Bischof im Interview

Kapellari über Krise der Kirche: “Lassen wir uns Mut geben!”

Steiermark
25.03.2010 17:53
Kärende Worte findet Diözesanbischof Egon Kapellari in einem Interview, das er dieser Tage dem "Sonntagsblatt" gegeben hat. Die erschütternden Schlagzeilen der jüngsten Zeit über die katholische Kirche haben Kapellari zugesetzt, er fühle eine tiefe Trauer, könne aber sehr wohl den Zorn vieler Menschen verstehen. Die "Krone" bringt Auszüge aus diesem bemerkenswerten Gespräch.

Frage: Herr Bischof, zuletzt gab es viele negative Schlagzeilen über die katholische Kirche. Wie geht es Ihnen als Mensch, als Katholik, als Bischof?
Egon Kapellari: Ich bin tief traurig über das, was Kindern und jungen Menschen kirchlicherseits in verschiedenen Ländern und Orten angetan worden ist, und kann mich in die Enttäuschung und den Zorn sehr vieler Menschen einfühlen. Die Frage, wie es den Opfern geht, darf uns nicht loslassen.

Frage: Es wurden schon bekannte Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester und Ordensleute neu aufgerollt. Dazu kamen neue Fälle. Ist da ein Flächenbrand ausgebrochen?
Kapellari: Worte wie Flächenbrand sind naheliegend, treffen aber in ihrer Verallgemeinerung wohl nicht zu.

Frage: Die Bischöfe sagen, dass es für sexuellen Missbrauch nur Reue, die Bitte um Vergebung und das Bemühen um Heilung der Wunden gebe. Was tut die Kirche aber konkret?
Kapellari: Lückenlose Aufklärung muss angestrebt werden. Eine gesamtösterreichische Projektgruppe hat ihre Arbeit unverzüglich begonnen. Ein diözesaner Krisenstab wurde eingerichtet. Es erging die öffentliche Aufforderung, Vorfälle von sexuellem Missbrauch an die diözesanen Ombudsstellen zu melden. Schließlich wurde auch eine Kommission betreffend den Umgang mit Tätern eingerichtet.

Frage: In unserer Diözese wurden in den jüngsten Tagen zwei Priester vorläufig dienstfrei gestellt, und ein dritter hat von sich aus die Leitung seiner Pfarren zurückgelegt. Was können Sie zu diesen drei Fällen sagen?
Kapellari: Man hat der Kirche vorgeworfen, dass sie in der Vergangenheit Missbrauchsfälle bagatellisiert oder vertuscht habe. Dem müssen wir uns auch so stellen, dass wir frühere Entscheidungen nochmals in den Blick nehmen. Opferschutz muss gegenüber Täterschutz Vorrang haben. Eine Dienstfreistellung von Priestern und anderen Verantwortlichen ist in diesem Zusammenhang geboten.

Frage: Statistisch gesehen ist die Zahl der öffentlich bekannten Missbrauchsfälle in der Kirche nicht uferlos hoch. Manche meinen aber, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern gewissermaßen "zum klerikalen System" der Kirche gehört. Und dieses System halten manche für nicht reformierbar.
Kapellari: Kirche ist mehr als ein System, sie ist der mystische Leib Christi. Perfekt wird die Kirche nie sein, aber sie muss ein Ort sein, wo ihre Prinzipien wie Leuchttürme dastehen.

Frage: Im Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. an die Katholiken in Irland haben viele den Bezug zu Deutschland und Österreich vermisst.
Kapellari: Der Papst hat im Brief klar seine Traurigkeit über den Schmerz von Missbrauchsopfern und seine Abscheu gegenüber den Tätern öffentlich ausgesprochen. Er meinte damit selbstverständlich auch alle anderen betroffenen Länder. Es wäre fair, diese Tatsache nicht immer wieder zu verdrängen.

Kapellari abschließend: Der Verlust von Vertrauen und Glaubwürdigkeit betrifft die ganze Kirche. Darunter leiden Priester und hauptamtliche Mitarbeiter und besonders auch die vielen Frauen und Männer, die sich ehrenamtlich in den Pfarren engagieren. Ich bitte alle, zusammenzustehen und im Blick auf Jesus Christus sich Mut geben zu lassen, damit Fehler gemeinsam überwunden und das weithin nicht zutreffende negative Bild unserer Kirche anhand von Tatsachen wieder korrigiert werden kann. Ich danke allen für ihre Solidarität und bitte sie um ihr Gebet.

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