Baby zu bekommen. Und nichts davon traf ein.“ Bloß einen fixen Plan gibt es: „Mit 14 darf Johanna über die Samenbank-Firma ihrem Vater einen Brief übermitteln. Ich werde, sollte sie nicht dazu fähig sein, ihn für sie schreiben. Und ihren Papa um ein Kennenlernen bitten.“ Warum? „Weil auch er erfahren soll, wie entzückend unsere Tochter ist.“

Nur wenig Hilfe vom Staat
Nach zwei Jahren Karenz muss Natascha Barborik wieder - Teilzeit - in ihrem Beruf, Sonderschullehrerin, arbeiten; „denn nun bekomme ich kein Geld vom Staat mehr“, sagt sie. Doch ihre Tochter, wenn auch nur stundenweise, in einem Kindergarten oder bei einer Tagesmutter unterzubringen scheint unmöglich: „Ständig bekomme ich Ablehnungen.“ Der Grund: Für beeinträchtigte Kinder ist eine Betreuung erst frühestens ab dem vierten Lebensjahr vorgesehen. Ein Zustand, den Petra Pinetz von Integration Wien - einem Verein von Eltern für Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung - als „unerträglich und benachteiligend“ bezeichnet. Ihre Forderung: „Gleiche Rechte und gleiche Chancen. Den Ausbau von Integrationsplätzen für Kinder von 0 bis 6 Jahren - und mehr qualifiziertes Betreuungspersonal.“

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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