Vorwürfe aus USA

Missbrauchsopfer: “Der Papst hat davon gewusst”

Ausland
25.03.2010 21:04
Ein mutmaßliches Missbrauchsopfer aus den USA hat die gegen Papst Benedikt XVI. vorgebrachten Vorwürfe, er habe nichts gegen einen pädophilen Geistlichen unternommen, bestätigt. "Der Papst hat davon gewusst. Er muss zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Arthur Budzinski (im Bild) am Donnerstag vor der Erzdiözese von Milwaukee.

Der heute 62-Jährige besuchte als Kind eine Schule für gehörlose Kinder im US-Bundesstaat Wisconsin, in der der Priester Lawrence Murphy laut "New York Times" von 1950 bis 1974 gearbeitet und mutmaßlich bis zu 200 gehörlose Buben missbraucht hat.

Murphy sei nachts in den Schlafsaal gekommen, habe einige Buben mit in einen Schrank genommen und sie sexuell belästigt, sagte Budzinski in Gebärdensprache, die seine Tochter für Journalisten übersetzte. Er selbst habe sich 1974 unter anderem dem Erzbischof von Milwaukee, William Cousins, anvertraut. Dieser habe ihn jedoch angeschrien. Er sei daraufhin "weinend" davongelaufen.

NYT: Ratzinger Ender der 1990er-Jahre informiert
Über die Missbrauchsvorwürfe wurde Kardinal Joseph Ratzinger, der heutige Papst, nach einem Bericht der "New York Times" Ende der 1990er-Jahre als Präfekt der Glaubenskongregation vom damaligen Erzbischof von Milwaukee informiert. Er habe jedoch nicht reagiert. Eine kircheninterne Untersuchung sei eingestellt worden, nachdem der betroffene Priester Ratzinger in einem Brief darum gebeten habe, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Kirchenakten. Murphy verstarb 1998, ohne dass er je seines Kirchenamtes enthoben wurde.

Die Zeitung beruft sich auf Akten aus einem Prozess gegen die Erzdiözese Milwaukee, die von den Anwälten der fünf Missbrauchsopfer an die "New York Times" weitergegeben wurden. Aus den Dokumenten gehe auch hervor, dass drei Erzbischöfe nacheinander von dem Fall wussten, aber nie die Behörden einschalteten. Ein kircheninternes Verfahren gegen den Priester wurde auf Anweisung von Ratzingers damaligem Stellvertreter mit der Begründung verjährt eingestellt.

Vatikan: "Besonders tragischer Fall"
Der Vatikan wies die Darstellung zurück, dass Joseph Ratzinger in seiner früheren Funktion als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation den Missbrauchsfall in der Erzdiözese Milwaukee "verheimlicht" habe. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi sprach am Donnerstag von einem "tragischen" Fall, weil Murphy mit hörgeschädigten Kindern "besonders verletzliche Opfer" missbraucht habe. Der Vatikan sei aber erstmals Ende der 1990er-Jahre über den Fall informiert worden, mehr als 20 Jahre nach einer ersten Meldung bei der Polizei. Die US-Behörden hätten schon in den 1970er-Jahren gegen Murphy ermittelt, das Verfahren aber eingestellt.

Der Vatikan sei nur über den Fall informiert worden, weil mit ihm auch ein Verstoß gegen das Beichtgeheimnis verbunden gewesen sei, erklärte Lombardi. Es sei daher allein um eine kirchenrechtliche Frage gegangen und nicht um mögliche zivil- oder strafrechtliche Konsequenzen. Mit Blick auf das hohe Alter und die angeschlagene Gesundheit des Priesters habe die Glaubenskongregation dem Erzbischof von Milwaukee damals empfohlen, das religiöse Wirken Murphys einzuschränken und eine Übernahme der Verantwortung von ihm zu verlangen.

Wellen an Missbrauchs-Vorwürfen
Am vergangenen Wochenende hatte der Papst der katholischen Kirche in Irland "schwere Fehler" im Umgang mit einem Missbrauchsskandal vorgeworfen, der das Land seit dem vergangenen Jahr erschüttert. Zuletzt waren ähnliche Affären auch in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz bekannt geworden.

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